Zurück auf der Lichtung erwarteten uns Newt und Chuck. Der Frischling hatte große Augen, als er uns aus dem Labyrinth laufen sah.
"Alles fit im Schritt?", begrüßte ich die beiden und blieb stehen. "Davon abgesehen, das das hier der nervigste Neppdepp von allen ist, geht es mir gut.", erklärte Newt und wuschelte Chuck durch die Haare: "Er kann echt viel Klonk auf einmal erzählen."
Ich lachte. Der arme Newt musste sich wohl den ganzen Tag mit ihm herumschlagen. "Ich gehe mich jetzt frisch machen und dann zum Essen. Man sieht sich.", versuchte ich die beiden abzuwimmeln.
"Hast du ein Date, oder warum musst du dich frisch machen?", rief Newt mir hinterher. Ich zuckte nur mit den Schultern und grinste schief: "Wer weiß, genug Typen gäbe es ja."
Newt fand diese Antwort wohl nicht so lustig, da er einen ernsten Gesichtsausdruck auflegte. Grinsend sah ich ihn an und ging nochmal zurück: "Das war ein Scherz."
Zum Abschied kniff ich ich ihm einmal in die Wange, was ihn zum schmunzeln brachte.
Zufrieden ging ich zum Kartenraum, legte meinen Rucksack und die Uhr ab und wusch mein Gesicht mit dem erfrischend kalten Wasser des Teichs.
So lief das jeden Tag ab.
***
Als ich in der nächsten Woche aus dem Labyrinth getrabt kam, stand Newt schon vor dem Tor und wartete.
"Hey, was gibt's?", begrüßte ich ihn. "Heute ist wieder eine Lieferung durch die Box hochgekommen.", berichtete er mir. "Na und, das ist doch normal, warum erzählst du mir das?", fragte ich verwundert nach.
"Es war eine Kiste für dich dabei. Ich zeig sie dir nach dem Essen, ok?", grinste er mich an. Alles klar...
Langsam und misstrauisch nickte ich und verschwand dann Richtung Kartenraum.
Nach dem Essen, was total versalzen war - dank Chuck, der heute seinen letzten Probetag bei Pfanne hatte - wartete ich vor der Tür auf Newt, der sich echt Zeit ließ.
Als Gally auf mich zukam, runzelte ich verwundert die Stirn. "Na Lilly, lange nichtmehr gesprochen. Newt ist was dazwischengekommen, ich soll dir deine Kiste zeigen.", grinste er mich an. "Ja, das stimmt. Wie geht's dir so?", fing ich ein Gespräch an.
Vor uns hinquatschend gingen wir zur Box, neben der ein Haufen Kisten standen.
Gally steuerte auf eine bestimmte zu: "Hier, das ist deine Kiste." Erstaunt betrachtete ich sie. Auf dem Deckel war mein Name eingebrannt.
"Soll ich dir helfen, sie zu deiner Hängematte zu tragen?", bot Gally sich an. Ich nickte lächelnd.
Gemeinsam trugen wir die Kiste an meinen Schlafplatz, wo wir sie am Kopfende meiner Matte hinstellten. "Danke Gally.", ich umarmte ihn kurz.
Nachdem er mich alleine gelassen hatte, setzte ich mich im Schneidersitz vor die Kiste.
Vorsichtig, als könnte er jeden Moment zerbrechen, legte ich den Deckel zur Seite. Was da wohl alles drin war...
Als erstes zog ich frische Kleidung mitsamt Unterwäsche heraus. Toll, jetzt wo ich über einen Monat in den gleichen Sachen herumgelaufen war, schickten mir die Schöpfer etwas Frisches - wie nett von ihnen.
Ich schüttelte leicht den Kopf. Als nächstes kramte ich eine Bürste heraus. Darüber freute ich mich wirklich. Bis jetzt hatte ich meine Haare immer nur mit den Fingern durchgekämmt, da keiner der Jungs mir eine Bürste leihen konnte.
Danach nahm ich eine Box aus der Kiste, in der sich Binden und anderes Zeug für meine Monatsblutung fand. Woher ich wusste, das ich soetwas bekam, oder man die Binden dafür benutzte, wusste ich auch nicht. Das komische war, dass ich bis jetzt keine Menstruation gehabt hatte. Es war doch zum kotzen, nichts war hier normal...
Auch einen kleinen Rasierer fand ich darin. Endlich. Zuvor hatte ich mich immer mit einem Messer begnügen müssen. Die Jungs hatten dieses Problem ja nicht, aber ich fühlte mich mit meterlangen Achselhaaren einfach nicht wohl.
Bis auf ein paar Haargummis fand ich nichts mehr darin. Gerade als ich alles wieder hineinlegen wollte, fiel mir etwas auf, das am Boden der Kiste lag.
Vorsichtig nahm ich es heraus. Es war ein Foto. Es war schon sehr zerknittert, was mich jedoch nicht störte. Auf dem Foto war ich mit einem gleichaltrigen Jungen zu sehen. Nach genauerem hinsehen erkannte ich den Jungen. Es war der selbe wie der, der immer mal wieder in meinen Träumen vorkam.
Hatte das etwas zu bedeuten? Bestimmt. Nachdem ich das Foto bestimmt fünf Minuten lang einfach nur angestarrt hatte, riss mich Newt's leise Stimme aus den Gedanken: "Alles in Ordnung?"
Schnell faltete ich das Bild zusammen und versteckte es in meiner Hosentasche. "Ja, alles klar.", log ich ihn an. Ich tat das nicht gerne, aber ich wusste nicht, ob es eine gute Idee war, jemandem etwas von dem Bild zu erzählen.
Newt setzte sich neben mich auf den Boden und sah mir zu, wie ich mein Zeug wieder in meine Kiste packte: "Sicher? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst."
Nachdem ich alles wieder verräumt hatte, sah ich ihn an und seufzte. Ich konnte es ihm einfach nicht verheimlichen. "Ich habe ein Bild in der Kiste gefunden."
Vorsichtig zog ich das Foto wieder aus meiner Tasche, stand auf und setzte mich in meine Hängematte. Newt tat es mir gleich und setzte sich neben mich, sodass sich unsere Arme und Beine berührten. Diese Tatsache lenkte mich kurz ab und löste wieder ein Kribbeln in mir aus.
Dann nahm ich meinen Mut zusammen und klappte das Foto auseinander. Newt verkrampfte sich sofort: "Kommt er dir denn bekannt vor?"
Traurig schüttelte ich den Kopf. Auf dem Bild grinsten wir beide glücklich in die Kamera. Er hatte seinen Arm auf meine Schultern gelegt. Und jetzt konnte ich mich nichtmal an ihn erinnern...
"Ihr seht euch sehr ähnlich.", stellte Newt fest. "Meinst du, er ist mein Bruder?", fragte ich vorsichtig, aber er hatte Recht. Wir sahen uns wirklich ähnlich. Wir hatten die selbe Haarfarbe, die gleichen Augen. Sogar den selben Hautton.
"Wäre doch gut möglich.", bestätigte Newt meine Vermutung. Aus irgendeinem Grund kamen mir die Tränen. "Ich kann mich nichtmal an ihn erinnern.", schluchtzte ich.
"Hey, du wirst ihn bestimmt irgendwann kennenlernen.", versuchte Newt mich zu trösten. Er hatte seine Arme von der Seite aus um mich gelegt und strich mir beruhigend über den Rücken. Seine Worte klangen zwar nicht sehr überzeugend, aber er schaffte es trotzdem, mich zu entspannen.
Dafür war ich ihm dankbar. Er schaffte es immer, mich wieder auf den Boden zurück zu bringen.
Nach meinem kurzen Gefühlsausbruch gingen wir zu Minho, Micky und den anderen ans Lagerfeuer und unterhielten uns noch lange mit den Jungs. Auch Chuck beteiligte sich fleißig an den Gesprächen, was vor allem Minho auf die Ohren ging. Er schien den Frischling nicht besonders zu mögen.
Viel zu spät gingen wir schlafen.
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Worst Case [Newt FF]
FanficTeil 1: Worst Case; 33.300 Wörter [Teil 2: Worst Lie] [Teil 3: Worst Zone] Ein Mädchen, allein mit einem Haufen Jungs auf einer Lichtung. Ob das so gut gehen würde? Sie muss es am eigenen Leib erfahren. Doch so schlimm, wie es zunächst scheint, i...