Chapter 51

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Jake begann allerdings nicht direkt zu sprechen. Einen wahrscheinlich sehr kurzen, mir aber unendlich lang vorkommenden Moment sah er mir einfach weiterhin in die Augen, ehe er dann doch tief Luft holte und den Mund öffnete. Und dann sprudelten die Worte und Sätze nur so aus ihm heraus.

„An dem Abend nach dieser Wahrheit-oder-Pflicht-Runde ging es mir echt beschissen. Nachdem ich dich bei dir abgesetzt hatte und wieder zuhause war, war ich echt fertig mit den Nerven, so paradox das für dich jetzt auch klingen mag. Klar, es gibt keinen Grund, dass du mir jetzt nach alldem noch glauben solltest, aber ich möchte es zumindest probieren. Und du musst wissen, dass das hier für mich echt verdammt schwer ist. Ich bin nicht wirklich gut darin, mich anderen gegenüber zu öffnen."

Von Jakes Worten verwirrt, aber auch irgendwie gefesselt, runzelte ich die Stirn. Ich hatte eigentlich das Gefühl gehabt, dass er sich mir – zumindest eine gewisse Zeit lang – schon ziemlich stark anvertraut hatte, beispielsweise als er mir von Emily erzählt hatte. Ich überlegte gerade, ob ich nicht doch etwas sagen sollte – immerhin bezweifelte ich, dass Jake mir etwas erzählen würde, dass meine Meinung über ihn ändern würde –, aber dann sprach er schon wieder weiter und ich entschloss mich dazu, ihn in seinem Redefluss doch nicht aufzuhalten.

„Das war auch am Anfang bei dir so. Du erinnerst dich doch bestimmt noch daran, dass du immer mit mir darüber sprechen wolltest, wie wir diese ganze Fake-Beziehung aufrechterhalten könnten, aber ich immer abgeblockt habe. Das habe ich aus genau diesem Grund getan – ich wollte nicht zu viel von mir preisgeben und hatte befürchtet, dass du mir einige Fragen stellen würdest, wenn wir erst einmal die Zeit gehabt hätten, zu reden. Ich habe also versucht, dem Ganzen aus dem Weg zu gehen. Aber du hast nicht locker gelassen und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass du mir vertraust – auch wenn ich dir ja nicht wirklich einen Grund dafür gegeben hatte. Tja, und so hast du es geschafft, dass ich begann, mich in deiner Gegenwart total wohl und geborgen zu fühlen. Und ich habe mich dir anvertraut, habe sogar beinahe gar keine Hemmungen gehabt, dir von Emily zu erzählen. Wie du weißt, hatte ich noch nie jemandem davon erzählt, hatte es irgendwie immer geschafft, das Thema zu umgehen, aber bei dir... Ich habe mich so sicher gefühlt."

Jake seufzte, aber ich sah ihn mit unveränderter Miene an. Auch wenn seine Worte vielleicht auf irgendeine verrückte Weise Sinn zu ergeben schienen, war er immerhin noch der Kerl, der mich angelogen hatte, der Kerl, der mich so sehr verletzt hatte.

„Und um ehrlich zu sein, dieses Gefühl hat mir Angst gemacht. Natürlich hatte ich keine Angst vor dir selbst, nur Angst, wieder zu verlieren, was wir hatten. Dieses gegenseitige Vertrauen. Am Anfang konnte ich dieses Gefühl einfach ignorieren, immerhin waren wir wirklich gut befreundet und ich konnte mir keinen Grund vorstellen, wie sich unser Verhältnis so ändern könnte, dass wir uns nicht mehr vollkommen vertrauen können."

Jakes Worte taten weh. Mit seinem Gerede über das Gefühl von grenzenlosem, gegenseitigem Vertrauen hatte er mir wirklich komplett aus der Seele gesprochen. Ich hatte Jake vollkommen vertraut – jedenfalls bis zu dem Punkt, an dem er mein Vertrauen gebrochen hatte. Und genau deswegen schmerzten seine Worte so sehr.

„Ich hatte mich allerdings geirrt. Es gab da etwas, das ich vielleicht sogar früher hätte realisieren können, aber als ich mir dann einmal sicher war, konnte ich es nicht mehr ändern. Und ich konnte es dir auch nicht sagen, so viel war sicher. Dann dachte ich mir, ich könnte es vor dir verheimlichen, es dich einfach nicht merken lassen, aber daran bin ich auch zerbrochen, jedes verdammte, einzige Mal, wenn ich dich angesehen habe."

Jake atmete schwer und fuhr sich frustriert durch die Haare, dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob er denn wirklich bewusst merkte, was er tat. Er sprach für einen kurzen Moment nicht mehr weiter, sondern sah mich einfach mit einer so verzweifelten Miene an, dass ich nichts lieber wollte, als irgendetwas zu tun, das diese Gefühlsregung aus seinem Gesicht verschwinden lassen würde. Noch immer war mir sein Wohlbefinden so wichtig, unabhängig davon, was er mir und meinen Gefühlen angetan hatte.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt