Chapter 35

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In der restlichen Schulwoche passierte eigentlich gar nichts Interessantes. So wie es Schultage gab, an denen sich die Ereignisse nur so aneinanderreihten, gab es natürlich auch welche, die sich so lang wie Kaugummi zogen. Aber zum Glück verging der Rest der Woche dann doch ziemlich zügig und schon war ich mit dem konfrontiert, was am Samstag stattfinden würde.

Nämlich Jakes „kleine" Familienfeier.

So langsam machte sich echt etwas Nervosität in mir breit. Auch wenn ich mir immer wieder einredete, ich bräuchte nicht aufgeregt zu sein, konnte ich das Gefühl einfach nicht abschütteln. Jakes Eltern kennen zu lernen, war eine Sache, aber als seine feste Freundin bei einer Familienfeier aufzutreten war da schon etwas ganz anderes.

Trotzdem hatte ich nun mal schon zugesagt und außerdem gab es da ja noch mein neues wunderschönes Kleid, das ich echt endlich anziehen wollte. Jo freute sich irgendwie total darauf, dass ich auf diese Familienfeier gehen würde, dass sie sogar darauf bestanden hatte, vorher vorbei zu kommen, um mir beim fertig machen zu helfen. Auf meine Frage, wobei um alles in der Welt ich denn Hilfe brauchte, hatte sie nur grinsend den Kopf geschüttelt und gesagt, sie würde um halb eins da sein. Jake wollte mich dann um zwei Uhr abholen, allerdings hatte er gesagt, dass er nicht mit seinem Motorrad kommen wollte, immerhin wusste er, dass ich ein Kleid anziehen wollte.

Auch wenn ich ihren Besuch wirklich für sinnlos gehalten hatte, war ich jetzt doch froh, eine seelische Unterstützung zu haben. Jo als meine beste Freundin wusste immer genau, was sie sagen musste, um mich zu beruhigen, wenn ich mich über irgendetwas aufregte oder wie jetzt nervös war. Und dafür war ich ihr immer unendlich dankbar.

Ehe ich mich versah, war dann auch schon circa halb ein und ich öffnete der strahlenden Jo die Haustür, als es geklingelt hatte. Sie sagte nichts, sondern kam einfach grinsend herein, woraufhin auch ich zu lächeln begann, während ich die Tür hinter ihr schloss. Wie wahnsinnig glücklich ich doch war, sie meine beste Freundin nennen zu können.

„Okay, lass uns hochgehen", schlug Jo vor, aber ich schüttelte entrüstet den Kopf.

„Ich brauche doch keine eineinhalb Stunden, um mich fertig zu machen! Außerdem muss ich auch noch etwas essen, bevor Jake mich abholt, und das will ich nicht in dem Kleid machen. Bei meinem Hang zur Tollpatschigkeit schaffe ich es noch, das Kleid schon zu ruinieren, bevor ich es zu der Feier tragen konnte." Jo verdrehte nur die Augen, wiedersprach mir aber nicht. Sie wusste, wie tollpatschig ich manchmal sein konnte.

„Wo ist eigentlich deine Mutter?", fragte Jo und blickte sich suchend um, als wir die Küche betraten. „Arbeiten?"

„So halb. Sie wollte kurz mal in ihrem Laden vorbeischauen, ob die neue Mitarbeiterin Hilfe braucht, aber ist danach bei einer Freundin zum Brunch eingeladen. Ich habe ihr gesagt, dass sie da ruhig auch länger bleiben kann, aber sie wollte mich trotzdem unbedingt in meinem Kleid sehen, also wird sie so um halb 2 auch wieder hier sein."

„Achso. Nur schade, dass dein Vater dich nicht in dem Kleid sehen kann." Ich seufzte. Sie hatte natürlich Recht.

„Stimmt. Aber er kommt ja zum Glück bald wieder zurück und ich finde dann bestimmt nochmal eine andere Gelegenheit, es anzuziehen. Willst du eigentlich auch etwas essen?"

„Nein danke, ich habe gerade zuhause gegessen. Ich gucke dir einfach zu", antwortete Jo und grinste mich frech an. Sie wusste, wie sehr ich es hasste, wenn jemand zu Besuch war, aber nichts essen wollte und mir dann nur zusah, während ich es tat. Aber andererseits war mir das bei Jo mittlerweile schon fast egal, von daher zuckte ich nur mit den Schultern und machte mir ein leckeres Sandwich.

Nachdem ich dann etwas gegessen hatte, gingen Jo und ich in mein Zimmer, in dem sie noch einmal das Kleid bewunderte, welches ich anziehen würde. Ich hatte es heute morgen schon außen an meinen Schrank gehangen, so machte ich das meistens, wenn ich schon im Vorhinein wusste, was für ein Outfit ich für eine besondere Gelegenheit anziehen würde.

„Du wirst echt toll aussehen in dem Kleid", meinte Jo und sah von dem Kleid wieder zu mir zurück.

„Ich hoffe es."

„Weißt du denn schon, was du mit deinen Haaren machen willst?"

„Nur so grob. Eigentlich möchte ich sie hauptsächlich offenlassen, aber vielleicht die Seiten wegstecken oder so." Ich zuckte mit den Schultern. Auch wenn Jo meine beste Freundin war, musste sie ja nicht wissen, dass ich am vorigen Abend im Bett gelegen, an die Decke gestarrt und viel zu lange überlegt hatte, welche Frisur ich mir machen sollte.

Meine beste Freundin nickte zustimmend. „Ich finde, das ist eine gute Idee. Ich kann dir die Haare auch machen, wenn du dich umgezogen hast." Jetzt war ich diejenige, die durch ein Nicken ihre Zustimmung kundtat. Ich schnappte mir also das wirklich wunderschöne Kleid vom Kleiderbügel und verschwand in dem an meinem Zimmer angrenzenden Bad.

Ich war mir nicht sicher, wie es anderen Personen so ging, aber wenn ich irgendein Outfit anzog, durfte es mir nicht nur gefallen, ich musste mich auch total wohl darin fühlen. Gerade bei Kleidern oder Röcken hatte ich dieses Gefühl eher selten, weshalb ich immer irgendeine Jeans vorzog. Dieses Kleid aber liebte ich jetzt schon, auch wenn ich es noch nie wirklich getragen hatte.

„Habe ich nicht gesagt, du wirst toll aussehen in diesem Dunkelblau?", meinte Jo lächelnd, als ich wieder aus dem Bad trat. Ich lächelte zurück. Auch wenn ich manchmal eine sehr selbstkritische Person sein konnte, musste ich zugeben, dass mir das Kleid schon stand. Irgendwie passte es zu meiner Haarfarbe.

„Dankeschön. Auch danke noch einmal, dass du mir so geholfen hast. Immerhin hast du das Kleid gefunden." Sie grinste, dann deutete sie eine Verbeugung an.

„Ihr persönlicher Shopping-Begleiter stets zu Ihren Diensten." Ich lachte und mir fiel auf, dass Jo mir mit ihrer süßen, lustigen Art sogar ein wenig die Nervosität genommen hatte. Es war also doch echt gut, dass sie vor Jakes Familienfeier noch vorbeigekommen war.

Jo machte mir auch wirklich die Haare und ich war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Sie hatte die Seiten einfach nach hinten hinweg genommen, aber dabei irgendwie gedreht und festgesteckt, was schlicht und trotzdem elegant aussah. Ich wollte mich gerade noch einmal vom Spiegel weg und zu ihr drehen, um mich zu bedanken, aber da hörte ich, wie sich ein Schlüssel im Schloss unserer Haustüre drehte und meine Mutter „Hallo Claire" rief. Ich lächelte zwar, als ich dann gemeinsam mit Jo die Treppe zu ihr hinunter schritt, aber ich war auch wieder nervöser geworden. Es war zwar toll, dass meine Mutter wieder da war und mich noch in meinem Kleid sehen konnte, aber andererseits hieß das, dass es schon halb zwei war und Jake mich bald abholen würde.

„Wow", machte meine Mutter nur, als sie mich in meinem Kleid sah. „Du siehst echt fantastisch aus. Wir müssen unbedingt ein paar Fotos für deinen Vater machen, damit er dich auch in diesem Kleid sieht." Ich seufzte zwar, weil ich es bevorzugte, die Fotografin zu sein und nicht diejenige, die fotografiert wurde, aber sie hatte ja recht. Natürlich wollte ich, dass mein Vater mich so sah, und außerdem wollte auch ich ein Bild von mir in diesem echt tollen Kleid haben.

Also protestierte ich ausnahmsweise mal nicht und ließ Jo und meine Mum mich fotografieren. Ein wenig fühlte ich mich fast schon wie eine Art Model, weil sie mir sagten, wo ich mich hinstellen und wie ich schauen sollte, aber so schlimm war es jetzt auch nicht, fotografiert zu werden. Es hatte mich vor allem etwas abgelenkt von Jakes Feier, bis es jedoch an der Tür klingelte und ich beinahe hören konnte, wie mein Herz zu schlagen begann.

Ich verfluchte mich deswegen innerlich selbst ein wenig, immerhin besuchte ich „nur" als Jakes Fake-Freundin seine Familienfeier, aber trotz meiner Aufregung versuchte ich, ein strahlendes Lächeln aufzusetzen und ging unter den Augen von Jo und meiner Mutter zur Haustüre, um sie für Jake zu öffnen.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt