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Flashback, Taehyung

"Mist", zischte ich in dem kleinen Dorfladen, als ich die letzten Münzen zweimal in meiner Hand umdrehte und ich feststellen musste, dass ich mir langsam nichts mehr leisten konnte.

Stehlen wollte ich nicht, also gab ich mich mit einer kleinen Tüte Äpfel zufrieden.

Die Arbeit heute war anstrengend.

Ich musste zehn Zimmer von einem Hotel säubern und wollte nur noch mehr in mein Bett.

Ich war fünfzehn mittlerweile und kam hinten und vorne kaum mehr mit meinem Leben zurecht.

Ich musste die Schule neben diesen tausend Jobs managen, da ich einen Hungerslohn verdiente und mir davon nicht mal eine Dose Ravioli kaufen konnte.

Zuhause angekommen stürmte mir Junho wie immer in die Arme und lächelnd hob in hoch.

"Endlich bist du da, Taetae!", rief er und klammerte sich wie ein Äffchen um meinen Hals.

Ich fühlte mich so schlecht, ihn in so einem jungen Alter mutterseelenallein in dieser Wohnung zulassen aber ich hatte keine Wahl.
Die Nachbarn passten nur sehr selten auf ihn auf.

Zum Glück war er im Vormittag, wenn ich Schule hatte, immer im Kindergarten und im Nachmittag musste er leider alleine bleiben.

Aber dieses Kind war so verdammt anständig, dass er nie dumme Sachen tat.
Er schien schon viel viel älter, doch wenn er mich wieder in den Armen halten durfte, war er doch wieder ein aufgedrehtes vierjähriges Kind.

"Ich hab sooooo Hunger!", meinte er, als ich ihn auf meinem Arm zur Küche trug und wie schon langsam jeden Tag, wurde ich stutzig bei diesem Satz.

Ich konnte ihm nie viel zu Essen bieten.

Ich selbst hungerte immer und überließ alles was wir hatten ihm, doch das wollte er nicht und verlangte von mir ebenfalls zu essen.

Diese Situation wurde immer kritischer, genau so wie diese, wenn ich mich auf die Waage stellte.

Meinen enormen Gewichtsverlust überspielte ich einfach und suchte stattdessen weiter nach irgendwelchen besser bezahlten Jobs.

Prostitution war für mich damals ein Wort, was garnichts so kannte und verstand.
Doch als ich eines Abends vom Arbeiten zurück am Ost-Bahnhof entlang gehen musste, wurde ich von einem Mann in einem dunklen Eck angequatscht.

Er fragte, wie viel ich kostete und vollkommen angeekelt wollte ich ihn einfach abwimmeln.

Ich interessierte mich zwar für das gleiche Geschlecht aber ich hatte keinerlei Erfahrungen.
Durch all diese Schicksalsschläge hatte ich noch nie Zeit für meine erste Liebe, meinen ersten Kuss, geschweige denn für mein erstes Mal.

Aber dies alles ließ nicht mehr lange auf sich warten.

Der Mann vom Ost-Bahnhof rannte mir nach, schrie mir eine Summe hinterher und diese Summe war für mich verdammt hoch.

Ich konnnte nicht ablehnen, denn mit diesem Geld konnte ich lockerer wieder genügend Essen für eine Woche kaufen.

Nach langem Zögern also ging ich mit dem Mann mit und diese Nacht wurde mit Abstand einer der längsten, die ich je erlebt hatte.

Ich wusste, wie man das nannte, was ich in diesem Moment in Kauf nahm und ich sagte mir, es wäre nur eine einmalige Sache.

Doch das war es nicht.

Dieser Mann war mein erster und definitiv nicht letzter Freier.
Der erste, an dem ich meinen Körper verkaufte und ebenfalls meine Jungfräulichkeit.

So kam ich dann irgendwann zum Viertel und zu dem Bordell, in dem ich ab sechzehn anfing zu arbeiten.

dunkelbunt  ᵏᵒᵒᵏᵗᵃᵉWo Geschichten leben. Entdecke jetzt