Harry:
Heute würde kein sonderlich guter Tag werden. Das hatte Harry im Gefühl. Bereits beim Aufstehen hatte er einen schlechten Start gehabt, weil im Wasserkrug eine tote Maus gelegen hatte. Angewidert hatte er das Wasser im Hinterhof in den Abfluss gekippt.
Dann musste er feststellen, dass sein Hemd an einem Ärmel voller Ruß war, weil er es zu nah am Feuer aufgehängt hatte. Grummeln zog er es trotzdem an und klopfte den Ruß ab, so gut es ging, fühlte sich allerdings ganz und gar nicht wohl, weil er so beschmutzt zur Arbeit ging.
Die Luft war noch klar und frisch von der vergangenen Nacht und Harry nahm tiefe Züge, als er hinaus vor die Tür trat. Unterwegs kaufte er sich einen Snack und machte sich dann auf den Weg zur Wache. Mr Payne hatte für den heutigen Morgen eine Versammlung einberufen, zu der sich alle Kollegen einfinden mussten und irgendwie hatte Harry das Gefühl, dass es eine Standpauke geben würde.
Die Kollegen schienen das auch zu befürchten, denn als Harry sich zwischen sie setzte, tauschten alle unsichere Blicke miteinander. „Wie ist die Stimmung von Mr Payne, haben Sie ihn heute schon gesehen, Gibbs?", fragte Harry den Kollegen, der den Kopf schüttelte. „Nein, leider nicht, aber in seinem Büro riecht es stark nach Tabak, er scheint viel nachgedacht zu haben."
„Nun, dann werden wir die Ergebnisse sicherlich gleich erfahren-" Gibbs unterbrach sich, denn in dem Moment öffnete sich die Tür des Raumes und Mr Payne kam herein. Er ging an ihnen allen vorbei bis ganz nach vorn an die Tafel und drehte sich dann zu ihnen um: „Wir haben keinerlei Ergebnisse", sagte er und sah sie alle an. „Nichts. Auch den Mord an Annie Chapman mussten wir als ungeklärt abhaken. Wir hatten mehrere Verdächtige und alle haben sich als unschuldig erwiesen. Der Täter scheint ein Unsichtbarer zu sein, oder ein Geist." Mr Payne hielt inne, die Hände auf dem Rücken, ging bis zum Ende des Raumes und drehte sich um, um in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. „Die Presse macht sich über uns lustig, weil wir keinen Täter präsentieren können. Wir scheinen einem Phantom hinterher zu jagen. Es ist unfassbar. Niemand hat etwas gesehen oder gehört, oder aber wir haben einen Hinweis übersehen. Ich will, dass Sie alle Aussagen noch einmal überprüfen. Befragen Sie die Nachbarn erneut, sehen Sie sich die Tatorte an und versuchen Sie herauszufinden, aus welchen Fenstern man die Tatorte sehen konnte. Ich will, das Sie allen Spuren nochmals nachgehen. Wir müssen etwas übersehen haben, anders kann es einfach nicht sein." Mr Payne sah seine Mitarbeiter an und grimmige Entschlossenheit lag in seinem Blick. „Mr Styles, Sie kommen mit mir nochmal in eines der Schlachthäuser. Wir kaufen jetzt ein totes Schwein."
„Ein totes Schwein? Was wollen Sie damit, Sir?", fragte Harry und folgte seinem Vorgesetzten nach draußen. „Wir lassen es ins Leichenhaus liefern und testen zusammen mit Dr Llewellyn die verschiedenen Messer aus. Vielleicht kann man so die Tatwaffe ein wenig eingrenzen", sagte Mr Payne und hielt die Tür für Harry auf.
„Haben Sie zu viel Sherlock Holmes gelesen, Sir? Entschuldigen Sie, dass ich mir anmaße, das zu sagen, aber ich denke nicht, dass uns so etwas weiter bringen könnte", warf Harry ein und dachte an die Detektivgeschichte, die im letzten Jahr in der Zeitung erschienen war und in London großen Erfolg gefeiert hatte. Wenn es nach Harry ging, dann hatte dieser Detektiv aus dieser kurzen Geschichte eine sehr seltsame Art und Weise, an Verbrechen heran zu gehen. So zu arbeiten war nicht möglich. Zumindest nicht im echten Leben. Sie sollten weiterhin die Leute befragen und keine seltsamen Experimente an einem toten Schwein durchführen.
Doch Mr Payne war sein Vorgesetzter und wenn er der Meinung war, man sollte jetzt ein Schwein kaufen, dann würde er mitkommen.
Eine Stunde später standen die beiden Polizisten vor einem irritiert blickenden Metzger in der Schlachterei in Spitalfields. „Sie wollen ein halbes Schwein kaufen? Was haben Sie damit vor?", fragte er zum wiederholten Male und kratzte sich am Kopf. Polizisten kauften nie direkt bei der Schlachterei, das war sehr ungewöhnlich. „Wir benötigen es für ermittlerische Zwecke", sagte Mr Payne streng. Offenbar wagte es der Mann nun nicht mehr, weitere Fragen zu stellen. Er gab ihnen verstehen, zu warten und verschwand kurz im Hauptschlachtraum.
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Murder in the streets
FanfictionEin Sergeant, wird nach Whitechapel versetzt um die Polizei dort zu unterstützen, die im Fall der ermordeten Martha Tabram ermittelt. Ein junger Mann kämpft sich durch den Alltag im East End und will eigentlich nur eines: zurück nach Hause. Doch da...