Kapitel 49

250 10 2
                                    

Mein Leben hatte sich schlagartig zum Positiven geändert. Von all den Personen und Erlebnissen, die ich kennenlernen und erleben durfte, wurde mir das Wichtigste wieder abgenommen. Ich hatte so lange Pech, ich fürchtete, dass das Glück ganz einfach nicht zu mir passte. Die anderen nannten mich "Glücksfall", aber erst jetzt verstand ich die Ironie und die Bedeutung dahinter.

In den weiteren Monaten war viel passiert.

Violetta war hunderte Kilometer von mir entfernt.

Rehava legte sich ein neues Auto an, was ich bis heute nicht, im Gegensatz zu dem alten, in mein Herz schließen konnte.

Faruk hatte sich in ein junges, schönes Mädchen namens Anastasia verliebt und ist so allmählich von Violetta losgekommen.

Und ich hatte eine Wohnung gemietet. Zu meinem Glück zogen Rehavas Nachbarn aus. Er hatte mich an einem Sonntagabend angerufen und gesagt, ich solle zu ihm ziehen. Ich hatte mit "Ja" geantwortet und aufgelegt ohne je meinen Eltern was von meinen Plänen erzählt zu haben.

Meine Mutter war anfangs nicht sehr begeistert und es hat auch einige Tage gedauert, bis Papa und ich sie überreden konnte. Nun wohne ich neben meinem besten Freund in einer kleinen, bescheidenen Bude.

Pünktlich am 04. November flugen wir nach Sydney. Wir waren völlig erschöpft, als wir ankamen. Doch uns begrüßte eine braungebrannte und scheinbar glückliche Violetta, die uns kreischend in die Arme fiel. Endlich konnte ich sie küssen ohne schlechte Gewissen oder Zweifel zu haben und ihre Küsse aus Australien prickeln noch heute auf meinen Lippen.

Es war eine schöne Zeit dort, ihr Vater war freundlich, das Haus war groß und das Meer wunderschön. Der Abschied fiel mir schwer, denn dieses Mal wussten wir nicht, wann das nächste mal sein würde. Dieses Mal hatten wir weder Flugtickets, noch das Geld welche zu kaufen.

2 Monate später, anfang Januar, ließen sich meine Eltern scheiden. Ich hatte es ehrlich gesagt nicht einmal mitbekommen, dass es zwischen ihnen nicht mehr klappte. Hatte sie auch nie streiten gehört. Papa kaufte sich eine Wohnung zwei Blöcke weiter und Mama behielt das riesige Haus, in dem sie sich furchtbar winzig und einsam vorkam, sodass meine Besuche bei ihr immer mehr wurden.

"Kommst du damit klar?", hatte mich Rehava besorgt gefragt, als ich ihm auf dem Sofa davon erzählte.

"Ja, denke schon. Ich meine, ich hab Mamas Augen und Papas Lippen, auf meinem Gesicht sind sie theoretisch noch zusammen", hatte ich darauf geantwortet.

Irgendwann wurden die Nachrichten und Anrufe von Violetta immer weniger. Ich hatte damit gerechnet, dass früher oder später der Kontakt verblassen wird, aber vorstellen konnte ich es mir trotzdem nie.

Ich wusste nicht einmal welche Beziehung wir führten und ob ich auf die Frage, ob ich eine Freundin hätte oder nicht mit Ja oder Nein antworten sollte. Ob ich sie betrügen würde, wenn ich ein anderes Mädchen küsse?

Höchstwahrscheinlich hatte sie selber schon einen Australier schöne Augen gemacht und liegt gerade mit ihm am Strand oder geht surfen und guckt sich mit ihm im Outback Kängurus an.

Niemand von uns konnte es beantworten, dennoch fragte keiner.

Das meiste meiner wertvollen Zeit verbrachte ich mit Rehava auf dem Sofa, mit Faruk in seinem Café oder mit Mama beim Lasagne kochen.

Ich war traurig wegen Violetta, trauerte aber nicht. Ich wusste, dass das nur der Anfang meines neues Lebens war. Es war nur ein Kapitel einer verdammt langen Geschichte und ich schwöre bei Gott, ich werde sie zu der besten Geschichte überhaupt machen. Es wird so viele coole Menschen geben, die in mein Leben platzen. Sie werden urplötzlich die größte Rolle in meinem Leben spielen und das Kapitel versüßen. Ebenso wird es Leute geben, in denen ich mich irren werde und die mich enttäuschen, verletzen, buchstäblich das Herz aus der Brust reißen.

Was soll's.

Ich lerne von ihnen, sie verändern mich, machen mich stärker. Bekanntlich öffnet sich eine neue Tür, sobald die andere schließt und wie gespannt war ich auf all das, was auf mich zukommen würde. Auf jede Person, jede Liebe, jede Freundschaft, jeden Erfolg, jede Niederlage, jeden Preis.

Und egal wieviele Jahre vergingen und egal wie schnell die Zeit verflog, ich träumte nachts immer wieder von zwei verschiedenen Augen, welligem Haar und süßem Apfelshampoo.

ViolettaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt