33. Selbsthass

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- Elenas POV -

Noch nie hatte ich mich dermaßen unwohl in meiner Haut gefühlt und mich so sehr vor mir selbst geekelt, wie in der jetzigen Situation.
Harry gab mir das Gefühl, als könnten wir alles miteinander schaffen und als wären wir auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft oder zumindest dorthin, uns diese aufzubauen.
Und was tat ich?

Ich dachte jede Sekunde an Jeffs Worte und brachte es noch nicht einmal übers Herz, Harry zu sagen, was mein Boss im Schilde führte und was er mir nahe gelegt hatte.
Es ließ mich nicht mehr los, dass er von mir erwartete, dass ich Harry und die Band zurück, oder sogar noch weiter in die Fänge ihres Managements treiben sollte.
Ich zweifelte nicht daran, dass das nicht in meiner Macht stand, immerhin hörte Harry auf mich, doch trotzdem brach mir alleine die Vorstellung das Herz.

Womöglich hätte ich Harry gegenüber einfach ehrlich sein sollen und ihm von Jeffs fiesen Plänen und Aussagen mir gegenüber erzählen sollen. Vermutlich wäre er ausgerastet, hätte Jeff und Modest zur Rede gestellt und das Arbeitsverhältnis zwischen der Band und dem Management hätte sich noch mehr angespannt.

Dann hätte ich zwar diese Last von den Schultern gehabt, doch genauso hätte ich mir sicher sein können, dass ich dann arbeitslos war und Jeff seine Drohungen wahr machen würde. Ich würde in dieser Branche niemals wieder Fuß fassen, ich hätte umsonst studiert und mir etwas aufgebaut.
Dafür hätte ich dann aber Harry - und die Öffentlichkeit, von der ich bezweifelte, dass ich damit leben konnte.

Letztenendes hätte ich wohl ohne Job, ohne Karriere, ohne Harry, dafür aber mit lebenslangem Stempel auf meiner Stirn dagestanden.
War ich wirklich bereit, alles zu riskieren und aufzugeben für eine Liebe, die von allen Seiten bedroht wurde? Ich wusste nicht, ob Harry und ich als Paar Bestand hatten. Wir standen auf fragilem Fundament.

Vielleicht würde am Ende zwar Harry durch mich gestärkt werden, dafür ich aber an dem Leben an seiner Seite zerbrechen.
Ich war nicht geschaffen für die Öffentlichkeit.

Wie ich es auch drehte und wendete, ich fühlte mich wie der größte Verräter.
Ich wollte Harry beistehen und ihm helfen, den „wahren Harry" zu schützen, doch jede Minute, die ich ihm nichts von Jeffs Auftrag erzählte, fühlte es sich an, als würde ich ihm ein Messer in den Rücken jagen.


Seufzend trat ich aus dem Stadion an die frische Luft, in der Hoffnung mein Kopf würde dadurch etwas klarer werden, doch stattdessen sah mich auch hier ein bekanntes Augenpaar an - Louis.
Die braunen, inzwischen länger gewachsenen Haare fielen ihm ins Gesicht und darüber hatte er halbherzig eines seiner Caps gezogen.

Aus der Ferne hätte man ihn in seinen Jogginghosen und weitem, weißen Tshirt auch gut und gerne für einen Obdachlosen halten können und nicht für den millionenschweren Musiker, der er nun mal war. Doch bei genauerem Hinsehen wurde einem doch klar, dass er zwar gepflegt, aber müde und ausgelaugt aussah.
Ich hatte mich so auf Harry konzentriert und war so froh darüber gewesen, dass wir gefühlstechnisch endlich zusammengefunden hatten und Harry etwas unbeschwerter wirkte, dass mir kaum aufgefallen war, dass Louis dafür immer fahler aussah und auch deutlich abgenommen hatte.

„Hey", nickte er mir zu und zog tief an seiner Zigarette, doch sein Blick blieb weiterhin an mir haften. „Hat dich Harry doch mal wieder ein paar Minuten entbehren können?"
Louis lachte trocken.
Er hatte recht, Harry hatte mich zuvor wirklich nicht aus den Augen gelassen, doch darüber konnte ich mich auch nicht beschweren.
Mein Problem war im Moment bloß ich selbst.

„Scheint so. Was machst du denn hier draußen?", stellte ich die Gegenfrage, als mir Louis bereits demonstrativ seine Zigarette vor die Nase hielt.
„Meine Vitamine", antwortete er schulterzuckend und grinste leicht.

Open up to me || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt