Beim Mittagessen war alles still. Jeder ging seinen Gedanken nach. Es war ungewohnt, dass alle zusammensaßen und trotzdem keiner etwas sagte.
Nach dem Essen sollte ich Thomas zu Winston in das Schlachthaus bringen. Wir liefen nebeneinander her und sagten nichts. Zumindest bis mein Zwilling mir eine Frage stellte, die mir auch schon die ganze Zeit durch den Kopf schwirrte: "Was heißt, er wurde gestochen?"
"Ich kann es dir nicht sagen. Ich weiß es selbst nicht.", antwortete ich seufzend: "Aber wir können Winston fragen."
Thomas gab sich damit zufrieden und löcherte mich nicht noch weiter, wie ich es erwartet hatte. Als wir angekommen waren, begrüßte uns der Hüter der Schlitzer: "Hey Lilly, hey Frischling. Ich hoffe du stellst dich besser an, als deine Schwester. Sie hätte mir an ihrem Probetag fast vor die Füße gekotzt."
"Stimmt doch garnicht.", log ich schmollend. Thomas lachte nur. "Du Winston, könntest du uns sagen, was es heißt, gestochen zu werden?", fragte ich augenklimpernd.
Sein Grinsen verwandelte sich in einen traurigen Gesichtsausdruck: "Wenn man von einem Griewer gestochen wird, erlebt man die Verwandlung. Man hat Höllenschmerzen und labert nurnoch wirres Zeug. Kein schöner Anblick, kann ich euch sagen."
"Und was macht man mit jemanden, der gestochen wurde?", fragte Thomas. Winston seufzte: "Wir verbannen ihn. Kurz bevor die Tore sich schließen, schieben wir ihn ins Labyrinth. Wir können Ben nicht hier auf der Lichtung lassen. Das wäre zu gefährlich, glaubt mir."
Wir sagten nichtsmehr. Ben würde sterben und das nur, weil er gestochen wurde. Er war unschuldig. Plötzlich überkam mich eine Wut auf die Schöpfer, die ich mir nie hätte träumen lassen. Ben war heute in meinem Sektor. Es traf mich wie ein Blitz. Wäre ich heute ins Labyrinth gegangen, läge ich jetzt an Ben's Stelle im Loch. Er würde wegen mir sterben. Ich wurde blass.
Auf der Stelle drehte ich mich um und rannte aus dem Bluthaus.
"Lil!", rief Thomas mir hinterher, doch Winston hielt ihn zum Glück auf und sagte ihm, dass ich jetzt Ruhe brauchte. Ein Orden für Winston!
Ziellos lief ich über die Lichtung bis ich, mit von Tränen verschwommener Sicht, Newt entdeckte, der im Garten arbeitete.
Ich rannte weinend auf ihn zu und schmiss mich in seine Arme. Er war der Einzige, den ich jetzt bei mir haben wollte.
Etwas überrumpelt erwiderte er meine Umarmung. Bitterlich schluchtzte ich gegen seine Brust. Er hielt mich einfach nur fest und strich mir über den Rücken. Langsam wiegte er uns hin und her. Die anderen Gärtner hatten ihre Arbeit liegengelassen, um uns Privatsphäre zu gewähren, worüber ich sehr dankbar war.
"Was ist denn los? Warum weinst du?", fragte Newt leise. Ich konnte die Besorgnis in seiner Stimme hören. "Ben wird wegen mir sterben, Newt. Wäre ich nicht Ohnmächtig geworden, hätte er nicht meinen Sektor übernehmen müssen. Und dann wäre er nicht gestochen worden. Ich bin Schuld, dass er verbannt wird.", schluchtzte ich. Meine Stimme bebte.
Newt löste sich ruckartig von mir: "Lilly, sag' das nie wieder. Wäre er nicht gestochen worden, wärst du jetzt vielleicht an seiner Stelle und das könnte ich mir nie verzeihen. Ich will nichtmehr ohne dich hiersein, ok? Hast du das verstanden?", er legte seine Hände fest auf meine Schultern, während ich an seinen Armen Halt suchte.
Meine Tränen waren auf meinen Wangen getrocknet. Langsam nickte ich. Newt sah mir fest in die Augen: "Gut."
Ich hatte das Gefühl, mein ganzer Körper musste wackeln, so viele Schmetterlinge, wie ich im Bauch hatte.
"Newt.", sagte ich immernoch mit bebender Stimme. "Was ist?", er sah mich fragend an. "Ich war eine von ihnen. Ich habe euch das angetan. Und Thomas auch.", erneut kullerte mir eine Träne aus dem Auge. Es tat gut, es gesagt zu haben, aber ich hatte auch Angst vor Newt's Reaktion - sehr große Angst sogar.
Newt schüttelte leicht den Kopf: "Es ist mir egal wer du, oder wer Thomas vor dem Labyrinth wahrt. Jetzt seid ihr hier und sitzt im gleichen Klonk fest wie wir. Und das ist alles was zählt." Er umarmte mich erneut, was mich mit einer Wärme füllte, die ich noch nie zuvor gespürt hatte. Es war ihm egal - ich war eine der Schöpfer und es war ihm trotzdem egal.
Ich hatte mich in Newt verliebt, das war mir jetzt klar. Ich liebte alles an ihm - wie er mit unseren Freunden umging, wie er mich ansah und berührte. Ich liebte seine Stimme und wie er lachte. Wie er seine Augenbrauen zusammenzog, wenn er nachdachte und wie er beim Laufen sein linkes Bein etwas hinterherzog - einfach alles an ihm war perfekt.
Mit einem tiefen Atemzug inhalierte ich seinen Geruch, den ich so sehr mochte. Wir standen noch ewig so da und sagten nichts.
Er hatte seine Arme um meine Taille geschlungen und ich die meinen um seinen Rücken. Da er etwas größer war, als ich stand ich - wie bei jeder Umarmung - auf den Zehenspitzen.
Seinen Kopf hatte er in meinen Haaren vergraben, während ich mich an seinen Hals kuschelte. Leider wusste ich nicht genau, was Newt für mich empfand.
Als es bereits dämmerte, gingen wir zum Tor. Ich hatte Angst vor der Verbannung von Ben.
Newt befahl mir, mich zu Thomas und Chuck zu stellen - die etwas abseits standen - da er nicht wollte, dass ich alles so genau sah.
Alle Hüter, bis auf Minho, hatten lange Holzstangen in der Hand, an denen an dem einen Ende ein Stock quer befestigt war. Die anderen Lichter bildeten zwei Reihen, die rechts und links von den Hütern bis zur Mauer reichten. Dadurch bildete sich ein kleiner 'abgetrennter' Platz vor dem noch geöffneten Tor.
Minho, der den gefesselten Ben vor sich hertrieb, kam aus der Richtung, inder das Loch lag. Ben murmelte Zeug vor sich hin, das ich nicht verstand. Er sah zu uns herüber. Seine Augen waren rot und die Haut von dunkellilanen Adern übersäht. Er sah absolut schrecklich aus.
Minho schubste Ben in den Kreis, der von den Lichtern umrandet war. Dann zog er ein Messer und schnitt damit die Fesseln auf, dann warf er ein kleines Säckchen in das Labyrinth. Mit einem Knirschen fing das Tor an, sich zu schließen.
"Na los!", rief Alby. Er selbst hatte auch so einen langen Stab. Die Hüter drängten Ben mit ihren Stäben immer weiter in Richtung Labyrinth, während die beiden Reihen aus Lichtern sich mit den Toren bewegten. Ben hatte keine Chance, sich zu befreien.
"Hört mir zu, ihr versteht das nicht.", knurrte er immer lauter, sodass sogar Chuck, Thomas und ich es noch hörten.
Als das Tor fast geschlossen war, ging Chuck. Auch ich wendete mich ab und ließ den Kopf hängen. Unerwartet legten sich die Arme von Thomas um meinen Körper.
Ich wehrte mich nicht, sondern erwiderte seine Umarmung. Es war der erste Körperkontakt zwischen uns, bei dem ich mich wirklich daran erinnern konnte, wie er sich anfühlte.
Es war anders, als bei Newt - natürlich. Es fühlte sich einfach gut an, meinen Bruder wieder zu haben. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, wie es vor der Lichtung zwischen uns war, aber für den Moment reichte mir das hier.
In dieser Nacht träumte ich davon, wie Newt zu so einem Monster wurde, wie Ben es war. Es war der reinste Horror. Er jagte mich quer durch das Labyrinth, bis er mich erwischte und anfing zu würgen.
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Worst Case [Newt FF]
FanfictionTeil 1: Worst Case; 33.300 Wörter [Teil 2: Worst Lie] [Teil 3: Worst Zone] Ein Mädchen, allein mit einem Haufen Jungs auf einer Lichtung. Ob das so gut gehen würde? Sie muss es am eigenen Leib erfahren. Doch so schlimm, wie es zunächst scheint, i...