Chapter 1

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„Du willst, dass ich was mache?" Ich stellte diese Frage jetzt bestimmt schon zum dritten Mal, aber mein Gehirn hatte es immer noch nicht geschafft, zu verarbeiten, was gerade passiert war.

Er sah mich an und runzelte die Stirn. Wahrscheinlich zweifelte er gerade an meinem Verstand, was ich ihm leider nicht verdenken konnte. Ich würde auch zweifeln, wenn die Person mir gegenüber mich zum dritten Mal auffordern würde, zu wiederholen, was ich gerade gesagt hatte.

Er seufzte. „Ich möchte, dass du meine Fake-Freundin wirst." Dieses Mal hielt ich mich davon ab, noch einmal nachzufragen.

„Aber... warum ich?" Er seufzte wieder. Anscheinend gingen ihm meine Fragen ein wenig auf die Nerven, aber im Moment war es mir egal. Ich wollte nur wissen, was hinter seiner Frage steckte.

„Weil du mich doch verstehen müsstest. Immerhin bist du das Mädchen, das sich gerade mit mir zusammen in einem begehbaren Kleiderschrank vor ihren Verehrern versteckt."

„Und deswegen soll ich so tun, als wäre ich verliebt in jemanden, den ich eigentlich gar nicht kenne und mag?" Für einen kurzen Moment zuckte er bei meinem Kommentar zusammen, aber dann hatte er seinen Gesichtsausdruck so schnell wieder unter Kontrolle, dass ich mich fragte, ob ich mir seine Reaktion nicht nur eingebildet hatte.

„Ich bitte dich nur, darüber nachzudenken. Mich würden keine Mädchen mehr verfolgen und dich würden deine Verehrer endlich in Ruhe lassen. Ich treffe dich Montag morgen am Schuleingang, sag mir dann einfach Bescheid, wie du dich entschieden hast."

Mit diesen Worten stand er auf und öffnete die Tür des riesigen Kleiderschranks, der unser Versteck gewesen war. Er versicherte sich, dass keiner auf dem Gang rumlungerte und verschwand dann ohne einen weiteren Blick zurück zu mir aus der Tür.


3 Stunden zuvor

„Claire! Beeil dich, sonst kommen wir zu spät!" Genervt stöhnte ich auf.

„Mache ich ja, Jo! Aber wenn du mich weiter aus der Konzentration bringst, kriege ich diesen Lidstrich niemals hin." Jo - meine beste Freundin -, die vorbei gekommen war, um mich zur Party mitzunehmen, sagte nichts mehr, doch dann hörte ich, wie sich die Badezimmertür öffnete und drehte mich mit einem hilfesuchenden Blick zu ihr um.

Kurz grinste sie über meinen Versuch, mich zu schminken, dann nahm sie mir den Eyeliner aus der Hand und nachdem ich mir die Reste meines miserablen Versuchs abgewischt hatte, trug sie ihn mir auf. Natürlich war dieser Lidstrich perfekt und ich lächelte dankbar.

Kurze Zeit später standen wir dann endlich vor der Tür des Hauses von Ians Eltern. Ian war einer unserer Kumpel aus der Schule und hatte ziemlich reiche Eltern, die gerade auf Geschäftsreise waren und von der Party - die er in ihrem Haus veranstaltete - höchstwahrscheinlich nie etwas erfahren würden.

Als die Tür sich öffnete, strahlte Ian uns an und ließ uns ins Haus. Er hatte das riesige Foyer zum Partyraum auserkoren und jetzt standen überall Leute herum und feierten. Laute Popmusik dröhnte aus den Lautsprechern, die an den Wänden aufgestellt waren und ich brauchte einen kurzen Moment, ehe ich alles in mich aufgenommen hatte.

Dann begann ich zu lächeln. Ich wusste nicht genau warum, aber ich liebte die Stimmung auf Partys. Alle waren vollkommen losgelöst, waren von ihren Freunden umgeben und hatten Spaß.

Apropos Freunde, Jo und ich hatten uns in der Zwischenzeit mit Ians Hilfe einen Weg zu unserer Clique gebahnt, die anscheinend schon auf uns gewartet hatte. Ich sah Ians Freundin Sarah und ihren Zwillingsbruder Josh auf einem der Sofas sitzen und auch David, den Jo und ich schon seit unserer Kindheit kannten, grinste uns entgegen. Dann waren da noch Marc - der Typ, auf den Jo stand -, Lauren - die erst seit ein paar Monaten an unserer Schule war, aber trotzdem schon fest zu uns gehörte - und Toby, der beste Freund von Ian.

Wir alle besuchten nun das letzte Jahr der Highschool, waren also seniors. Die meisten von uns waren noch siebzehn, nur Ian und Lauren hatten letztens schon ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert.

Ian war für seine spektakulären Partys bekannt, also würde die Nacht wahrscheinlich sehr lang werden. Ich drehte mich gerade nach links, um mir das in den Partyraum verwandelte Foyer noch einmal genau anzusehen, als Lauren nach meinem Arm griff und mir eindringlich etwas zuflüsterte.

„Achtung, Max auf zwölf Uhr! Er starrt in unsere Richtung und... verdammt, jetzt kommt er auf uns zu!" Ich stöhnte bei ihren Worten innerlich auf.

Max war einer der hirnlosen, machohaften, aber leider angesagten Typen der Schule und leider hatte er mich als seine zukünftige Freundin auserkoren und war überzeugt davon, dass ich ihn auch mochte.

Das tat ich definitiv nicht und so drehte ich mich mit einem entschuldigenden Lächeln zu meinen Freunden um, ehe ich mich in die Menge auf der Tanzfläche drängelte und aus Max' Blickfeld verschwand. Gerade jetzt, wo er wahrscheinlich angetrunken war (es scherte ihn nicht im geringsten, dass er damit gegen das Gesetz verstieß), würde ich keine Ruhe vor ihm haben, wenn er mich erst einmal gefunden hatte.

Als ich am anderen Ende der provisorischen Tanzfläche angekommen war und mich umdrehte, sah ich, wie er sich immer noch durch die Tanzenden hindurch einen Weg zu mir bahnte. Ich stöhnte, drehte mich dann aber um und verschwand in den Flur des Hauses von Ians Eltern.

Ich kannte mich hier aus und riss die zweite Tür auf der rechten Seite auf, von der ich wusste, dass sie in einen großen, begehbaren Kleiderschrank führte. Mit einem Blick zurück schloss ich die Tür hinter mir, entschlossen, mich hier einfach hier drin für kurze Zeit zu verstecken.

Max würde in seinem angetrunkenen Zustand sicherlich ziemlich schnell ein anderes Mädchen finden, das mit ihm tanzen würde, auch wenn er am nächsten Tag wieder behaupten würde, nur Augen für mich zu haben.

Ich seufzte erleichtert, doch dann fuhr ich erschreckt herum, als hinter mir eine Stimme ertönte.

„Auch auf der Flucht vor nervigen Verehrern, Claire Howard?" Seine Stimme ließ mich herumfahren und ich erblickte Jake Stewart, den angesagtesten Badboy der Schule schlecht hin, wie er lässig an der Wand lehnte und mit einem schiefen Grinsen zu mir hinab starrte.

Tja, und so war es dazu gekommen, dass ich zusammen mit Jake Stewart, einem Typen, dem ich normalerweise aus dem Weg ging, in einem Kleiderschrank hockte und mich versteckte.

Ich hatte nicht den geringsten Schimmer, was ich von seiner Idee, so zu tun als würden wir ein Paar sein, halten sollte, also starrte ich ihm einfach einen kurzen Moment lang nach, ehe ich - immer noch leicht geschockt - auch zur Tür hinaus verschwand, um mich wieder auf die Suche nach meinen Freunden zu machen, die mich wahrscheinlich schon vermissten.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt