Chapter 9

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Ich war echt neugierig, warum Jake mir wohl hinterher gekommen war und legte fragend den Kopf schief, als er bei mir ankam.

„Mir ist aufgefallen, dass du zwar meine Freundin bist", begann er und malte bei dem Wort Freundin mit den Händen Anführungsstriche in die Luft, „aber ich gar nicht deine Handynummer habe. Es wäre ziemlich seltsam, wenn man seiner Freundin nicht schreiben könnte."

Jetzt sah er mich fragend an und ich gab ihm durch ein Kopfnicken zu verstehen, dass ich ihm zustimmte. Es wäre wirklich komisch, besonders falls Jo mich irgendwie darauf ansprechen würde. Sie hatte normalerweise die Fähigkeit, echt immer total ins Schwarze zu treffen. Also kramte ich mein Handy aus meiner Jackentasche, entsperrte das Display und reichte es ihm, sodass er seine Nummer einspeichern konnte.

„Hier", sagte er, als er es mir wieder gab. „Ich habe mich übrigens sogar mit Herz eingespeichert. Ist überzeugender", meinte er und zwinkerte mir so schnell zu, dass ich mir nicht sicher war, ob ich mir sein Zwinkern nicht vielleicht nur eingebildet hatte.

„Okay", antwortete ich, ohne auf seinen Kommentar zu dem Herz einzugehen. „Ich schreibe dir dann, damit du auch meine Nummer bekommst."

Er nickte mir zu und grinste, als er sich mit einem „Bis dann, Claire" von mir verabschiedete. Ich verabschiedete mich auch und machte mich dann wirklich mal auf den Weg zur Bushaltestelle, wobei ich mich echt beeilen musste, um meinen Bus überhaupt noch zu bekommen. Zuhause angekommen wunderte ich mich zuerst kurz, dass meine Mutter noch nicht da war, ehe mir erst wieder einfiel, dass ich aufgrund des Entfalls des Unterrichts ja früher nach Hause konnte und sie um diese Uhrzeit noch arbeitete.

Sie hatte ein eigenes, ziemlich erfolgreiches Mode-Geschäft in der Innenstadt und ich muss sagen, dass die Kleidung, die sie verkaufte, echt einen coolen Stil besaß. Mein Vater arbeitete für die Regierung und war deswegen leider ziemlich viel unterwegs, aber ich wollte mich eigentlich nicht beschweren, da er durch diesen Job ziemlich viel Geld verdiente und wir uns deswegen den ein oder anderen Luxus gönnen konnten.

Nachdem ich mir ein Stück Lasagne warm gemacht hatte, dass noch vom Vortag im Kühlschrank stand und immer noch echt lecker schmeckte, fiel mir wieder ein, dass ich Jake ja gesagt hatte, dass ich ihn anschreiben würde. Ich griff also nach meinem Handy, das ich neben mich auf den Küchentisch gelegt hatte, und suchte in meinen Kontakten nach Jakes Nummer. Als ich sie fand, musste ich kurz grinsen, denn er hatte sich tatsächlich mit einem auffälligen, roten Herz eingespeichert.

Ich öffnete also seinen Chat auf WhatsApp und tippte darauf los. Hey Jake, hier ist Claire :) schrieb ich, ohne lange darüber nachzudenken. Jo hätte wahrscheinlich fünfmal überlegt, ob sie denn einen Smiley mitschicken sollte oder nicht, und wenn ja, welchen, aber ich dachte über so etwas nie wirklich nach, warum sollte ich auch. Diese Nachricht war ja nichts Besonderes.

Nach dem Essen gab ich mich an die Hausaufgaben, die ich heute aufbekommen hatte, aber nach kurzer Zeit war meine Motivation schon wieder verschwunden und ich war kurz davor, aufzugeben, als mein Handy vibrierte. Glücklich, einen guten Grund zu haben, meinen Blick von den Mathe- Aufgaben abzuwenden, griff ich danach und blickte auf das Display, um zu sehen, wer mir geschrieben hatte.

Es war Jake. Ich öffnete den Chat und die Worte Hi Claire sprangen mir ins Auge. Ich überlegte noch kurz, ob ich etwas antworten sollte, doch da sah ich, wie ein kleines schreibt... unter seinem Namen auftauchte und ich wartete lediglich auf seine zweite Nachricht.

Wo wohnt meine neue Freundin denn eigentlich überhaupt? ;)

Ich grinste. Einerseits, weil ich es echt amüsant fand, wie er mich als seine neue Freundin bezeichnet hatte und andererseits, weil er genau wie ich die alten, manuell geschriebenen Smileys benutzte. Kurz fragte ich mich, warum er denn meine Adresse haben wollte, aber andererseits war es auch wieder nachvollziehbar, dass er wissen musste, wo ich wohnte und umgekehrt. Ich schrieb ihm also meine Adresse und fragte auch nach, wo mein neuer Freund denn wohnte, aber dann fiel mir auf, dass nun unter seinem Namen kein online mehr stand, sondern ein zul. online um 13:45.

Ich zuckte mit den Schultern - obwohl mir natürlich klar war, dass das dumm war, da mich niemand sah - und wandte mich schweren Herzens wieder meinen Mathe-Aufgaben zu. Nach ein paar Minuten - oder vielleicht waren es auch mehrere, bei Mathe konnte ich die Zeit nie gut einschätzen - war ich mir gerade ziemlich sicher, dass ich endlich den richtigen Ansatz zur Lösung hatte, als es an der Haustür klingelte.

Ich wunderte mich kurz, da ich nicht wusste, wer es sein könnte, aber dann fiel mir ein, dass meine Freunde jetzt auch schulfrei hatten und vielleicht einer von ihnen sich dazu entschlossen hatte, mich spontan zu besuchen. Besonders Lauren und David taten das - abgesehen von Jo - schon einmal öfter und mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete ich die Tür - und stockte.

Nicht Lauren, David oder Jo stand vor meiner Tür, sondern Jake Stewart, der mir grinsend entgegenblickte.

„Hi, Claire", sagte er und ich wunderte mich kurz, dass es mir gar nicht mehr komisch vorkam, wie sein Name von seiner Zunge rollte, hatte ich es doch vor ein paar Tagen noch so seltsam gefunden.

„Ähhh...hi?", stammelte ich und konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Was machte dieser Typ vor meiner Haustür? Und außerdem hatte er die Nachricht, in der ich ihm meine Adresse mitgeteilt hatte, doch gar nicht gelesen, oder? Frech legte er den Kopf schief und blickte mich an.

„Willst du mich nicht reinlassen?"

„Wieso bist du hier?"

„Du wolltest doch, dass wir reden. Und außerdem muss ich doch meine Freundin kennenlernen, wissen, was sie mag und so. Stimmt's?" Auf einmal wollte er doch mit mir reden? Obwohl er mir immer ausgewichen war? Aber er hatte Recht, wenn wir irgendwen überzeugen wollten, mussten wir uns schon kennen.

Immer noch sprachlos nickte ich und er grinste mich wieder schief an. „Na dann lass mich rein."

Ich trat stumm beiseite und als ich hinter ihm die Haustür schloss, konnte ich einen Blick auf ein schwarzes Motorrad werfen, das abgeschlossen am Rand unserer Einfahrt stand und erst als ich mich wieder zu Jake umdrehte, der sich beinahe neugierig in unserem Flur umsah, fiel mir auf, dass er einen Motorradhelm in der Hand hielt.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt