Kapitel 6

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Die Fahrt dauerte sechs Stunden und fünfeinhalb davon schlief ich. Die restliche halbe Stunde aß ich einen der Sandwiches und beobachtete Läden, Seen, Wälder und Hotelanlagen, an denen wir vorbeifuhren. Dann konnte ich auch schon das Meer sehen.

Ich klebte, wie ein Kind vor einem Schaufenster eines Spielzeugladens, an der Scheibe und staunte fasziniert über das endlose Wasser mit den vollbesetzten Stränden, den rotweiß-gestreiften Sonnenschirmen und Liegen, kleine Kinder, die mit Schaufeln im Sand buddelten und Jugendliche, die an der Strandbar ihre Cocktails genießen.

Der Bus fuhr weiter abwärts von der Stadt weiter und ich war etwas traurig, nicht einer dieser Hotelanlagen vor den Stränden, zu wohnen. Doch als ich unsere Bungalows sah, war meine Enttäuschung wie weggeblasen. Es waren braune Holzhäuser, welche in einem Halbkreis um einen wunderschönen See gebaut wurden. Jedes dieser Häuser hatte einen Steg, der zum See führte, auf denen Schwäne und Enten gemütlich rumschwammen. Wieder einmal rannten alle los, um sich ein Haus zu sichern, aber da mir alle Bungalows gleich schön vorkamen, ließ ich mir wieder Zeit. Violetta erwischte eins, was ziemlich weit auswärts lag und somit an einem Waldstück grenzte. Sie lächelte stolz und erforschte das Innere der Holzhütte. Es besaß eine eigene Küche, einem Badezimmer mit einer klapprigen Dusche und fünf Betten, die alle nebeneinander standen. Davor stand ein Tisch mit sechs Stühlen, auf denen abgenutzte und staubige Kissen lagen.

„Naja, luxuriös kann man es nicht nennen", sagte Faruk nachdem wir eine Weile schweigend im Raum rumstanden.

„Dafür ist es draußen umso schöner", rief Rehava von der Tür aus. Wir folgten ihm nach draußen. Ich ging den Steg entlang, bis ich mich dann am Ende hinsetzte und eine Entenfamilie beobachte, während alle anderen ihre Taschen auspackten und in die Schränke einräumten.

Ich hielt es jedoch nicht für wichtig, meinen Koffer auszuleeren. Eine gute Stunde später riefen uns die Lehrer wieder zusammen, drückten jedem von uns einen Stadtplan und ein Zettel mit den Handynummern der Lehrer in die Hand. Wir durften nun endlich unsere Gegend erkundigen und ohne großes Nachdenken, beschlossen die meisten Schüler, zum Strand zu gehen.

Ich zog meine Badehose an und nahm ein Handtuch über meine Schulter. Die Umrisse von Violettas pinken Bikini erkannte man deutlich unter ihrem lockeren, weißen Top. Dazu trug sie eine Jeanshotpan und weiße Flip-Flops. Mir fiel es ziemlich schwer, sie nicht wie ein Verrückter anzustarren.

Wir brauchten zehn Minuten, bis wir dann die Promenade erreichten. Ich atmete die frische Luft ein und genoss die Geräuschkulisse. Lachende Kinder, leise, orientalische Musik aus der Strandbar und das Aufschlagen der Wellen. Wir legten unsere Handtücher ziemlich nahm am Wasser hin. Mich wunderte, dass wir überhaupt noch eine freie Stelle gefunden hatten. Ich rechnete damit, dass wir uns noch für einige Minuten in die Sonne legten, bevor wir ins Wasser sprangen, aber Violetta zog sofort ihr Top aus, sobald wir unsere Schuhe in den Sand warfen. Sie hatte eine wahnsinnige Figur. Das knallende Rosa ihres Bikinis betonte ihre braune, makellose Haut und das Oberteil schmeichelte ihren Brüsten so sehr, sodass ich mir es nicht verbieten konnte, hin und wieder einen Blick auf sie zu werfen. Ich zog mein Oberteil aus und bereute es anschließend.

Mein Körper war immer noch eine einzige Katastrophe. Ich war zwar braun gebrannt (was bei den Temperaturen auch kein Wunder ist), aber viel zu dünn. Anstatt Muskeln meinen Bauch verzierten, standen bei mir nur die Rippen hervor, was bei Rehava und Faruk eindeutig nicht der Fall war. Sie hatten jede Art von Muskeln, die sich eine Frau bei ihrem Freund wünschte und ich wette, dass jeder davon trainiert war, selbst die, die ich nicht einmal kannte. Sie rannten ohne Scheu ins eiskalte Wasser, während ich noch ängstlich am Strand stand.

Jedes Mal wenn mir eine Welle gegen die Beine schlug, fing ich an zu zittern und machte hektische Bewegungen zur Seite. Violetta lachte und schwamm wieder ans Ufer.

„Wenn du jetzt nicht reinkommst, schmeiß ich dich eben ins Wasser."

Ich wollte flüchten, doch es war schon zu spät. Sie hielt mich mit einer Hand an den Unterschenkeln fest und zog mich dann mit der anderen ins Wasser, in dem ich mit dem Rücken zuerst untertauchte. Ich kam schweratmend wieder hoch und spritzte sie ärgerlich nass. Sie lachte nur. Je länger man schwamm, desto angenehmer wurde die Wassertemperatur und als die anderen nach zehn Minuten wieder rausgehen wollten, hätte ich mich am liebsten noch stundenlang von den Wellen treiben lassen.

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt