- Elenas POV -
„Miss Walsh!", brüllte mir mein Vorgesetzter Jeff zum wiederholten Male entgegen und tippte ungeduldig auf seine breite, silberne Rolex. „Das ist heute nicht der einzige Termin, wenn Sie sich also vielleicht mal ein wenig beeilen könnten!"
Das schnelle Gehen, um nicht zu sagen Rennen, gepaart mit der Pflicht auch optisch einiges herzumachen, war bloß eine der Herausforderungen, vor die mich dieses Praktikum bei Modest Management stellte. Hohe Schuhe und Zeitdruck waren noch nie Dinge, die gut zusammenpassten und doch hatte ich mich nach diesen bisher zweieinhalb Monaten bestmöglich angepasst.
Es grenzte an ein Wunder, dass ich überhaupt hier sein durfte und mir all diese Möglichkeiten offen standen - natürlich versuchte ich zu jeder Zeit mein Bestes zu geben.
In den letzten Wochen durfte ich Paul Potts kennenlernen und sogar bei einem, wenn auch recht unbedeutenden, Interview von Little Mix dabei sein.
Ich begegnete Menschen, die ich ansonsten bloß aus Zeitung und Fernsehen kannte, doch nun ein Teil der Medien zu sein, war vollkommen neues Terrain.
Bisher hatte ich mein Leben und Studium darauf ausgerichtet, Journalistin zu werden, aber nach den ersten Erfahrungen dort und - zugegeben - einer ordentlichen Portion Vitamin B, war ich nun doch im PR-Bereich gelandet. Nachdem mein Onkel ein einigermaßen hohes Tier bei Modest war, war es bloß noch Konsequenz, diesen Weg einzuschlagen.
Er hatte mir einige Türen geöffnet, doch durchgehen musste ich immer noch selbst - und damit schließt sich der Kreis auch wieder und hier hetzte ich mit meinen hohen, unpraktischen Absätzen durch sämtliche Glastüren hinter Jeff her.
„Sie können von Glück sagen", redete er vor sich hin, doch seine Worte kamen bloß undeutlich bei mir an. „Andere arbeiten sich jahrelang nach oben, um eine solche Gelegenheit zu bekommen und mit derart großen Klienten zusammenzuarbeiten. Am besten saugen Sie alles auf, was Sie dort mitbekommen können und halten sich im Hintergrund."
Verstehend nickte ich und näherte mich mit Jeff langsam dem Ausgang des Modest Hauptquartiers, wo bereits der Wagen bereitstand.
Die großen Klienten, von denen er sprach, war die inzwischen erfolgreichste Boyband der Welt - One Direction. London stand jedes Mal wieder Kopf, sobald sie in der Heimat waren und damit lief auch ihr Management auf Hochtouren.
One Direction waren Modests Aushängeschild, das beste Pferd im Stall und entsprechend vorrangig waren auch Termine, die mit diesen vier jungen Männern zusammenhingen. Dass ich als Praktikantin einem dieser Interviews beiwohnen durfte, hatte ich vermutlich meinem Onkel zuzuschreiben.
Mir war bewusst, welche Ehre mir zuteil wurde.
Ich kannte One Direction - zumindest aus dem Fernsehen. Immerhin kam man kaum an ihnen vorbei, doch was die Musik betraf, hielt ich mich fern von Boybands.
Und auch das Bild, welches sich mir an diesem Tag vor dem Nobelhotel, in dem das Interview mit einem englischen TV-Sender verabredet war, bot, war mehr als abschreckend.
Kreischende Teenager, die die Jungs heute vermutlich weder gesehen hatten, noch an diesem Tag zu Gesicht bekommen würden. Modest verstand sich darauf, Fans bei der Stange zu halten und ihnen ihre Idole trotzdem vorzuenthalten.
Unsicher warf ich einen Blick durch die getönten Scheiben des dunklen Wagens. Es war ein befremdliches Gefühl zu wissen, dass sich all diese Menschen vermutlich ein Bein ausreißen würden, um Kerle zu sehen, die kein Stück besser waren als du und ich.
Und noch seltsamer war das Gefühl, dass ich ebendiesen Kerle in Kürze begegnen würde und soeben in dieses Hotel chauffiert wurde.
Selbst wir als Management wurden hierher gekarrt, wie die Stars höchstpersönlich. Ich wollte mir kaum vorstellen, wie One Direction in dieses Hotel geschafft werden würde - in vermutlich gefühlt fünf Stunden.Immerhin waren vorerst, wie bei jedem Interview üblich, bloß Jeff mit seinem Team, inklusive mir, vor Ort.
Überfordert, unsicher und neugierig zugleich tat ich das, was ich in den letzten Wochen gelernt hatte: Ich hielt mich im Hintergrund, stand nicht im Weg, hörte zu und tat das, was mir aufgetragen wurde, sobald mein Name fiel.
Dass Termine wie diese eines Tages zur Arbeitsroutine gehören würden, konnte ich mir kaum vorstellen. Es wurden erlaubte Fragen abgeklärt, eindringlich gefordert, welche Themen nicht angesprochen werden dürften und ein maximales Limit an Interviewzeit gesetzt.
Im Grunde hätte dieses Interview auch ohne die Künstler selbst stattfinden können, so eingeschränkt war das Fernsehteam und so fädenziehend präsentierte sich mein Arbeitgeber.
Es hätte mich noch nicht einmal gewundert, wenn Jeff dem Reporter noch die Antworten, die One Direction in Kürze geben würde, schriftlich in die Hand gedrückt hätte.
Wie Ameisen hetzten sie durcheinander, taten gezielte Handgriffe und setzten stets freundliche Gesichter auf, während die Stimmen der Modest-Mitarbeiter immer wieder ihre Erhabenheit klarmachten.
Und ich - ich stand unbeteiligt daneben und fühlte mich unnütz wie eh und je, obwohl ich das rege Treiben mit vollem Interesse verfolgte.
Diese Branche war einfach unfassbar vielseitig, unvorhersehbar und auch anstrengend, doch als Praktikant fühlte ich mich schlichtweg fehl am Platz. Ich wurde weder beachtet, noch wurde ich gebraucht, doch immerhin ging es um neue Erfahrungen und ich tat das, was Jeff mir geraten hatte: Ich saugte auf.
Während Jeff und seine Kollegen nahezu minütlich eines ihrer Handys zückten und hektisch durch die großräumige Suite, die einzig für dieses Interview gebucht wurde, liefen, stand ich wie angewurzelt in der Ecke und versuchte das dumpfe Gekreische vor dem Hotel zu ignorieren.
Isoliert versuchte ich zumindest meine innere Ruhe beizubehalten, während um mich herum diese Hektik allgegenwärtig war. Vielleicht war dieser Termin doch eine Nummer zu groß für mich, doch am Ende des Tages würde ich froh sein, ein solches Spektakel miterleben zu dürfen.
Gerade hatte ich das Gefühl, endlich meine innere Ruhe gefunden zu haben und mich selbst ins Gleichgewicht gebracht zu haben, als ich bemerkte, dass tatsächlich schlagartig Ruhe eingekehrt war und mich Jeff am Handgelenk gepackt hatte, um mich einige Schritte nach hinten zu ziehen.
Die Türe der Suite hatte sich geöffnet und nacheinander betraten, begleitet von zwei Modest-Mitarbeitern, die vier Hauptakteuere den Raum.
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Open up to me || h.s. ✓
Fanfiction»Es ist ein schreckliches Gefühl, sich nicht mehr selbst zu gehören. Nicht auf eine gute Art und Weise, man legt sein Leben nicht bewusst in die Hände eines vertrauten Menschen und weiß, man wird geliebt. Nein, stattdessen ist man fremdbestimmt von...