My roots run deep into the hollow

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Es war schon nach drei Uhr am Morgen und es regnete in Strömen. Selten gab es so einen Schauer wie in dieser Nacht, es durchweichte alle Inseln und du stapftest durch den Schlamm, die Schuhe schon bis obenhin verdreckt. Deine Schlaflosigkeit trieb dich zu einem kalten, unangenehmen Spaziergang im Regen, doch du hieltest die besorgten Blicke von Oven einfach nicht mehr aus. Seit dem Vorfall mit Daifuku kam er wesentlich früher nach Hause, fragte möglichst beiläufig wie du dich fühltest und wie dein Tag verlaufen war. Er benahm sich wie ein besorgter Bruder und so sehr es dich auch rührte – es war nervig. Jeder deiner Schritte wurde beobachtet, du durftest am Tag nicht auf dem Archipel umher streunen, da dich sonst am Ende noch jemand an Big Mom verraten würde. So langsam war es dir auch ziemlich egal, was die genau die Yonkou von deiner Rückkehr hielt. So wie es aussah würdest du eh nicht mehr lange hier verweilen, also wen kümmerte es schon was die alte Frau dachte? Du warst nur für Katakuri zurück gekommen und er verstieß dich, was hielt dich dann noch an diesem Ort?
Als du die Straßen von Hakuriki Town erreichtest, war selbst dort alles durchweicht und auf dem Pflaster sammelten sich große Pfützen an. Wenn das Wetter weiterhin so blieb, dann würde die ganze Stadt, gemacht aus allerhand Backwaren, in sich zusammen fallen und zu einem riesigen Haufen klebrigen Matsches zerfallen. Katakuri würde viel zu tun haben in den kommenden Tagen, dachtest du und seufztest stumm in dich hinein.
Was genau wolltest du hier nochmal, warum hatte dich dein Weg nach Flour Island verschlagen? War es die Wut auf den Ältesten der Drillinge oder wolltest du ihm wirklich nur die Meinung geigen? In deinem Kopf spielte sich jedes mal wieder die gleiche Szene ab: Du stelltest ihn zur Rede, fragtest was mit ihm los war und darauf folgte ein klärendes Gespräch, alles wurde gut – eine lächerlich naive Fantasie. Wenn er dich einfach so hinaus geworfen hatte, ohne auch nur den Ansatz einer Erklärung, dann würde er dir so spät in der Nacht ganz bestimmt nicht zuhören wollen. Ganz zu schweigen von der vielen Arbeit, die er durch den plötzlichen Wetterwechsel bekam. Im Herbst und Winter wurden die Gebäude stets wetterfest gemacht – ein wenig wie bei der Beschichtung der Schiffe um zur Fischmenscheninsel gelangen zu können – doch die Arbeiten waren noch in vollem Gange. Einige der Gebäude waren bereits vor dem Wetter geschützt, doch die weniger wichtigen Häuser würden am Morgen wohl ziemlich durchweicht sein. Mit etwas Glück hörte der Regen bald auf, doch auf Glück konnte man in dieser Welt wirklich nicht zählen!
Das plätschernde Geräusch von Schritten in den Pfützen ließ dich aufsehen und schnell tauchtest du ab in die nächste Seitenstraße, verschwandest beinahe im Schatten der Nacht und wartetest. Zwei Wachen kamen vorbei, unterhielten und beschwerten sich über das Wetter. Es war wie damals, als ihr euch zu viert nach wilden Nächten und viel Unsinn vor den Patrouillen versteckt hattet. Nur, dass du jetzt allein warst.
Als die beiden Männer verschwunden waren strafftest du die Schultern und tratst aus dem Dunkel der Seitenstraße, folgtest deinem ziellosen Spaziergang weiter hinein in die Stadt. Die erleuchteten Fenster konntest du an einer Hand abzählen, es war viel zu spät in der Nacht, als dass jemand aus dem Fenster schauen und dich bemerken würde. Doch wieder kam die Frage auf – was wolltest du hier eigentlich?
Am Ende fandest du dich vor Katakuri's Haus wieder und zu deinem Erstaunen brannte noch Licht. Du wagtest es nicht durch das Fenster zu schauen, auch wenn du innerlich darauf branntest. Wieso nur zog es dich immer wieder zu ihm? Was war an diesem Mann so besonders, dass es dich selbst nach deiner Zeit bei der Revolutionsarmee wieder zu ihm hingezogen hatte? Deine Hilfe gegenüber Dragon war wichtig, du konntest wirklich etwas verändern in dieser Welt, wenn du nur weiterhin gegen die Sklaverei kämpftest! Und doch standest du nachts im Regen, starrtest an Katakuri's Haustür und deine Knie zitterten vor lauter Nervosität. Wagtest du es zu klopfen und ihn zur Rede zu stellen? Ungeduldig bisst du auf deiner Unterlippe herum, bis sie beinahe blutete. Nein.
Warum solltest du einem Mann nachweinen, der dich aus seinem Haus geworfen hatte. Warum sich nach ihm verzehren, wenn er dich verhörte wie eine Gefangene, dich verschleppt hatte um dich auszufragen als wärst du eine Gefahr für die Allgemeinheit? Es wurde Zeit einen Schlussstrich unter diese Sache zu ziehen und auch wenn es dir das Herz brach: Katakuri war nicht der Eine für dich. Es wurde Zeit wieder zu gehen und dein altes Leben hinter dir zu lassen. Deine Wurzeln lagen auf diesem Archipel und nach zwanzig Jahren wurde es Zeit die Bande zu kappen.
Du wandtest dich um, wolltest gehen, als du das Klicken der Tür hinter dir hörtest und in zwei rote, gereizte Augen sahst.
»Was willst du hier?« Katakuri sah dich auffordernd an, lehnte am Rahmen der geöffneten Tür und du erstarrtest innerlich zu Eis. Hatte er dich etwa gehört? Oder gesehen?
»I-Ich wollte mich verabschieden.« Du sahst nicht zu ihm auf, starrtest auf deine vom Matsch verdreckten Schuhe. Die Spannung zwischen euch beiden konnte man beinahe mit einem Messer schneiden und du wagtest es nicht ihn noch einmal anzusehen. Deine Entscheidung war gefallen, aber es brach dir das Herz wenn du ihn anschautest.
»Verabschieden?«, fragte Katakuri nach und aus dem Augenwinkel sahst du wie er die Hände zu Fäusten ballte. »Wieso?«
Endlich sahst du zu ihm auf, blinzeltest kurz gegen die Tränen in deinen Augen an.
»Ich bin wegen dir zurück gekommen.«, gestandest du mit pochenden Herzen. »Und da wir- Nun, da du dich ja offensichtlich nicht sehr über meine Anwesenheit freust, gehe ich zurück zur Revolutionsarmee.«
Die roten Augen musterten dich voller Überraschung und du starrtest zurück, wolltest ihn zu einer Antwort darauf drängen. Entweder er sagte dir, dass du bleiben sollst und ihr würdet euch zusammen setzen – oder er sagte dir Lebewohl und das war es dann, ein und für alle Mal. Selbstverständlich hofftest du darauf, dass er über seinen Schatten sprang und dich bat zu bleiben, dir sagte wie wichtig du ihm nach all den Jahren noch immer warst. Du gabst ihm die Chance es dir zu sagen, ohne große Überwindungen – würde er die Gelegenheit wahr nehmen?
Es war deutlich zu sehen wie er kurz mit sich rang und am Fell des Schals auf seinen Schultern herum zupfte, nicht so recht zu wissen schien was er sagen sollte. Es war dir jedenfalls Antwort genug und mit einem wütenden Knurren fuhrst du herum, warfst deine klitschnasse Kapuze über den Kopf.
»Schönes Leben noch!«, blafftest du in den tosenden Regen hinein und stapftest aufgebracht davon, während sich ein paar kleine Tränen mit den Tropfen auf deinem Gesicht vermischten.
»Jetzt warte doch, verdammt-« Endlich kam Bewegung in Katakuri und er folgte dir ins stürmische Wetter hinein, zog hinter sich noch schnell die Tür zu. Mit großen Schritten folgte er dir, doch du beschleunigtest dein Tempo ebenfalls. Das kleine Waldstück nahe der Stadt war sehr überschaubar und so voller Matsch, dass du beinahe ausrutschtest. Aber du wolltest weg, einfach nur weg von ihm.
»Hör auf mir zu folgen!«, riefst du über deine Schulter und zogst deinen Mantel etwas enger an deinen Körper, doch deine Kleidung war so durchweicht, dass es nichts nützte. Es war kalt, selbst deine dicke Haut wurde von der schneidenden Kälte zum zittern gebracht. Durch das Unwetter lief Katakuri dir nach, wollte nun dich zur Rede stellen. Was dieser Auftritt sollte, warum du mitten in der Nacht plötzlich vor seiner Tür standest und eben diese anstarrtest. Aber wie konntest du es ihm denn erklären, wenn du es selbst nicht wusstest?
»Was ist denn nur los mit dir?«, riefst du über den heulenden Wind hinweg und bliebst endlich stehen, bereitetest der Verfolgungsjagd ein Ende. »Erst schickst du mich in die Wüste und dann läuft du mir nach!«
»Ich will mit dir reden.«
»Ach, auf einmal willst du reden – so richtig reden?!«, fuhrst du Katakuri wutentbrannt an und du wirbeltest herum, gingst einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu. »Du bist unmöglich! Auf einmal willst du dich versöhnen und vorher behandelst du mich wie Dreck. Wieso Katakuri? Wieso?!««
Er blieb stehen und der Abstand zwischen euch beiden war eine schützende Wand vor der lauernden Eskalation. Würde das Ganze wirklich auf einen handgreiflichen Konflikt hinaus laufen – war das die einzige Möglichkeit, dass dieser Kampf endlich enden würde?
»Weil es meine Schuld war!«, entgegnete er heftig und auch wenn es dunkel war, du sahst seinen verzweifelten Blick. Noch nie hattest du ihn so aufgelöst erlebt, noch nie so derart offen und verletzlich. »Nur wegen mir bist du überhaupt gefangen worden – der ganze Mist ist meine Schuld!«
»So ein Unsinn!«, erwidertest du, nicht minder aufgebracht. »Katakuri, es war meine Entscheidung das Schiff zu verlassen. Ich schiebe dir die Schuld überhaupt nicht zu und das solltest du auch wissen.«
»Wenn ich dich nicht abgewiesen hätte, wenn ich mit dir geredet hätte an dem Abend-«
»Genug!«, unterbrachst du ihn ungeduldig. »Das können wir ein andern Mal klären. Aber warum benimmst du dich dann so komisch mir gegenüber? Du bist ja kaum zu ertragen!«
Er sah ausweichend zur Seite und für einen Moment war nur das Prasseln des Regens zu hören. Sein Blick huschte wieder rüber zu dir und er rang nach Worten, zuckte dann aber nur hilflos mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht.«, sagte er schwach. In diesem Moment wart ihr beide wieder 18 Jahre alt, jung und dumm. Er war sprachlos, konnte sich sein eigenes Verhalten nicht erklären. Er erinnerte dich zu sehr an dein jüngeres Selbst, verwirrt und ahnungslos was als Nächstes zu tun war. Dein erster Instinkt war, ihm zu helfen und ihm zu sagen dass alles wieder gut werden würde; Aber du brachtest es einfach nicht über's Herz. Zu wütend warst du auf ihn, zu sehr hatten dich seine Taten verletzt.
»Du weißt es nicht?!«, fauchtest du fassungslos und eine heftige Welle von Zorn überrollte dich, ließ deine Haut unangenehm prickeln. »Katakuri, wenn du mich auf den Arm nehmen willst-«
»Ich weiß es nicht, okay?« Deine Wut schlug auch auf ihn über und seine Verletzlichkeit diente als Brennstoff für die kommende Auseinandersetzung zwischen euch beiden. »Auch wenn man es von mir erwartet, ich bin auch nicht allwissend und als ich dich gesehen habe, da...«
Auffordernd warfst du die Arme in die Luft und drängtest ihn mit dieser Geste dazu den Satz zu beenden.
»Ich höre?«, setztest du noch einen drauf. Konnte dieser Mann sich endlich mal sich selbst und seinen Gefühlen stellen? Das war ja kaum zum aushalten!
Er starrte dich einen Moment lang wutentbrannt an, dann setzte er er zu einer Antwort an – doch schüttelte nur stumm den Kopf.
»Vergiss es.«, knurrte er. »Geh zurück zu deiner Revolutionsarmee, da scheinst du ja glücklicher zu sein als hier.«
Ruckartig drehte er sich um und stapfte davon, wollte dich tatsächlich allein im Regen stehen lassen. War er wirklich so ein sturer Mistkerl, dass er dich einfach stehen ließ? Nicht mit dir!
Du bücktest dich nach unten und griffst mit der Hand in die Pfütze unter dir, fülltest sie mit Schlamm und tatest etwas sehr mutiges und sehr, sehr dummes.
Mit einem lauten Klatschen traf dein Wurf und du starrtest auf seinen Rücken, beobachtetest für einen Moment wie der Schlamm über seine Schultern lief und auf seine Weste tropfte. Katakuri hielt inne, nahm einen tiefen Atemzug und wandte sich dir dann mit einem wütenden Blick zu. Du hattest keine Angst vor ihm und erwidertest den Blick mit dem gleichen intensiven Zorn, bis er schließlich einen Schritt auf dich zumachte. Du tatest es ihm gleich und gingst auf ihn zu, dachtest gar nicht daran ihm auszuweichen oder stehen zu bleiben. Der kalte Regen lief über dein Gesicht, tropfte aus deinem Haar herab und jagte dir eine kühle Gänsehaut über den Rücken. Zielgetrieben kamt ihr euch entgegen, den Blick starr aufeinander gerichtet und mit zwei Möglichkeiten wie das Ganze ausgehen konnte: Leidenschaft oder Mord. Den stechenden, weinroten Augen nach zu urteilen würde es wohl das Letztere werden. Aber du sahst hinter die Fassade der Wut und er war heute genau der gleiche Mann wie damals, er hatte sich kaum verändert. Nach wie vor kaschierte er seine Unsicherheit mit Wut – sein Verhalten zum Selbstschutz hatte sich kein Bisschen verändert.
Deine Hände schossen hoch, griffen sofort nach seiner Weste als er in Reichweite war und du zogst ihn mit aller Kraft das kleine Stück zu dir herunter. Katakuri's Hand packte deinen Nacken mit groben Verlangen und er beugte sich ein wenig herab, griff mit der freien Hand in dein nasses Haar. Vollkommen durchgeweicht vom Regen lehntest du dich ihm entgegen, spürtest seinen Frust und Zorn als er dich küsste. Unter seinem festen Griff schmolzt du dahin, wütend und erleichtert zu gleichem Teil. Nur ein einziges Mal hattet ihr euch geküsst und das war nun schon Jahre her. Damals hatte er sich von dir losgerissen, geflucht und dir erklärt, dass er dich nicht auf diese gewisse Weise mochte. Aber dieser Kuss im Regen, aus purem Frust und simpler Sehnsucht heraus – dieser Kuss war ganz anders. Katakuri's Griff an deinem Nacken lockerte sich, sein Arm schlang sich um deine Taille und er hob dich ein wenig an, entlockte dir ein entzücktes Seufzen. Du nahmst die Gelegenheit wahr, legtest die Arme um seinen Nacken und drücktest dich so eng an ihn wie es nur möglich war.
»Katakuri...«, murmeltest du leise seinen Lippen entgegen als er sich von dir löste. Eure Blicke trafen sich und die so kalten, berechnenden Augen musterten dich mit einer unerwarteten Wärme. Beinahe als wäre es das erste Mal, dass er dich sah und als könnte er gar nicht glauben, dass du wirklich hier bei ihm warst. Er setzte dich wieder ab, hielt dich doch weiterhin fest in einer Umarmung, obwohl du sicher auf deinen eigenen zwei Beinen standest. Er wusste nicht was er sagen wollte, ob es überhaupt irgendetwas zu sagen gab. Auch du warst sprachlos und deine Gedanken überschlugen sich beinahe. Du wolltest ihm sagen, dass er dir noch immer die Welt bedeutete, dass der Gedanke an ihn dich am Leben gehalten hatte und doch - es kam nichts über deine Lippen. Statt etwas Dummes zu stammeln stelltest du dich auf die Zehenspitzen und er lehnte sich herab, lehnte seine Stirn an deine und ihr starrtet euch wie zwei dumme, verliebte Idioten in die Augen.
»Ich habe dich vermisst. Den echten Katakuri, nicht dieses miese Arschloch, der mich verschleppt und verhört wie eine Kriminelle.«, murmeltest du ihm schließlich zu und ein raues Lachen entkam seiner Kehle. Deine Hände vergruben sich in dem kurzen, nassem Haar und ein Schauer fuhr durch deinen Körper, eine Mischung aus Kälte und Herzklopfen. Es folgte ein weiterer Kuss, ein zweiter und ein dritter - jeder verlangender und gieriger als der Vorherige. Hitze schoss durch deine Adern und ließ deine Gedanken und guten Vorsätze ineinander verschwimmen; Du wolltest mehr von ihm als nur Küsse im Regen!  

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