19. ❝road work ahead? i sure hope it does❞

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Ich hatte mich über Nacht in die okkultistische Kultur Südkoreas eingelesen und war inzwischen immer weniger gewillt, Poppys Drängen Folge zu leisten und diese Hellseherin aufzusuchen, dessen Adresse sie mir zugesteckt hatte.

Alles, das sich nicht in der Lehrbuchsammlung der naturwissenschaftlichen Abteilung einer Universitätsbibliothek wiederfinden ließ, besorgte mich auf eine tiefe Weise.

Andererseits hatte sie wirklich Recht – nichts von dem, was in den letzten Wochen geschehen war, ließ sich mit dem vereinbaren, das ich nun schon seit Jahren mit meiner Mentalität, mit meiner ureigensten Überzeugung zu meiner Wahrheit erklärt hatte.

Und so kam es, dass ich mich gegen zweiundzwanzig Uhr am Ende meines freien Tages aus meinem Zimmer schlich, so vermummt, wie es mir nur irgendwie möglich war.

Ich war schon an der Tür, als mich ein Räuspern herumfahren ließ und Jeongguk mit einer Schüssel Chips in der Hand im Türrahmen stand und mich mit hochgezogenen Augenbrauen anblickte. „Du darfst nicht weg", sagte er und ich stöhnte innerlich auf.

Konnte man diese Dorm nicht in Ruhe verlassen, ohne dass nicht gleich jemand auf den Plan gerufen wurde?

„Jeongguk, bitte", zischte ich und der Junge blickte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Verpetz' mich nicht, bitte."

„Du kannst nicht weg!", wiederholte er, diesmal eine Spur vehementer. „Du siehst aus wie Jimin. Die Stadt ist groß. Du kannst nicht Koreanisch. Du verläufst dich."

Ich hob mein Handy in die Höhe. „Google Maps regelt."

„Du hast hier nicht mal Internet." Er stellte die Schüssel auf der Garderobe ab und schnappte sich seine Jacke, die am Haken darunter hing, ehe er beiläufig in seine schwarzen Sneakers schlüpfte. „Ich komme mit dir."

„Jeon Jeongguk", zischte ich, aber da war der Junge schon im anliegenden Gang verschwunden, nur, um ein paar Sekunden mit einer großen Kamera zurückzukommen, die er auf einem Handstativ trug, während er zufrieden den Batteriestand überprüfte.

„Was?", fragte er unschuldig. „Wir filmen für G.C.F. Nichts Auffälliges dabei."

Er hatte tatsächlich nicht Unrecht. Wenn Park Jimin in aller Einsamkeit durch die Stadt strich, sich vermutlich die Hälfte der Zeit verlief, dann wäre das äußerst auffällig, vor allem, wenn ein Fan oder die Presse davon Wind bekam. Jeongguk und Jimin hingegen war kein ungewöhnlicher Anblick, vor allem nicht, wenn Ersterer filmend durch die Gegend rannte.

„Und kein Wort zu Namjoon", rang ich ihm noch ab und Jeongguk verdrehte die Augen.

„Kein Wort zu Namjoon", versprach er, während er seinen Arm um mich legte und mich aus der Tür ins Treppenhaus zog.

Ich hatte tatsächlich gut daran getan, Jeongguk mitzunehmen, denn ich musste feststellen, dass ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie man dem überfeinen Viertel entkam, in dem die Dorm von Bangtan lag. Jede Richtung schien sich in die unendlichen Weiten der Spießerschaft zu erstrecken, und wäre Jeongguk nicht gewesen, der mich zielstrebig auf eine U-Bahn-Station zuzog, wäre ich vermutlich bis in alle Ewigkeit in diesem Labyrinth herumgeirrt.

Kaum, dass wir in die von billigen Neonröhren ausgeleuchtete U-Bahn-Station traten, zog Jeongguk sich seinen Mundschutz über das Gesicht, ehe er die Kapuze aufsetzte.

„Wir nehmen ein Taxi, sobald wir die Zivilisation erreicht haben", teilte er mir über Naver mit, ehe er eine neugierige Frage hinterherschoss: „Wohin soll es denn gehen?"

Ich hustete verlegen, um nicht antworten zu müssen, aber als er mich eine halbe Minute später immer noch mit durchdringenden Blicken fixierte, zog ich schließlich den Zettel aus meiner Tasche, den Poppy mir gegeben hatte. „Erinnerst du dich an das Mädchen, das beim Fansign mit mir sprechen wollte?", fragte ich ihn und er nickte langsam, während er offensichtlich versuchte, die Verbindung herzustellen. „Sie sagt, dass ich es mal bei einer Hellseherin, oder Schamanin versuchen soll. Weil... dieser Körpertausch immerhin sehr... übernatürlich ist."

Hurricane TortillaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt