Der Rest des Nachmittags, beziehungsweise des Abends, verging wie im Flug. Eine lange Zeit lang unterhielten Jake und ich uns noch weiterhin mit Taylor und Marco, aber auch bei Jakes anderen Cousinen und Cousins verbrachten wir einige Zeit. Am Anfang war ich immer noch darauf bedacht, mich so zu verhalten, wie ich annahm, dass man es von mir erwartete, aber mit der Zeit wurde ich immer lockerer und konnte mehr ich selbst sein.
Jake war mir dabei allerdings wirklich eine große Hilfe, da er echt ein Gespür dafür zu haben schien, wann ich mich unwohl fühlte. Immer dann lächelte er mich aufmunternd an, legte mir einen Arm um die Schultern oder spielte schlicht und einfach mit den Fingern meiner Hand. Ich bemerkte, dass ich mich immer wieder zwingen musste, von ihm wegzuschauen, wenn ich ihn dann dankend anlächelte, da ich mich schon so das ein oder andere Mal in seinen Augen verloren hatte.
Irgendwann wollten dann aber auch Marco und Taylor fahren, sodass Jake vorschlug, dass auch wir nun nach Hause fahren würden. Ich hatte da nichts gegen. Natürlich war es wirklich sehr schön gewesen auf dieser Familienfeier, aber mit der Zeit war ich auch ein wenig müde geworden, also verabschiedeten wir uns von Jakes Familie. Elise, also Jakes Großmutter, benahm sich noch einmal total süß mir gegenüber, indem sie meinte, Jake könne mich ruhig bei seinem nächsten Besuch zu ihr mitbringen.
Ein wenig seltsam war es nur, als Jakes Mutter, als wir uns von ihr verabschieden, noch einmal betonte, wie toll ich in meinem Kleid aussah (was mich wirklich sehr freute, dass von ihr zu hören), und Jake mich für einen Moment einfach nur anstarrte, während ich lächelnd seiner Mutter dankte. Auf meinen verwirrten Blick hin, den ich ihm daraufhin zugeworfen hatte, schüttelte er nur den Kopf, aber es war klar, dass ich ihn noch einmal auf die Situation ansprechen würde.
Genau das tat ich dann auch, als wir wieder in dem Wagen von Jakes Mutter saßen, den sie ihm geliehen hatte. Ich wartete natürlich noch, bis Jake eingestiegen war – er hatte mir wieder wortlos die Tür aufgehalten – und wir die Straße entlangfuhren, dann sah ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Also?" Jake fragte gar nicht nach, was ich denn meinte, sondern sah mich nur kurz von der Seite an, ehe er seinen Blick wieder auf die Straße richtete.
„Es ist eigentlich nichts Besonderes", meinte er, aber an seinem Tonfall konnte ich erkennen, dass er noch weitersprechen und sein Verhalten erläutern würde. „Meine Mutter hatte nur Recht. Natürlich siehst du wunderschön aus in deinem Kleid – das habe ich dir ja auch schon gesagt –, aber irgendwie ist mir das noch einmal so richtig klar geworden, als sie es meinte. Derjenige, der dich irgendwann einmal als richtige Freundin hat, kann sich echt glücklich schätzen."
Erstaunt von Jakes Worten drehte ich mich zu ihm um, doch er starrte einfach weiter auf die Straße vor sich. Eine Zeit lang überlegte ich, was ich auf Jakes Aussage antworten könnte, denn natürlich würde sich auch Jakes Freundin glücklich schätzen können, aber ich wollte auch nicht irgendeine total vorhersehbare, plumpe Antwort geben, von daher war ich froh, dass Jake noch weitersprach.
„Das soll jetzt aber nicht heißen, dass er sich nur wegen deines Aussehens glücklich schätzen kann. So meinte ich das nicht, so oberflächlich bin ich nicht."
„Ich weiß, Jake. Und ich weiß auch, dass deine zukünftige Freundin echt bescheuert wäre, würde sie dich nicht wie verrückt lieben." Den Laut, den Jake auf meinen Kommentar hin machte, konnte ich nicht ganz deuten, aber ich vermutete, dass es eine Art kurzes Lachen war. Diesmal verzichtete ich aber auch darauf, weiter nachzufragen, denn auch wenn Jake mir gerade das größte Kompliment gemacht hatte, das er hätte tun können, war die Situation irgendwie komisch und das wirkte sich auch auf die Atmosphäre im Auto aus.
Auch wenn ich die Zeit mit Jake sonst immer echt genossen hatte, war ich jetzt froh, dass wir ziemlich schnell wieder bei mir zuhause in die Einfahrt einbogen. Meiner Meinung nach gab es nämlich kaum etwas Schlimmeres als ein peinliches Schweigen, bei dem man wirklich einfach nur stumm nebeneinander saß.
„Du hast den Abend heute aber auch schön gefunden, oder?", fragte Jake mich, als er den Motor des Autos abstellte und mich ansah.
„Ja, wirklich total", antwortete ich und meinte das auch hundertprozentig ehrlich. Auch wenn irgendetwas zwischen Jake und mir ein wenig seltsam geworden war, seit wir – beziehungsweise er – spätere, ernste Beziehungen erwähnt hatte, hatte mir der Abend bei Jakes Familie echt gut gefallen.
„Das ist gut. Ich meine, die Feier hat sogar mir Spaß gemacht, und dass obwohl ich normalerweise wirklich die meisten Treffen schwänze. Vielleicht liegt das ja an dem Mädchen in dem blauen Kleid?" Bei seinem letzten Kommentar, den er nur in einem halbernsten Ton gesagt hatte, musste ich lachen und irgendwie kam es mir so vor, als würde sich die Atmosphäre zwischen uns durch mein Lachen vorerst wieder normalisieren.
Ich wusste allerdings trotzdem nicht so ganz, was ich auf seinen Kommentar sagen sollte, aber er schien zum Glück keine Antwort zu erwarten, sondern lächelte nur leicht. Ich griff nach meiner kleinen Tasche, die ich mitgenommen hatte, um mein Handy verstauen zu können, und öffnete die Beifahrertür.
„Bis morgen", sagte ich, dabei biss ich mir eine Sekunde später wieder auf die Zunge. Ich hatte doch keine Ahnung, ob Jake und ich uns morgen treffen würden (immerhin war morgen Sonntag und damit keine Schule), aber ich hatte mich einfach schon so daran gewöhnt, ihn jeden Tag zu sehen. Ein wenig besorgt, etwas Falsches gesagt zu haben, blickte ich in seine grünen Augen, aber das Lächeln auf seinen Lippen ließ meine Zweifel verschwinden.
„Bis morgen, Claire", sagte er sanft und nun war ich diejenige, die leicht lächelte, ehe ich mich umdrehte und zur Haustür ging. Eigentlich rechnete ich damit, dass Jake sofort den Motor starten und nach Hause fahren würde, aber als ich mich – nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte – noch einmal umdrehte, stand der schwarze Mercedes immer noch in der Einfahrt und Jake sah mir hinterher. Ich winkte ihm noch einmal lächelnd, dann zog ich die Haustür hinter mir zu. Während ich dann meine Tasche im Flur ablegte, konnte ich auch hören, wie Jake den Motor startete und losfuhr und irgendwie brachte es mich zum Lächeln, dass diesmal er derjenige war, der mir hinterhergeschaut hatte.
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Pretending
Romance„Du willst, dass ich was mache?" „Ich möchte, dass du meine Fake-Freundin wirst." ----------------------------- Jake Stewart. Ein arroganter Typ aus der konkurrierenden Clique, den Claire Howard eigentlich nicht mag und mit dem sie - zum Glück - nic...