Kim Namjoon war ein Phänomen für sich. Dieser Umstand wurde mir endgültig bewusst, als wir knapp drei Stunden später aus einer äußerst putzigen Straßenbahn ausstiegen und plötzlich das Meer vor uns hatten – in seiner gesamten Breite, stahlgrau und unruhig, haargenau so, wie ich es liebte. Es war wärmer als in Seoul; wir befanden uns nun am unteren Ende der Halbinsel, aber dennoch fegte in dieser Stadt allzeit ein Wind durch die Straßen, der die Luft um gut zehn Grad abkühlte und mir beinahe meine Cap herabriss, als ich hinter Namjoon auf den gepflasterten Weg an der Promenade trat. Dahinter, halb auf dem weichen, hellgrauen Strand, standen einige niedrige, geschmackvolle Bauten – Ferienhäuser, wie es mir erschien, die mit weiß getünchten Rollläden, zusammengeklappten Sonnenschirmen und gelegentlichen Kindern vor der Tür den Eindruck unbekümmerter Sorglosigkeit erweckten.
Namjoon ließ mir kaum Zeit, mich umzusehen, ehe er meine Hand erneut packte – er schien sich das zur Angewohnheit gemacht zu haben – und mich über den schmalen gepflasterten Weg auf den Sandstrand zuzog, der sich durch den Wind verblasen, überall verteilt hatte.
„Jetzt warte doch mal", keuchte ich verärgert, als er mir beinahe den Arm auskugelte. „Du hast mich die unglaubliche Sicht überhaupt nicht genießen lassen."
„Es ist ein Meer." Er verdrehte die Augen. „Nicht spektakulärer als jedes andere."
„Joonie, ich war in meinem Leben erst einmal an einem Meer. Und das war in Texas. Lass mich den Scheiß aufsaugen, bis ich genug davon habe."
Er dachte wohl, dass ich seine Hand loslassen würde, aber ich zwang ihn vielmehr, neben mir stehenzubleiben, während ich die Wellen in Augenschein nahm, die in regelmäßiger Unberechenbarkeit auf den Strand zurollten und sich dort in weiße Gischt zerschlugen. Ich beobachtete die Möwen, die in den wilden Windlagen mehrere Meter über dem Meer mit offenen Flügeln glitten und sich gegenseitig anbrüllten. Der leichte Flimmer des abgetragenen Sandes, der sich in einer perpetuellen Aura über der Oberfläche verteilte und wogende Zeitlichkeit in die Szenerie brachte, die friedliche Kulisse der Ferienhäuser. Das Bimmeln der Straßenbahn, die sich nun wieder in Bewegung setzte. Namjoons Hand in meiner war erstaunlich warm und der Druck seiner Finger um meine war genug, um mich aus meiner bewundernden Starre zu reißen.
„Und?", fragte er mich, während er mich unter der Kapuze seines Pullis aus anblickte. „Genau aufgesaugt?"
Ich blickte zu ihm auf und konnte meine Augen nur verdrehen. „Du bist viel zu ungeduldig."
Er ließ meine Hand auch nicht los, als er sich lachend in Bewegung setzte und mich wieder einmal hinter sich herzog. Keine Sekunde später saßen wir im Sand, während er mir anwies, meine Schuhe auszuziehen, die wir mit unseren Sachen hier zurücklassen würden.
Oh, es war eine Erfahrung, die ich niemals geglaubt hatte, jemals zu machen. Mit Kim Namjoon über einen feinen, windigen Sandstrand zu renneb, immer wieder auf das Meer zu, dass sich mit tosenden Wellen in seiner Feindseligkeit hervortat.
Ich wusste gar nicht mehr, wer als erster von uns beiden eine volle Ladung salziges Meerwasser gegen die Hose gespült bekam; ich wusste nur noch, dass es mich beinahe von den Beinen gefegt hätte, wenn Namjoon nicht in der letzten Sekunde da gewesen wäre, um mich vom Wasser wegzuziehen.
„Ich war hier früher so oft", erzählte er mir, während ich gerade auf dem Boden kniete und eine sandige Muschel im Meer zu spülen versuchte. Er hatte die Augen zusammengekniffen, während er sein Gesicht der Sonne entgegenreckte, und so konnte ich ihn unbehelligt anstarren, während ich so tat, als wollte ich die Schale waschen.
Er wirkte sorgloser, als ich ihn je erlebt hatte. Die Rückkehr ans Meer schien ihm gutzutun; die Tatsache, dass er hier nicht RM, der Leader der berühmtesten Band dieses Kontinents, war, sondern Kim Namjoon, ein viel zu intelligenter, viel zu verantwortungsbewusster junger Mann, der endlich wieder einmal in sein Heimatstadt zurückgekehrt war. Seine Grübchen taten sich tiefer denn je hervor und ich versuchte, nicht vornüber zu kippen, als ich langsam das Gleichgewicht verlor.
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Hurricane Tortilla
FanfictionPeyton führt ein Leben am Rande der Bedeutungslosigkeit: sie verbringt zu viel Zeit im Internet, während sie schlechte Memes an ihre Lieblingsband sendet, unrealistische, plotlose Fanfiction schreibt und nun schon den zehnten Tweet mit „BTS als Gart...