22.Septeber 1888 - Nacht

1.9K 421 85
                                    

Kurze Info:
Ich werde die Tage nur alle zwei Tage updaten, mein Vorrat geht zur neige und ich habe gerade keine Zeit um zu schreiben (Besuch/Drehvorbereitungen etc) und ihr wollt ja sicherlich keine lange Durststrecke haben ;-)
LG

.-.-.-.

Louis:

>>Noch kein Tatverdächtiger! In Whitechapel geht die Angst um!<<

Die Presse titelte noch immer auf dramatische Art und Weise, dabei war nun schon seit einigen Tagen nichts mehr passiert. Wenn Louis ehrlich war, dann hoffte er insgeheim darauf, dass es sich bei den Morden nicht um eine Serie handelte. Wenn man es allerdings aus der geschäftlichen Perspektive betrachtete, war es für Louis von Vorteil. Frauen hatten Angst, in der Nacht auf die Straße zu gehen, weil sie Gefahr liefen ermordet zu werden. Dadurch waren weniger Prostituierte unterwegs und Louis konnte sich einige Kunden abfangen. Vielen Männern war es im Grunde vollkommen egal, ob sie von einer Frau, oder einem jungen Mann angefasst wurden. Hauptsache, sie bekamen ihre Befriedigung.

Am heutigen Abend hatte Louis bereits zwei Kunden gehabt und stand nun an der Ecke der Fournier Street, wo er auf neue Kunden wartete. Ab und zu bogen die Männer aus dem Pub hier in die Straße ein und würden ihm dann über den Weg laufen. Ihren betrunkenen Zustand konnte Louis ausnutzen, in dem er sie gezielt ansprach und ihnen versuchte klar zu machen, dass sie sich im Augenblick nichts mehr wünschten, als ein wenig Liebe.

Sein Kiefer tat noch etwas weh, denn der letzte Kunde war nicht zimperlich gewesen, doch jammern wollte Louis auf keinen Fall. Noch zwei Männer mehr und er hätte heute einen ganzen Shilling verdient.

Sein Bett hatte er schon im Voraus bezahlt und konnte so sicher sein, heute Nacht in einem Gebäude schlafen zu können. Er hatte also keinen wirklichen Arbeitsschluss und keine Eile.

Langsam wurde es abends schneller kühl und Louis zog sich das dünne Halstuch fester um den Hals. Fröstelnd schlang er die Arme um die Brust und sah die Straße hinunter, die heute Nacht in silbernes Mondlicht getaucht war. Das war gut, denn hier war die Straßenbeleuchtung seit Wochen nicht mehr entzündet worden und häufig sah man die Hand vor Augen kaum.

Die Tür des Pubs ging auf und das Läuten der Glocke, mit der die letzte Runde angekündigt wurde, schallte auf die Gasse hinaus. Ein Mann verließ den Schankraum und Louis erkannte bereits an den Umrissen, dass es sich dabei um Lederschürze handelte. Der Mann kam in seine Richtung und Louis versuchte, sich rasch unsichtbar zu machen. Er wollte heute nicht mit dem Mann zusammentreffen. Nicht jetzt, wo er so viel Geld in der Tasche hatte. Leise aber zügig huschte Louis vor Lederschürze her und suchte einen Hauseingang, dessen Tür offen war. Wenn er kurz in Deckung gehen könnte, bis der Mann vorbei gegangen war, wäre alles in Ordnung. Die erste Tür war zu und die zweite quietschte so laut, dass ihm der Schreck in die Glieder fuhr. Hoffentlich hatte Lederschürze nichts gehört.

Sein Atem bildete kleine Wölkchen in der Nachtluft und er drückte die Tür ein wenig weiter auf. Die Schritte kamen näher und sie waren schwer - mit Sicherheit war der Mann betrunken. Louis zog den Bauch ein, hielt die Luft an und quetschte sich durch die Tür in den dunklen Hausflur. Gerade wollte er den Arm einziehen, als ihn jemand packte und er aufschrie.

Lederschürze hatte ihn doch gesehen und hielt ihn nun fest, sodass er nicht weiter ins Haus hinein gelangen konnte. „Na Bursche, dich hab ich ja auch schon lange nicht mehr gesehen", knurrte der alte Gauner und hauchte Louis seinen Gin-Atem ins Gesicht. „Sicher hast du wieder ein bisschen Geld für mich." Er hustete rasselnd und sein Griff festigte sich. „Ich habe nichts", log Louis schnell und zog zum Beweis seine Hosentaschen auf Links. „Lüg mich nicht an, ich weiß, dass du dein Geld nicht in den Hosentaschen aufgewahrst, sondern in einem Lederbeutel innen am Gürtel. Das hab ich schon oft gesehen. Lederschürze trat die Tür auf, die krachend an die Wand knallte und packte mit der freien Hand Louis Kehle. Das Türscharnier drückte ihm in den Nacken, als Louis fest gegen die Wand gepresst wurde und die Hand um seine Kehle schloss sich. Er würgte und keuchte, schnappte nach Luft und trat um sich, doch er konnte sich nicht befreien. Lederschürze machte sich mit der anderen Hand an seinem Gürtel zu schaffen, öffnete ihn und zerrte das Leder grob aus den Hosenlaschen. Der kleine Beutel löste sich und glitt an seinem Bein nach unten. Ein lautes Klimpern verriet, dass genug Geld vorhanden war. „Na also, da hab ich doch einen guten Fang gemacht", schnurrte der Mann.

Langsam dämmerte Louis weg und hörte auf, sich zu wehren. Ihm ging die Kraft aus und als sich die Hand um seine Kehle löste, sank er kraftlos an der Wand hinab. Lederschürze bückte sich hinunter und hob das kleine Säckchen vom Boden auf. „Vielen Dank, Junge", grinste er und löste das schmale Lederband, das das Säckchen zusammen hielt. „Was ist hier los? Was tun Sie da?" Eine laute Stimme ertönte von der Straße und ein Mann stürzte in den Hausflur. Louis sah nicht viel, ihm drehte sich noch immer alles, außerdem blendete ihn das Licht der Lampe, die der Mann in der Hand hielt. „Nichts, ich habe ihn hier gefunden...ist wohl betrunken",versuchte sich Lederschürze herauszureden und versteckte das Geld rasch hinter seinem Rücken. „Ich denke eher, Sie wollten ihn ausrauben. Geben Sie mir das Geld und ich lasse Sie heute Nacht nochmal laufen", sagte der Mann und leuchtete nun dem Gauner direkt ins Gesicht. „Du kannst mir gar nichts", höhnte Lederschürze und zog das Band des Lederbeutels auf. Eher er sich versah, hatte der Mann ihn niedergestreckt und drückte ihn auf den Boden. Er schien Polizist zu sein, denn er legte dem Gauner Handschellen an und holte per Trillerpfeife Hilfe. Louis lag noch immer an der Wand im Flur und keuchte. Vorsichtig rappelte er sich auf und kroch auf seinen Lederbeutel zu, den der Gauner fallengelassen hatte. Hastig sammelte er die Münzen ein und schob sie zurück in den Beutel, als Sergeant Styles in den Hausflur gerannt kam. „Was ist passiert, Gibbs?", fragte er atemlos und der Polizist erläuterte die Sachlage. „Ich bringe den Kerl aufs Revier. Sehen Sie nach ihm? Ich glaube, er wurde gewürgt." Der Polizit nickte zu Louis hin, packte den Gauner am Kragen und bugsierte ihn recht grob wieder hinaus auf die Straße.

„Louis, hat er dir was getan?", fragte Harry besorgt, stellte die Lampe ab und kniete sich neben Louis auf den Boden. „Er hat mich gewürgt", antwortete Louis mit kratziger Stimme und sah sich nochmals um, ob er auch ja alle Münzen eingesammelt hatte, dann zählte er das Geld nach. Mr Styles sah ihm dabei zu und fragte vorsichtig: „Hast du das alles heute verdient?"

„Ja", gab Louis fast ein wenig trotzig zurück und lies die letzten Münzen in den Beutel fallen. „Dann warst du heute gut gefragt", stellte Mr Styles fest, der die Anzahl der Freier anhand des Betrages grob geschätzt hatte. „Geht es dir gut, Louis?", fragte er noch vorsichtiger. „Ja, hab ich doch gesagt", giftete Louis zurück. Was sollte diese Fragerei? „Du bist ziemlich blass." Mr Styles hob die Lampe hoch und besah sich Louis genauer. Das Anstarren war ihm mehr als unangenehm und Louis senkte den Blick. „Der Mann hätte dich für das Geld getötet. Wieso hast du es ihm nicht gegeben?"

Jetzt reichte es Louis. Nicht nur, dass er gerade den Schreck seines Lebens bekommen hatte und fast erwürgt worden war, nein, jetzt kam Mr Styles auch noch dazu und meinte, sich einmischen zu müssen. Dabei hatte er doch keine Ahnung, wie hart Louis Leben in Wirklichkeit war. „Wieso?", wiederholte Louis und schüttelte ungläubig den Kopf: „weil ich nach Hause will und das geht ohne Geld nicht. Ich kann ja wohl schlecht bis nach Doncaster laufen." Tränen der Wut schossen ihm in die Augen und er blinzelte sie rasch weg.

Sergeant Styles hatte absolut keine Ahnung.

Das schien ihm jetzt auch aufgefallen zu sein, denn sein Blick wurde nachdenklich und er fragte vorsichtig: „Was kostet eine Fahrt?" Wieso klang er so sanft, obwohl Louis ihn eben noch so heftig angegangen war?

„Zu viel für mich. Ich lege alles beiseite, was geht, aber ich muss leider immer wieder an die Ersparnisse dran. Es wird nie reichen."

„Lass mich dir das Geld geben", schlug der Polizist vor, doch Louis schüttelte sofort den Kopf. Auf keinen Fall wollte er Schulden bei einem Polizisten haben.

Niemals!

.-.-.-.

Oh da ist Louis ja ziemlich patzig geworden.

Murder in the streetsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt