02. Hi, Harry

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- Elenas POV -

Sofort wurde hektisch eine der großen Kameras auf die vier jungen Männer gerichtet, weshalb mich Jeff auch zischend neben sich gezogen hatte.

Mein Platz war zu jeder Zeit hinter der Kamera, immer mindestens einen Schritt schräg hinter dem Kameramann. Das war Jeffs erste Lektion, die er mir beigebracht hatte und doch hätte ich soeben um ein Haar die ersten Bilder des TV-Senders versaut, indem ich verdächtig im Sichtfeld stand.

Allerdings waren meine Augen gerade, ebenso wie die aller anderen Beteiligten, zu den  Neuankömmlingen geschnellt. Im Gegensatz zum Rest der  Modest-Belegschaft, war mein Blick allerdings starr dort verharrt.

Die vier gut gelaunten jungen Männer, die ich bis dato bloß hin und wieder über den Bildschirm flackern sehen hatte, hatten soeben den Raum betreten und standen nun leibhaftig hier.

Fragend sahen sie sich einen Augenblick um, bevor sie nacheinander höflich der Interviewerin die Hand reichten.

„Hi, Harry", stellte sich der Erste vor und nahm mit der anderen Hand beiläufig den beigen Hut ab, bevor er sich ihr gegenüber auf dem schwarzen Ledersofa niederließ.

Harry Styles - auch dieser Name war mir ein Begriff und mir war auch bewusst, dass diese  Band aus vier Teenieschwärmen bestand. Dass dieser Harry jedoch ein gestandener, bemerkenswert gutaussehender junger Mann war, hatte ich trotzdem nicht erwartet - zumindest nicht in diesem Ausmaß.

Scharfe Gesichtszüge, ein freundliches Lächeln, ungezähmte braune Locken und strahlende grün-graue Augen, die mich länger fesselten, als sie sollten.

Interessiert verschränkte Jeff neben mir die Arme vor der Brust und beobachtete mit  Argusaugen das Geschehen vor der Kamera, als Harry auf dem Sofa aufrückte, um seinen Bandkollegen Platz zu machen.

„Niall", nickte der  Quoten-Blonde der Boyband bereits höflich und schüttelte der Dame mit  dem Mikro die Hand, bevor er sich neben dem braunhaarigen Lockenkopf  fallen ließ.

„Liam, freut mich", stellte sich der Nächste mit kahl geschorenem Kopf, Cap und breitem  Lächeln vor, als er damit auch schon dem Letzten im Bunde den äußersten Platz auf dem Sofa überließ.

„Louis", stellte sich dieser knapp vor und ließ sich schließlich rücklings neben Liam fallen.

Harry, Niall, Liam und  Louis - diese vier Kerle waren also der Grund, weshalb bei Modest  regelmäßig Köpfe rollten und hin und wieder das pure Chaos ausbrach,  ebenso wie der Anlass für diesen ohrenbetäubenden Lärm dort vor dem  Hotel.

Vier junge Männer, kaum älter als ich, bloß mit dem Unterschied, dass sie singen konnten und vor  einigen Jahren wohl zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.

Zumindest schien es für  mich, als wären sie mit X-Factor damals am richtigen Ort gewesen.  Immerhin ahnte ich nicht, dass der ein oder andere dieser Band gehörige  Zweifel daran hatte, ob diese Castingshow tatsächlich ein Segen war.


Sie sprachen über exakt die Dinge, die Jeff und Konsorten zuvor mit den Mitarbeitern des TV-Senders besprochen und genehmigt hatten: Das anstehende Album, die geplante Tour, die enge Freundschaft unter den einzelnen Bandmitgliedern und witzige Situationen in ihren 5 Jahren Bandgeschichte.

Die ganze Zeit über stand ihnen ein Lächeln im Gesicht - dem einen mehr, dem anderen weniger - gaben sich vermeintlich offen, gut gelaunt und ich musste gestehen, dass sie tatsächlich einen symathischen Eindruck machten.
Ob das nun an ihrer jahrelangen Erfahrung im Business lag oder tatsächlich ihre Persönlichkeit dahintersteckte, konnte ich nicht beurteilen.

Besonders Harrys zuvorkommende, charmante Art war selbst vor der Kamera so einnehmend, dass ich kaum mehr den Antworten auf die Fragen folgte, sondern bloß noch in sein makelloses Gesicht starrte.

Eifrig tippte Jeff auf seine Armbanduhr und zeigte der Interviewerin damit an, dass das Zeitlimit wohl erreicht war.
„Alles klar, Jungs", lenkte diese auch sofort verstehend ein. „Dann bedanke ich mich für eure Zeit, es hat riesen Spaß gemacht."

Mit eingraviertem Lächeln nickten die Vier höflich, bevor sich die Interviewerin abschließend erhob und zu ihrem Kameramann eilte.
Sofort wich jegliche Spannung aus Louis' Körper und er ließ sich müde in das Sofa sinken, während Niall und Liam beinahe synchron von der Couch in Richtung Catering-Buffet sprangen.

Und auch Harry fuhr sich seufzend durch das braune, lockige Haare, als er mich auffordernd zu sich winkte.
Moment - was? Erschrocken zuckte ich zusammen und wandte mich suchend um, doch niemand stand hinter miroder überhaupt in meiner Nähe.

Hier war bloß ich, die mit großen Augen Harry Styles anstarrte, während mich dieser fragend erwartete.
Das war's dann wohl mit meinem Plan, im Hintergrund zu bleiben.

Unsicher ging ich einige Schritte auf ihn zu. Vielleicht hatte ich mich ja doch geirrt und fühlte mich fälschlicherweise angesprochen, doch je näher ich ihm kam, desto breiter wurde sein schiefes Grinsen.

„Hast du etwa schon Feierabend?", sprach er mich amüsiert an und schien sich sichtlich über meine Scheu zu wundern.
„Äh, ich -", setzte ich eben zur Verteidigung an, doch Harry winkte bereits lachend ab.
„War nur ein Scherz", schüttelte er grinsend den Kopf. „Aber kannst du mir bitte bloß mal dieses Mikro abnehmen? Ich bin immer noch eher der Radio-Mensch, diese Fernsehmikros sind mir ein Rätsel", erklärte er und zog unzufrieden an dem schwarzen Kabel, das unter sein weißes T-shirt führte.

Es hätte mir klar sein müssen. Weder Harry, noch die anderen Bandmitglieder kannten mich, immerhin sah auch ich sie heute zum ersten Mal - zumindest live.
Natürlich ordneten sie mich demnach nicht ihrem Management, sondern dem englischen Fernsehsender zu.

„Bitte, was?", brachte ich bloß überfordert hervor, als ich mich einmal mehr in Harrys Augen und seinem schlichtweg perfekten Gesicht verlor.
Mit gerunzelter Stirn musterte er mich, bevor er schließlich doch wieder leicht zu lachen begann.
„Mirko. Kabel. Weg", fasste er sich dieses Mal absichtlich kurz und präsentierte mir erneut sein Anliegen.

Perplex stand ich da. Ich hatte nun die Option, Wissen zu heucheln und könnte die einmalige Gelegenheit nutzen, um Harry Styles unter seinem T-Shirt nahe zu kommen, oder ich war einfach ehrlich.

Nachdem ich wenig Lust darauf hatte, von Jeff einen ordentlichen Einlauf zu bekommen, entschied ich mich für Letzteres.

„Davon hab ich auch keine Ahnung", räumte ich also schulterzuckend ein und erntete nicht bloß Harrys verdutzten Blick, sondern auch Jeff war inzwischen alarmiert auf mich aufmerksam geworden. „Mach's doch einfach ab", schlug ich ihm unbeeindruckt vor und zuckte noch einmal planlos mit den Schultern.

Während Harry mich noch irritiert anstarrte, war inzwischen einer der Tontechniker der TV-Senders herbeigeeilt und nestelte mit einigen gekonnten Handgriffen an Harrys Oberkörper herum, bevor er letztendlich das unerwünschte Mikro in der Hand hielt und damit wieder verschwand.

„Du bist neu hier, kann das sein?", sprach mich Harry erneut an und musterte mich fragend.
Himmel, und ich dachte, ich hätte mich zuvor schon fehl am Platz gefühlt.
Leicht nickte ich, obwohl ich nicht ganz wusste, was Harry mit hier meinte.
„Also, in der Branche, meine ich", präzisierte er seine Frage, als hätte er eben noch meine Gedanken gehört.
Wieder konnte ich bloß nickend zustimmen.

„Journalismus?", hakte Harry weiterhin nach, doch dieses Mal konnte ich zumindest zur Abwechslung meinen Kopf schütteln.
„PR", gestand ich. „Modest."

Eine Antwort, zwei kurze Worte. Doch scheinbar bewegte sie genug in Harry, um das Lächeln, das ihm eben noch im Gesicht stand, sofort einfrieren zu lassen.

Open up to me || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt