09. Wein und Wasser [1]

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- Elenas POV -

Das konnte doch wirklich nicht wahr sein. Da hatte ich letzte Nacht noch wach gelegen und mir den Kopf darüber zerbrochen, ob Harry jegliche sexuelle Gegenleistung von mir erwarten würde  und nun spazierte ich frohen Mutes direkt auf sein Hotelzimmer.

Wobei - frohen Mutes war nicht der richtige Ausdruck. Ich hatte die ganze restliche Autofahrt mit mir gehadert, doch letztendlich siegte die Neugierde.
Wenn Harry mir schon anbot, mehr über sich und die Jungs preiszugeben, dann konnte ich das nicht ausschlagen.

Man sollte meinen, das Management und auch das zugehörige PR-Team wüsste alles über ihre Klienten, doch Jeff schien doch das ein oder andere Detail weggelassen zu haben.
Oder vielleicht wusste er auch gar nicht alles über seine Schützlinge. Das galt es nun herauszufinden.

Trotzdem blieb das mulmige Gefühl in meinem Bauch, nachdem ich Harrys Verhalten mir gegenüber nach wie vor nicht einzuordnen wusste.
Allerdings war ich ja immer noch Herr über mich selbst und musste auch auf Harrys Hotelzimmer nichts tun, was ich nicht tun wollte.
Und beim besten Willen, wie ein Vergewaltiger erschien mir Harry nun doch nicht.


„Komm rein", hörte ich Harrys tiefe, raue Stimme aus dem Inneren des Hotelzimmers, während ich noch auf dem Flur stand und das zuversichtliche Nicken eines der Security-Mitarbeiter einfing.

Himmel, ich wollte gar nicht erst wissen, welchen Klatsch und Tratsch Harrys Bodyguard untereinander austauschten. Aber solange es unter ihnen blieb - Verschwiegenheitserklärung sei Dank - sollte ich mir auch keine unnötigen Gedanken darüber machen.

„Elena", hörte ich Harry einmal mehr auffordernd aus seiner Suite rufen.
Zögerlich sah ich hinab auf die Türschwelle, bevor ich einmal kräftig schluckte und endlich das Zimmer betrat.

Ich war bei einem attraktiven jungen Mann zu Gast, um mich zu unterhalten, mehr nicht. Doch trotzdem musste ich mir eingestehen, dass mich Harrys Nähe oder auch seine bloße Anwesenheit mehr aus der Fassung brachte, als es der Fall sein sollte.

Unsicher sah ich mich in dem weitläufigen Raum um.
Ich war in eine wohlhabende Familie hineingeboren worden, es war nicht die Größe oder der Luxus, der mich verunsicherte.
Es war Harry, wie er dort an der Minibar stand und mich so charmant anlächelte, wie es kein Barkeeper dieser Welt jemals hätte tun können.

„Was darf ich dir anbieten?", fragte er selbstsicher und ließ seinen Blick über die große Auswahl an Flaschen schweifen.
Ach du liebe Zeit, Alkohol. Er wollte doch jetzt wohl nicht auch noch trinken. Wobei dadurch vielleicht zumindest die Anspannung etwas abfallen würde.

Wie angewurzelt stand ich immer noch am Eingang, immerhin aber schon mal innerhalb des Hotelzimmers.
„Liam trinkt also zu viel?", platzte es plötzlich unkontrolliert aus mir heraus.
Es war eine Mischung aus Unsicherheit, der Gedanke an Alkohol und die Erinnerung daran, weshalb ich überhaupt hier stand, die zu dieser Frage geführt hatten.

Erstaunt drehte sich Harry auf den Absätzen seiner Schuhe zu mir um, bevor sein Lächeln noch breiter wurde.
„Direkt zur Sache, was?", meinte er amüsiert und schnappte sich zwei Gläser, als auch zwei Flaschen, die er zu der großen, angrenzenden Sitzecke trug. Wein und Wasser.

„Bleibst du da stehen?", fragte er nun, nach wie vor schief grinsend, nachdem ich mich immer noch keinen Zentimeter bewegt hatte.
Er selbst hatte sich inzwischen auf eines der weißen Sofas fallen lassen, den Arm auf der Rückenlehne abgelegt und sah mir auffordend entgegen.

Er sah so unverschämt gut aus, dass ich am liebsten die Flucht ergriffen und mich ihm gleichzeitig gerne an den Hals geworfen hätte. So widersprüchlich er sich oft verhielt, so konträr waren auch meine Emotionen in Harrys Gegenwart.
So oft war er mir suspekt und einfach nicht einzuschätzen, doch dann war er auch wieder so lieb, seine Augen so sanft und so vertraut. Doch was sich niemals änderte, war diese starke Anziehungskraft, die er auf mich hatte.

Open up to me || h.s.  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt