Chapter 15

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Am nächsten Morgen wachte ich erst auf, als meine Mutter an meine Tür klopfte und den Kopf hineinsteckte.

„Claire? Es ist halb acht. Du musst aufstehen." Sofort saß ich kerzengerade im Bett. Ich hatte verschlafen. Ausgerechnet ich hatte verschlafen. Sowas passierte mir normalerweise nie.

Mum grinste, als sie meinen geschockten Gesichtsausdruck sah. „Ich mache dir dein Müsli schon mal fertig. Auch wenn du spät dran bist, lasse ich dich nicht ohne Frühstück aus dem Haus."

Ich lächelte und rieb mir die Augen, während ich aufstand und in meinem Schrank nach etwas suchte, dass ich anziehen konnte. Genug Klamotten hatte ich, das stand außer Frage - aber trotzdem wusste ich nie, was ich tragen sollte. Letztendlich entschied ich mich für eine einfache, dunkelblaue Röhrenjeans und ein weißes T-Shirt. Klassisch und schlicht, aber was soll's, ich ging immerhin in die Schule, nicht zu irgendeiner Party.

Schnell bürstete ich mir die Haare und band sie zu einem hohen Pferdeschwanz, ehe ich so schnell es ging - ohne dabei zu stolpern und hinzufallen - die Treppe in die Küche runter raste und mein Müsli runterschlang. Ein Blick auf mein Handy zeigte mir, dass ich noch genau fünf Minuten hatte, ehe Jo mich zur Schule abholen würde.

Unter dem amüsierten Blick meiner Mutter raste ich wieder die Treppe hinauf ins Bad, putzte mir die Zähne und spritzte mir ein wenig Wasser ins Gesicht. Für Make-Up (beziehungsweise in meinem Fall eh sowieso nur Wimperntusche) hatte ich heute dann nun mal keine Zeit, das war mir jetzt aber auch nicht so wichtig.

Als es an der Haustür klingelte, hörte ich, wie sich meine Mutter durch den Flur bewegte, um sie zu öffnen, während ich noch schnell meinen Collegeblock in meine Tasche warf. Zu allem Überdruss hatte ich auch noch vergessen, gestern schon meine Schulsachen zu packen und konnte nur hoffen, dass ich jetzt in der Hektik nichts vergaß. Schnell zog ich mir noch meine Chucks an und flitzte wieder ins Erdgeschoss.

„Sorry Jo", begann ich, als ich sie noch gar nicht sehen konnte, weil ich im Flur noch nach meinem Schlüssel kramte. „Ich habe verschlafen und...Jake?!"

Ich geriet ins Stocken, als ich das erste Mal einen Blick aus der Tür geworfen hatte, neben der meine Mutter an der Wand lehnte. Nicht Jo stand da und wartete auf mich, sondern Jake. Plötzlich machte es „Klick" in meinem Kopf und ich begriff.

„Deshalb wolltest du gestern mit Jo und nicht mit mir sprechen!" Jake grinste lediglich und begrüßte mich mit seinem üblichen „Hi, Claire".

Erst jetzt fiel mir wieder auf, dass Mum immer noch neben mir stand und uns leicht lächelnd beobachtete. Sofort wusste ich nicht mehr so ganz, was ich sagen sollte und richtete meinen Blick ein wenig vorwurfsvoll zu Jake, der lässig mit den Schultern zuckte. Na warte, der konnte noch was erleben.

„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du einen Freund hast, Claire", sagte sie und zog eine Augenbraue hoch.

„Wir sind erst seit kurzem zusammen", versuchte ich mich rauszureden und wich Jakes mitleidigem Blick aus. Er fand die Ausrede anscheinend genauso schlecht wie ich selbst es tat.

„Trotzdem möchte ich das wissen."

„Muuuum", bettelte ich und versuchte sie mit Blicken dazu zu überreden, aufzuhören.

Sie seufzte. „Naja, jetzt kenne ich Jake ja, er hat sich mir gerade vorgestellt."

„Mrs. Howard? Ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber wir kommen zu spät zur Schule, wenn wir jetzt nicht losfahren." Darüber verwundert, wie gut Jake sich benehmen konnte und mir total darüber im Klaren, dass meine Mum ihn alleine wegen diesem Kommentar jetzt schon liebte, sah ich ihn an, während er mir aus dem Augenwinkel zuzwinkerte.

„Natürlich", antwortete meine Mutter und schloss die Tür hinter mir, als ich zu Jake hinaus getreten war. Ich schlug ihm auf den Arm.

„Autsch!", rief er und rieb sich perplex über die Stelle. „Wofür war das denn?"

„Dafür, dass du mich immer ins kalte Wasser schmeißt", versuchte ich eiskalt zu sagen, doch meine Mundwinkel verzogen sich ohne, dass ich es wirklich wollte, zu einem Lächeln.

Er grinste. „Wie wär's mit einem danke dafür, dass ich dich mit zur Schule nehme?"

Stumm lächelnd schüttelte ich den Kopf - und erstarrte, als ich in unsere Einfahrt blickte. Dort stand sein schwarzes Motorrad und an seinem Lenker hingen zwei Helme - einer für ihn und einer offensichtlich für mich.

Immer noch sprachlos drehte ich mich wieder zu ihm um, während er mich beobachtete.

„Bist du schon mal Motorrad gefahren?", fragte er und ich schüttelte den Kopf.

„Hmm", machte er. „Dann wird es da mal Zeit für. Ich fahre schon nicht zu schnell, keine Sorge." Er ging zu seiner Maschine, nahm die beiden Helme vom Lenker und hielt mir einen entgegen. Zum Glück kam wieder Bewegung in mich, also ging ich zu ihm und setzte mir den Helm auf. Ich kämpfte immer noch mit dem Riemen des Helms, als Jake seinen schon längst angezogen hatte.

Grinsend, aber keine abfällige Bemerkung machend, drehte er sich wieder zu mir um und schloss behutsam die Schnalle, während ich ihn anstarrte. War das hier wirklich Jake Stewart? Der Jake Stewart, den ich immer so verabscheut hatte?

„Komm", sagte er, nachdem mein Helm fest saß und schwang sich auf sein Motorrad. Ich setzte mich hinter ihm auf sein Motorrad und eine verrückte Mischung aus Aufregung und ein wenig Nervosität machte sich in mir breit.

„Du musst dich schon festhalten", sagte er und auch wenn ich ihn nicht sah, konnte ich das Grinsen aus seiner Stimme heraushören. Langsam legte ich meine Arme um seine Taille und verschränkte meine Hände an seinem Bauch.

„Vertraust du mir?" Über seine Worte musste ich kurz nachdenken. Vertraute ich ihm? Vertraute ich Jake Stewart? Ich konnte nicht ja sagen - aber nein auch nicht.

„Manchmal."

Ich konnte sein Grinsen, als er meine Antwort hörte, beinahe hören und musste selbst grinsen.

„Dann halt dich lieber fest", sagte er und gab Gas, während ich mich so fest es ging an ihm festklammerte.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt