○ siebenundzwanzig ○

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Hand in Hand liefen Newt und ich vor Thomas und Teresa her. Minho hatte die Führung übernommen. Er wirkte von allen immernoch am fittesten.

Selbst der Schein der Taschenlampen schien von der Dunkelheit verschluckt zu werden. Die Wunden an meinem Bauch spürte ich - vermutlich durch das Adrenalin - momentan garnicht.

Plötzlich vernahm ich Schreie von weiter vorne. Was war das jetzt schon wieder? Eine weitere Variable? Aber wir waren aus dem Labyrinth entkommen, also doch keine Variable...

Minho war da vorne. Bei dem Gedanken, dass ihm etwas passiert sein könnte, wurde mir ganz übel.

Als Newt und ich dort ankamen, wo der Junge vor uns verschwunden war, konnte ich erkennen, dass es sich um eine Rutsche handelte, die steil nach unten führte.

Kurz sah ich mich zu Newt, Thomas und Teresa um, bevor ich losrutschte. Lächelnd hatte ich festgestellt, dass mein Bruder und Teresa Händchen hielten.

Die Rutsche ging wirklich steil bergab, bis ich das Gefühl hatte, mich im Kreis zu bewegen. Vermutlich ging die Rutsche spiralförmig nach unten.

Dann, endlich kam ein Ende in Sicht. Mit voller Geschwindigkeit rutschte ich auf den Haufen Lichter, der sich vor der Rutsche gebildet hatte.

Hart landete ich auf einem der Jungs, was mir ein Zischen entlockte, da ich mit dem Bauch aufkam. Ich flüsterte ein 'Sorry'.

Gerade als ich mich aufrappeln wollte, fiel irgendetwas schweres auf meinen Rücken. Ein weiteres Stöhnen entwich mir. Einerseits, weil es mir die Luft aus den Lungen gepresst hatte und andererseits durch den erneuten Druck auf meine Verletzung.

"Newt, du bist schwer.", stellte ich fest. "Ihr wisst garnicht, wie schwer zwanzig Lichter sind.", keuchte Minho, der wohl ganz unten lag.

Ein erneuter Druck übte sich auf meinen Rücken aus. Das war wohl Teresa. "Einundzwanzig.", stöhnte Minho wieder.

Einige Lichter - ich eingeschlossen - mussten lachen. Dann kam noch ein Schlag auf meinen Rücken. "Zweiundzwanzig. Sind das dann jetzt alle?", beschwerte sich Minho.

Nacheinander befreiten wir uns aus dem Haufen, bis Minho gierig nach Luft schnappen konnte und Newt wieder nach meiner Hand griff.

Endlich hatte ich Zeit, mich umzusehen. Wir befanden uns in einer riesigen Halle, die mit Kabeln, Computern und irgendwelchen Maschinen gefüllt war. Auch weiße, geöffnete Kapseln standen in der Halle. Daraus führte eine Schleimspur in Richtung Rutsche. Vermutlich die Griewernester. Komisch.

Mir kam das hier alles bekannt vor, aber nicht so, dass ich wüsste, wo es lang ging. Als wäre ich schonmal hier gewesen...

Dann entdeckte ich sie. Wie Statuen saßen sie hinter Fensterscheiben. Ich wusste, dass das die Leute waren, die uns hier reingesteckt hatten. Die Schöpfer.

Hass bildete sich in mir, als ich mir jeden einzelnen von ihnen ansah. Blass - wie Leichen - sahen sie aus.

Die Fenster, hinterdenen sie saßen und uns beobachteten, waren in eine große Betonwand eingelassen. Ausdruckslose Gesichter.

Die Frauen hatten die Haare streng nach hinten gebunden, während die Männer alle einen Zwei-Millimeter-Schnitt trugen. Einfach unheimlich, diese Menschen.

Alle hatten das Gleiche an. Weiße Hemden, über denen schwarze Kittel. Gerade fühlte ich mich eine Laborratte, die beobachtet wurde, wie sie den Weg durch ein Labyrinth zum Käse suchte und der Käse sich am Schluss in einer Falle befand.

Nach einer Weile wollte Chuck wissen wer das war. Minho antwortete ihm: "Die Schöpfer." Er klang schon fast angeekelt. Dann spuckte er auf den Boden.

Er hatte Recht. Diese Leute verdienten keinen Respekt von uns.

Ein Piepen hallte durch den Raum. Gespannt suchte ich nach dem Auslöser dieses Tons, jedoch konnte ich keinen finden.

Plötzlich sprang eine Tür auf, aus der zwei Personen traten. Eine Frau und eine Gestalt, die von der Figur her ein Kerl sein müsste.

Auch die Frau kam mir bekannt vor. Aber woher?

Sie war gekleidet wie die anderen Schöpfer, nur, das auf ihrem Kittel in fetten Buchstaben A.N.G.S.T. stand.

"Schön, dass so viele von euch überlebt haben ...", fing sie an. Newt's Hand verkrampfte sich in meiner. Dann zog er mich zwischen den Lichtern hindurch und baute sich auf: "Ist das ihr Ernst?! Die Hälfte von uns ist bei der Flucht draufgegangen! Bei ihrer verschissenen letzten Variablen!"

"Ich weiß, Mr. Newton. Alles ist so, wie wir es uns vorgestellt haben.", die Ruhe und Arroganz in ihrer Stimme brachte mich fast zum Kotzen: "Oh, Lillian. Schön dich wieder zu sehen. Wie ich sehe, habt ihr wieder zueinander gefunden."

Häh? Waren Newt und ich vor dem Labyrinth auch schon zusammen gewesen? Ich wusste bis jetzt nur, dass wir uns gekannt hatten.

"Doch in einer Sache hast du Unrecht. Das war nicht die letzte Variable.", sie schien völlig tiefenentspannt, als sie dem Mann neben ihr die Kaputze vom Kopf zog.

Es war Gally. Eindeutig. Aber wie war das möglich?

"Gally?", fragte ich verwirrt.

Er sah auf. In seinen rot angeschwollenen Augen sah ich Tränen: "Lilly." Gott, klang er fertig.

"Es tut mir Leid ... ich w-will das nicht ...", stotterte er herum. Er sah aus, als würde er innerlich mit irgendetwas kämpfen.

Plötzlich war er ganz entspannt. Dann griff er blitzartig in die Tasche von seinem Pullover.

Mit ausdruckslosem Gesicht holte er einen Dolch heraus und warf ihn. Er trudelte auf Thomas zu.

Ich wollte schon losrennen, als Newt mich festhielt. "Thomas!", rief ich verzweifelt. Dann passierte alles so schnell, dass ich es erst garnicht begriff.

Erst als Chuck zusammenbrach und Thomas über ihm kauerte, verstand ich, was los war. Der Kleine hatte sich vor Thomas geworfen und somit das Messer abbekommen.

Ein heiserer Schrei entfloh meiner Kehle. Zitternd und mit Tränen in den Augen hob ich mir meine Hände vor den Mund.
"Nein!", rief Thomas immer wieder: "Chuck!"

Newt hielt mich fest in seinen Armen, was der Einzige Grund war, weshalb ich noch nicht auf dem Boden kniete.

Teresa versuchte Thomas zu beruhigen, doch es funktionierte nicht. Auf einmal war Thomas ganz still. Dann stand er ruckartig auf und stürzte sich auf Gally, der sofort auf den Rücken fiel. Er wehrte sich nichtmal.

Beide schrieen, Thomas vermutlich aus Wut und Gally vor Schmerzen. Minho und Winston zogen Thomas, nachdem sie sich selbst gefangen hatten, von Gally weg, der sich nichtmehr rührte.

Thomas schrie sie an, dass die beiden ihn loslassen sollten, doch das taten sie nicht, bis Thomas sich umdrehte und wieder zu Chuck stürzte.

Mein Bruder murmelte immer etwas davon, dass er Chuck etwas versprochen hatte, doch ich wusste nicht was.

Irgendwann ließ er von dem kleinen Jungen ab und sah zu mir. Ich sah vermutlich nicht viel besser aus als er selbst. Fahle Haut, tiefe Augenringe.

Thomas liefen immernoch vereinzelte Tränen über die Wangen. Dann sah er kurz auf den Boden und wieder hoch zu Teresa. Sie half ihm wieder auf die Beine. Die Hände meines Bruders waren voller Blut. Chucks Blut...

Newt hatte mich die ganze Zeit gestützt und umarmt, obwohl er selbst trauerte, das konnte ich ihm ansehen. Den größten Schock hatte ich überwunden- jetzt spürte ich nurnoch Leere.

Als ich wieder zu der Frau sah, tauchten hinter ihr auf einmal zwei bewaffnete Männer auf.

Worst Case [Newt FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt