Kapitel 46

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Es war ein schönes Gefühl in meinem eigenen Bett aufzuwachen mit den warmen Sonnenstrahlen auf dem nackten Oberkörper, sodass man aufstehen musste, um das Fenster zu öffnen und auf einen Windzug zu warten, der dann doch nicht kam.

Gut gelaunt und das erste mal nach Tagen ausgeschlafen ging ich in die Küche, wo meine Eltern wie gewohnt schon am Tisch saßen. Mein Vater schaute über seine Zeitung hervor, als er mich bemerkte.

"Morgen!"

"Guten Morgen, Schatz. Setz dich", sagte jetzt meine Mutter und stand sofort auf, um mir einen Früchtetee zu machen.

"Danke, aber ich möchte nichts", entgegnete ich. "Ich fahr jetzt zu Rehava und frühstücke mit ihm zusammen."

Sie seufzte enttäuscht. "Aber du bist doch gerade erst zuhause. Willst du nicht erst mal hier bleiben? Du hast deine Freunde doch eine ganze Woche lang gesehen."

Stutzend suchte ich nach einer Antwort.

"Alicia, lass ihn einfach gehen. Es sind jetzt Ferien, das sollte er ausnutzen", murmelte mein Vater und ich nickte ihm dankend zu.

"Na gut, viel Spaß und meld dich, ja?"

"Jap." Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und holte mein verstaubtes Fahrrad aus der Garage.

Zu Rehava war es nicht weit. Er wohnte in der Nähe von Faruk und Violetta.

Er machte mir die Türe zu seiner Wohnung auf und klopfte mir zur Begrüßung gut gelaunt auf die Schulter. Er hatte noch seinen hellblauen Pyjama mit weißen Streifen an und bat mich mit einer Handbewegung, den Raum zu betreten.

Es roch wie bei Violetta nach Zigarettenrauch, trotz weit geöffneter Balkontür.

Ein riesiger Fernsehen hing an der Wand des Wohnzimmers und vor ihm war eine einladende Sofainsel und ein Glastisch.

Die Küche war erstaunlich groß und auf dem Herd brutzelte ein Haufen Rührei in der Pfanne vor sich hin.

"Oh", sagte Rehava, als er meinem Blick folgte und eilte zum Herd.

"Schön hier", murmelte ich und drehte mich einmal um mich selbst.

Neben dem Kühlschrank war eine geöffnete Tür, die zu seinem Schlafzimmer führte. Es war vollkommen in schwarz und weiß eingerichtet und wurde sehr ordentlich gehalten.

"Danke, ich weiß." Rehava nahm die Pfanne und verteilte das Rührei gerecht auf zwei Teller, die er auf den reichlich gedeckten Tisch stellte.

Eine große Schüssel voller Brötchen und Croissants, Obst und jede Art von Aufschnitt befand sich dort.

"Wow, wusste nicht, dass du so ausgiebig frühstückst, nachdem ich dich eine Woche lang nur Pulverkaffee trinken und trockenes Brot essen gesehen habe", lachte ich verblüfft.

"Wenn man die Zeit dafür hat, gesund und ausgewogen zu essen, sollte man diese nutzen. Was allerdings nicht geht wenn eine gewisse Person namens Violetta meint, immer früh aufstehen zu müssen und um 08:00 Uhr bin ich echt nicht in der Lage, so was zu machen." Er deutete auf den Tisch.

"Verständlich.

Die anderen kommen nicht?", fragte ich beiläufig, da ich gehofft hatte, Violetta wiederzusehen.

"Nene. Wie hast du dir das jetzt eigentlich vorgestellt wie das klappen soll mit dem Schwarm deines besten Freundes zusammen zu sein?"

Ich schluckte. "Ehm, also erstens bist du mein bester Freund und  nicht Faruk."

Er winkte geehrt ab.

"Und zweitens bin ich nicht mit ihr zusammen. Ich würde niemals eine Fernbeziehung eingehen, das hat mir mein bester Freund gelehrt."

"Oh, jetzt ist aber gut", säuselte Rehava verlegen und lachte.

"Jedenfalls weiß ich nicht, warum ich sie geküsst hab."

"Naja, vielleicht solltest du mal mit ihr darüber reden", schlug er vor und schnitt ein Brötchen auf.

"Oh nein, das erspar ich mir. Musste in der Woche genug ernste Gespräche führen."

"Ja, das stimmt. Allerdings bist du ja dafür verantwortlich, wieviel du zu klären hast. Aber egal."

"Du hast Recht. Hab das verdient."

"Was machse heute?", fragte Rehava nach kurzem Schweigen.

"Weiß nicht. Du?"

"Ja, was mit dir. Können in das Café von meinem Vater und für danach hab ich ne geile Idee."

"Die wäre?"

Er lächelte verschmitzt. "Siehst du dann."

Wir frühstückten gefühlte Stunden und guckten anschließend Musikvideos auf MTV. Um halb drei beschloss ich zu gehen.

"Nimm für später bequeme Schuhe, ne Decke, Essen, Trinken und ein Zelt mit. Falls du eins hast, natürlich", sagte Rehava, als er mich zur Tür brachte.

"Was hast du vor, man?"

"Siehst du dann. Bis gleich."

Meine Mutter war natürlich nicht davon begeistert, dass ich wieder wo anders schlafen würde und nicht einmal wusste, wo genau. Aber sie ließ mich gehen, weil ich jetzt Freunde hatte, von denen ich vorher nur träumen konnte und Dad meinte, dass ich jetzt bald erwachsen bin und das genießen darf. 

Erstaunlicherweise besaß ich sogar ein Zelt, dessen Aufbau mir laut Anleitung unmöglich vorkam. Aber Faruk müsste so etwas hinkriegen.

Gespannt schlug ich die Zeit mit Wohnungen suchen und Deutschrap um, was meine Eltern sehr verwunderte, wenn nicht sogar nachdenklich machte. Nicht das Suchen nach eigenen Wohnungen, davon würde ich ihnen vorerst nichts erzählen. Aber dass ich Deutschrap hörte. Früher kam ich nicht einmal auf die Idee, mir so etwas anzuhören, ich fande es assozial - wie meine Eltern, aber seitdem Faruk es immer sang, verband ich schöne Erinnerungen damit.

Die Woche hatte mich verändert. Positiv.

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt