Kapitel 39

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Meine Hände fingen vor Schreck fürchterlich an zu zittern, sodass ich für einen Moment lang dachte, die Serviette, die ich noch hielt, fallen zu lassen.

Keuchend kam Rehava um die Ecke und guckte mich mit einem so intensiven "Tut-mir-Leid-ich-hab-alles-versucht"Blick an, dass ich ihm kurz zunickte, bevor ich mich an Faruk wandte.

Lieber wäre ich aus dem Restaurant gerannt, um dann den nächsten Bus nach Hause zu erwischen und meine Eltern anbetteln zu können, mein altes Leben fortführen zu wollen und zurück nach Hamburg zu ziehen.

Aber so sehr ich diese Variante bevorzugen wollte, wusste ich, dass ich 1. verdient hatte, dieses Gespräch mit Faruk zu führen und 2. sicherlich keinen Bus nach Hause finden würde, also räusperte ich mich und war in Gedanken auf der Suche nach den richtigen Worten.

"Ist das jetzt dein verdammter Ernst?", fragte Faruk mich und ich hatte geahnt, dass er so etwas in der Art als erstes sagen würde. Seine Stimme bebte heftiger als erwartet und ich kriegte es mit der Angst zu tun.

Anscheinend merkte man das.

"Nein. Keine Angst, ich werde dir nicht weh tun, denn du hast das verdammte Glück, dass ich dich echt gern hab. Aber das sollte dich nicht beruhigen. Wie konntest du..." Er hielt kurz inne, bevor er wieder weitersprach. "Wie konntest du mich tagelang anlügen und das, obwohl du weißt, dass ich auf dieses gottverdammte Mädchen stehe!?"

Ich räusperte mich erneut. "Es tut mir so Leid, Faruk, wirklich. Ich hab keine Ahnung, warum ich das gemacht habe. Wahrscheinlich weil ich selber zu sehr in den Gedanken vernarrt war, mit Violetta zusammen sein zu können. Das war dumm und egoistisch von mir, ich weiß." Ich guckte auf den Boden. Selbst jetzt traute ich mich nicht in seine Augen zu gucken.

"Mit euch genauso! Ihr habt mich auch angelogen, die ganze Zeit! Ihr wusstet alle davon! Ihr wart so unverschämt und habt einfach meine Naivität ausgenutzt." Er zeigte auf Violetta und Rehava, die schuldbewusst in die Leere starrten.

Ich fragte mich, warum Faruk immer noch so naiv war, wenn er doch wusste, dass er es ist. Ob man das kontrollieren konnte? Verärgert schob ich diesen Gedanken beiseite.

"Nein, das stimmt nicht. Violetta hat erst eben davon erfahren, sie hat dich nicht angelogen." Ich drehte mich zu ihr um und lächelte sie kurz und unsicher an.

"Stimmt. So was hinterhältiges würde sie nämlich nie tun." Faruk funkelte mich wütend an.

"Entschuldigen Sie, aber ich muss Sie bitten das Restaurant zu verlassen. Sie stören die anderen Gäste." Der Kellner legte mir die Hand auf den Rücken und schob mich vorsichtig ein Schritt nach vorn.

Ich sah mich um und guckte in die neugierigen Gesichter der Leute, die unser Gespräch gespannt mitverfolgt hatten.

"Ich glaub eher, dass wir sie unterhalten, anstatt sie zu stören", murmelte Rehava, worauf er nur einen ermahnenden Blick und eine Handbewegung zur Ausgangstür bekam.

Draußen empfing uns eine stickige Abendwärme und das Zirpen von Grillen, die sich im Dickicht versteckten und nun die einzigen Zuschauer unseres Gefechtes wurden.

"Ok, eigentlich wollte ich sowieso nicht mehr viel sagen, also um es auf den Punkt zu bringen: ich bin einfach mega enttäuscht. Niemals hätte ich so was von dir, Dylan, erwartet, geschweige denn von dir, Rehava, auch wenn wir uns oft mal streiten. Ihr könnt froh sein, dass ich euch mag, sonst wär dein gebrochener Arm nicht der einzige Grund geworden, hier ins Krankenhaus fahren zu müssen." Faruk hielt den Blickkontakt zu mir noch einige Sekunden, drehte sich dann um und ging.

Verzweifelt fuhr Rehava sich durch die Haare.

"Scheiße", murmelte Violetta leise und ging ein paar Schritte.

"Wie hat er davon erfahren?", fragte ich Rehava.

"Herr Kolsten hat bei uns geklopft und dann wollten wir aus der Hintertür flüchten, da standen dann aber dummerweise diese Jessica und ihre Freundinnen..."

Ich seufzte. Den Rest konnte man sich herleiten.

"Sorry, man, aber darauf war ich nicht vorbereitet, sodass selbst mir keine Ausrede mehr einfiel. Wo ihr seid und welches Restaurant, hat er komischerweise von selbst rausgefunden. Wahrscheinlich weil ich so oft von der unglaublich schönen Einrichtung erzählt habe und er kennt mich anscheinend gut genug um zu wissen, dass ich genau dieses als erste Wahl für ein Date nehmen würde."

Ich nickte. Das ergab Sinn.

"Was jetzt?" Violetta sah mich an und in dem Moment war mir alles so unvorstellbar peinlich.

Wie konnte ich nur glauben mit all diesen Lügengeschichten heil rauszukommen? Dachte ich ehrlich, dass ich mit Violetta diesen wunderschönen Abend hier erleben konnte, ohne auch nur einen damit zu enttäuschen? Ich war so benebelt von dem Gedanken und der Szene mit Violetta romantisch zu Abend zu essen, dass ich derjenige wurde, dessen Naivität größer wurde als sein Verstand.

Wortlos gingen wir nebeneinander den Weg entlang. Wir wussten auf Violettas Frage nichts, was wir hätten sagen können. Schlimmer konnte der Abend, auf den ich so sehnlichst gewartet hatte, nicht werden.

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt