08. ❝lipstick in my valentino white bag?!❞

1.9K 219 379
                                    

Man ließ uns diesmal vor dem Gebäude aussteigen, das inmitten der geschlossenen Wohnanlage lag, und deshalb wohl die meiste Zeit vor unwillkommenen Besuchern sicher war.

Zum ersten Mal sah ich Bangtans Dorm von vorne; das weitläufige, modern konzipierte Gebäude war in den Hügel eingelassen, der sich unter der gesamten Wohnanlage hinwegzog und weiter oben in eine steile Felswand ausartete.

Hinter den Kristallfenstern brannte ein schwaches Licht, das die gesamte Ansicht bewohnt wirken ließ, und ich erkannte das große Doppelfenster, hinter dem Hoseoks und Jimins Zimmer lag; dasjenige, aus dem ich am ersten Morgen auf die Stadt gesehen hatte. Der Van verschwand um die Ecke und Seokjin, der seine Tasche im Inneren vergessen hatte, machte sich prompt daran, dem Wagen hinterherzurennen. Ich blickte ihm grinsend hinterher, während Hoseok ihm laute Befeuerungen nachrief.

Der Eingang zur Dorm lag hinter einer niedrigen Pforte, die knappe zehn Meter durch einen ordentlich angelegten Vordergarten auf eine Außentreppe zuführte, an der wiederrum die Haupttür lag. Namjoon öffnete das Tor, indem er einen Code in das Bedienfeld eingab und ich war die zweite, die hinter ihm auf den sauberen Marmorweg trat.

Plötzlich blieb der Leader jedoch wie angewurzelt vor mir auf dem Weg stehen und ich musste einen hastigen Satz zur Seite machen, um nicht frontal in ihn hineinzurennen. Erst, als Hoseok hinter mir ein scharfes Zischen ausstieß, wandte ich meinen Blick ebenfalls in die Richtung, die Namjoon und Hoseok in stummer Überraschung fixierten.

Auf der obersten Treppenstufe saß ich. Ich trug die übergroße Jeansjacke, die über und über mit Aufnähern bestickt war, die ich in den vergangenen Jahren zusammengetragen hatte; NASA, vielmehr Fandom-orientierte und die Fuck-Trump-Aufsticker, die mir Erin gemacht hatte. Irgendwie hatte Jimin, oder Erin, oder wer auch immer gedacht, es sei eine großartige Idee, meine gelben Converse auf eine Transpazifikreise anzuziehen und ich spürte die Phantomschmerzen unmittelbar in Jimins Füßen.

Neben mir stand mein Koffer und darüber mein Rucksack, den Jimin wohl achtlos abgestellt hatte, ehe er sich auf der Treppenstufe niedergelassen hatte, um dort auf die Ankunft seiner Band zu warten.

Ich beobachtete mich dabei, wie ich aufsprang, kaum, dass ich Namjoon erblickte – und als ich, als Jimin, sein Gesicht ins Licht wandte, traf mich beinahe der Schlag. Ich glaube nicht, dass ich jemals so müde ausgesehen hatte; so blass und kränklich – meine Haut wirkte gräulich und mein Haar hing mir in kraftlosen Strähnen über die Stirn.

„Jimin?", fragte Namjoon zögerlich und ich sah, wie Jimin einen plötzlichen Satz nach vorne machte, nur um geradewegs in seinen Armen zu landen. Ich war erstaunlich klein; reichte Namjoon nur bis knapp zur Schulter und der Leader strich mir – Jimin – sanft über das Haar, was den anderen nur dazu veranlasste, wohl in Tränen auszubrechen, denn ich erkannte, wie seine Schultern zu beben begannen.

Es war das singulär komischste Gefühl, mich dabei zu beobachten, wie ich vollkommen fertig in Namjoons Armen lag, wie Hoseok als nächster an der Reihe war, mich so fest an sich zu drücken, dass ich Sorge trug, er könnte meine Knochen brechen.

Ich trat verlegen hinter Jeongguk zurück, der es offensichtlich nicht allzu eilig hatte, Jimin zu begrüßen; sondern vielmehr den Kopf schief legte, als wollte er nichts verpassen, kaum, dass Jimin Yoongi erkannte, der halb von Hoseok und Namjoon verdeckt gewesen war.

Der älteste Rapper wirkte kaum wie er selbst, als er Jimins Gesicht – mein Gesicht! – zwischen seine Hände nahm und zwei, drei Mal fieberhaft mit seinen langen, schlanken Fingern über meine Wangenknochen fuhr.

„Ähm...", machte ich neben Jeongguk, der nur „Pssst!" zischte und sich tatsächlich auf die Zehenspitzen stellte, um über Namjoons Schulter hinweg einen besseren Blick auf die Szenerie zu haben.

Hurricane TortillaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt