8.November 1888 - Nachts

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Louis:

Dass Harry ihn angelächelt hatte, beflügelte Louis auf ungewohnte Weise.

Seine Schicht schien nur so dahin zu fliegen und ehe er sich versah, stand er im Hinterhof und wartete auf den Polizisten.

Es war ein anderes Warten, als bisher. Er war nervös und freute sich darauf, dass Harry ihn abholen kam. Die Aussicht, den Polizisten gleich wieder zu sehen, machte ihm Mut und der Hinterhof schien mit einem Mal gar nicht mehr so unheimlich zu sein. Obwohl es kalt war, fröstelte Louis nur leicht und lehnte sich in freudiger Erwartung an den Zaun, wo er mit einem Ohr auf Schritte lauschte.

Als diese zu hören waren, konnte er nicht anders, als zu lächeln. Er lugte vorsichtig über das Tor und sah die Laterne in der Ferne, weshalb er das Tor leise öffnete und hinaus auf die dunkle Straße trat. Mit den Händen in den Taschen stand er da und sah Harry an, der sich näherte. „Louis? Wieso stehst du schon hier draußen?", fragte er, ohne ihn zu begrüßen. „Ich wollte nicht, dass du lange warten musst", sagte Louis und lächelte. Harry erwiderte das Lächeln und sie gingen weiter nebeneinander her die Straße entlang.

„Und, hast du die Dame im Pub noch rumgekriegt?", fragte Louis, halb im Scherz und sah Harry von der Seite her an. Der Polizist zog die Augenbrauen zusammen und sagte: „Louis, das war doch nur eine Tarnung. Ich wollte den Mann finden, der dich beobachtet. Aber der scheint heute nicht da gewesen zu sein."

„Ja da hast du recht. Heute kam ich mir nicht beobachtet vor. Aber ich war froh, dass du da warst. Es hat sich gut angefühlt, deine Nähe zu spüren", sagte Louis leise und wurde etwas verlegen. Er hatte es gar nicht so direkt sagen wollen, doch da war es schon rausgerutscht. Harry musterte ihn von der Seite her und wirkte fast schon ein wenig geschmeichelt. Zumindest hatte sich sein Mundwinkel leicht nach oben verzogen und er lächelte. „Das ist schön zu hören, Louis", sagte er leise und sah dann wieder gerade aus, wo der Lichtschein der Laterne gerade eine schmale Gasse beleuchtete.

Louis sagte nichts mehr. Er war sich unsicher, ob er mit seiner Aussage nicht etwas zu weit gegangen war und hielt es für sinnvoller, lieber den Mund zu halten.

Also gingen sie schweigend nebeneinander her, doch Louis sah trotzdem immer wieder zu Harry hinüber. Er würde es nie zugeben, doch weil Harry heute einige Stunden im Pub gesessen hatte, war es sich sicher gewesen, dass ihm heute nichts geschehen konnte. Dass Harry diese Prostituierte eingeladen hatte, war zwar ein nettes Ablenkungsmanöver gewesen, doch Louis musste sich eingestehen, dass es ihm nicht gefallen hatte, die Frau bei ihm am Tisch sitzen zu sehen. „Willst du eigentlich mal heiraten?", fragte er unvermittelt und Harry hob den Kopf. Mit dieser Frage schien er überhaupt nicht gerechnet zu haben und in seinem Blick lag vollkommene Verwirrtheit. „Wieso stellst du mir eine solche Frage?", stammelte er und kratzte sich nervös im Nacken. „Ich weiß nicht, es kam mir so in den Sinn. Vielleicht, weil du heute diese Dame auf einen Drink eingeladen hast. Da dachte ich, dass du dich bestimmt einmal binden willst...entschuldige, ich hätte nicht fragen dürfen, das geht vielleicht doch ein wenig zu weit."

„Ja, allerdings", sagte Harry leise, klang dabei jedoch ziemlich unsicher, fast so, als würde er selbst nicht so recht wissen, was er denn auf diese Frage antworten würde. Stattdessen sagte Harry: „Was ist mit dir? Willst du mal eine Frau haben?"

„Was soll ich mit einer Frau?", gab Louis zurück und lächelte: „Ich kann keiner Frau etwas bieten. Wer würde mich schon nehmen? Eine Frau brauch Sicherheit und die gibt es bei mir nicht."

Betreten sah Louis zu Boden und kniff die Lippen zusammen. Da war wieder das Wissen, dass er es niemals zu etwas bringen würde.

Nicht einmal eine Familie war ihm vergönnt.

Murder in the streetsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt