11. Der Morgen danach

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- Elenas POV -

Nur langsam kam am frühen Morgen wieder Bewusstsein in meinen schlafenden Körper, doch sofort spürte ich dieses dumpfe, flaue Gefühl im Magen.
Alkohol, war mein erster Gedanke.
Ich wusste ganz genau, wie wenig mein Körper damit umgehen konnte und doch war ich letzte Nacht schwach geworden.

Leidend drückte ich mein Gesicht in die Matratze - in eine sehr weiche Matratze. In eine zu weiche Matratze.

Vorsichtig öffnete ich meine Augen und machte mich auf grelles Tageslicht gefasst, aber das Licht fiel bloß schwach durch die seidenen Vorhänge.
Kaum hatten sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt, erblickte ich bereits meine Klamotten auf dem Fußboden - und das war nicht der Fußboden meines Hotelzimmers.

Und mit einem Mal brachen alle Erinnerungen des letzten Abends über mich herein.
Harrys Worte, seine Offenbarungen, die Ehrlichkeit in seinen Augen und letztendlich auch seine Berührungen, die auf meiner Haut mehr gebrannt hatten als der Gin in meinem Hals.
Es war, als würde ich ihn immer noch auf meiner Haut spüren können.

Ein leichtes Lächeln stahl sich in mein Gesicht, als ich an die vergangene Nacht dachte.
Harry hatte gewusst, was er wollte und war dennoch so zärtlich gewesen. Er hatte es geschafft, mir das Gefühl zu geben, ich wäre ihm, zumindest in dieser Nacht, das Wichtigste und Wertvollste gewesen.

Doch so schnell dieses Lächeln sich in mein Gesicht geschlichen hatte, ebenso schnell war es auch sofort wieder eingefroren.
Das konnte doch nicht wirklich passiert sein, ich konnte doch nicht tatsächlich dermaßen wenig Selbstkontrolle besitzen!

Ich konnte nicht allen Ernstes mit Harry geschlafen haben. Mit dem Klienten, mit dem ich noch so lange zusammenarbeiten musste und bis gestern noch befürchtet hatte, er würde genau das von mir erwarten.
Erschrocken hielt ich den Atem an. Vielleicht hatte er es tatsächlich darauf angelegt und all das war eine wirklich kranke, aber gut durchdachte Masche, die ihn nun ans Ziel gebracht hatte.

Seufzend legte ich die Hände über mein Gesicht und brauchte ein Weilchen, als auch einen kurzen Blick unter die Bettdecke, um die Lage zu realisieren.
Es war aussichtslos, alles auf den Alkohol zu schieben. Ich hatte weder einen Blackout, noch hatte ich gestern vollkommen neben mir gestanden.
Ich hatte schlichtweg die Kontrolle abgegeben und diese verfluchte Anziehungskraft, die Harry auf mich hatte, hatte die Oberhand gewonnen.

Mir dröhnt der Schädel und ich könnte hier und jetzt im Boden versinken. Da geht er also hin, mein Stolz. Vermutlich muss ich auch noch kündigen. Ich kann mich doch niemals wieder vor Harry blicken lassen.
Mit diesen Gedanken im Kopf hätte ich die Augen am liebsten erst gar nicht mehr wieder geöffnet und zog die Bettdecke instinktiv noch ein Stück weiter über meinen nackten Körper.

Erst jetzt nahm ich neben dem Stechen in meinem Kopf auch den leisen, gleichmäßigen Atem neben mir wahr.
Vorsichtig drehte ich meinen Kopf nach rechts und tatsächlich bot sich mir dort der erwartete Anblick.

Mit leicht geöffneten Aufen lag dort Harry, die lockigen Haare verschlafen im Gesicht und war durch meine Bewegung scheinbar ebenfalls auf mich aufmerksam geworden.

„Guten Morgen", grummelte er leise und drehte sich gähnend auf den Bauch, bevor er seinen Kopf müde auf dem weißen Kissen ablegte. Ganz im Gegensatz zu mir schien Harry keine Probleme damit zu haben, mir in die Augen zu sehen.

Aufmerksam musterte er mich, während ich stumm da lag, mein Körper wie erstarrt, und wich ertappt seinem intensivem Blick aus. Diese Situation war dermaßen irreal und unangenehm, dass ich bloß beten konnte, sie würde möglichst schnell vorübergehen.

Open up to me || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt