25. ❝poseidon quivers before him❞

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Es war ziemlich eindeutig, dass Namjoons Mutter nicht erwartet hatte, ihren Sohn heute noch auf ihrer Türschwelle stehen zu sehen, denn sobald sie ihn vor sich erkannte, stieß sie ein lautes Kreischen aus und warf Namjoon, der sie um knapp eineinhalb Köpfe überragte, beide Arme um den Hals. Ich, die etwas verlegen im Hintergrund stand und halb von einem Rhododendronbusch verdeckt wurde, wandte sofort meinen Blick ab, während die gut fünfzigjährige Frau ihren Sohn in die Arme schloss.

Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte; zumindest, bis sie das Wort an mich richtete und begeistert Jimins Namen ausstieß.

Ich warf Namjoon sofort einen hilfesuchenden Blick zu, der einen Schritt von seiner Mutter fortmachte, und sich genauso beschützerisch neben mir aufstellte, wie er es in letzter Zeit immer zu tun pflegte. „Eomma, du hast nicht zufälligerweise Interesse, das Gespräch auf Englisch fortzuführen?"

Seine Mutter blinzelte verwirrt. „Joonie, ich... verstehe nicht."

„Du hast doch von meinem Dating-Skandal gehört, oder?"

„Ja, aber mir war nicht bewusst, dass du jetzt Jimin datest", sagte sie scherzhaft und kniff Namjoon in die Wange, der verlegen auswich und offensichtlich versuchte, mich nicht anzusehen.

„Eomma, du vertraust mir, oder?", fragte Namjoon vorsichtig, während ich in mich hineingrinste. „Du würdest mich nie mit einem Besen vom Grundstück jagen, wenn ich plötzlich irgendeine widersinnige Scheiße von mir gebe, nicht wahr?"

„Ist das jetzt dein Coming Out?"

„Nein, Eomma!" Namjoon war inzwischen rot wie eine Tomate und ich musste mir die Faust vor den Mund halten, um mein Lachen zurückzuhalten. „Was, wenn ich dir sage, dass das Mädchen, das ich in der Öffentlichkeit date, in diesem Körper ist und Jimin im Körper dieses Mädchens?"

Sie legte den Kopf schief und seufzte tief auf. „Es sind die Spinnereien dieses Seokjin-Jungen. Der setzt dir all diese Flöhe ins Ohr, nicht wahr?"

„Es stimmt, Mrs. Kim", sagte ich höflich, während ich mich innerlich neugierig fragte, was in aller Welt Seokjin getan haben konnte, dass Namjoons Mutter ihn als Ursprung allen Übels festliegen würde. „Ich bin nicht Jimin."

Sie war die erste, die nicht in kopfschüttelnde Ablehnung ausbrach. Stattdessen stemmte sie die Arme in die Seiten, musterte mich ausdrücklich und sagte: „Das kann ich sehen."

„Echt?", sagte Namjoon alarmiert. „Wie das?"

„Sie wirkt schüchtern", sagte seine Mutter und warf mir ein ermutigendes Lächeln zu. „Jimin wäre schon an mir vorbei ins Haus gestürmt, um Monie zu begrüßen."

Warum gab sich Jimin eigentlich solche Mühe, wie ein Hundefreund zu wirken, wenn er ihnen genauso sehr an die Gurgel wollte wie ich?

„Wollt ihr nicht reinkommen?", fragte sie mit einem Augenzwinkern. „Ich meine, ihr könnt auch gerne auf der Türschwelle stehenbleiben, aber ich glaube, dass die Nachbarn dann gleich vor unserer Tür zusammenrennen. Und ich muss zu meinem Kuchen zurück."

Erst jetzt erkannte ich, dass sie eine Schürze trug und wir sie offensichtlich mitten im Kochprozess gestört hatten. Namjoon trat hinter ihr über die Schwelle und ich musste der Versuchung widerstehen, mich an ihm festzukrallen wie ein ängstliches Kleinkind. Seine Mutter war eindeutig eine ungemein freundliche, verständnisvolle Person – ich sollte wirklich aufhören, mich so anzustellen.

Das Haus, in dem Namjoons Eltern wohnten, war eines dieser Bauten, in denen man sich automatisch wohlfühlte, sobald man nur einen Fuß über die Schwelle setzte. Ein lichtdurchflutetes Atrium, eine vielmehr weitläufige Garderobe, bildete den Eingangsbereich, von der aus eine Treppe in den oberen Stock führte. Das Geländer war aus warmen Holz, aber die Stufen und die Dielen des Eingangsbereich bestanden aus getünchten Brettern, die einen ungemein rustikalen Schein erweckten. Wohin ich auch sah, erkannte ich Sitzbänke mit Kissen, flauschig oder glatt, Fotos an den Wänden, hochwertige Drucke von klassischen Gemälden, die mich sofort an Taehyung erinnerten.

Hurricane TortillaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt