Kapitel 40

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Damon

Ich spürte sanften Wind auf meiner Haut, wie er durch meine feinen Haare auf den Armen fuhr, und mich sanft streichelte. Die Luft war klar und befreiend, und alles war still. Mein Körper fühlte sich leicht an, gar schwerelos und umgeben von einer wunderbaren Hülle aus Geborgenheit. Nie habe ich mich so friedlich gefühlt, und doch.. da war etwas, tief in meinen hintersten Gedanken, dass meinen Geist nicht zur Ruhe kamen ließ. 

Es war nicht schwer zu erraten, wer sich tatsächlich in meinen Tod noch einschleicht wie ein lästiger Parasit. Kaum zu glauben, dass ich tatsächlich von ihm getötet wurde, dass er dabei trotzdem noch so anmutig und elegant wirkte. Tatsächlich würde es nur Louis schaffen so schön zu sein, wenn er jemanden ein Messer ins Herz rammt. 

Diese sechs strahlend weißen Flügel und das ebenso weiße Haar, seine zart pinken Augen und seine heilig wirkende Kleidung.. Ich würde diesen Anblick nie wieder vergessen, genauso den, wie er unbekleidet aussieht. Selbst in der schrecklichsten Hölle würde mir dieser Gedanke immer noch Freuden bereiten. 

"Ich hoffe du denkst an mich, während du so pervers lächelst." hörte ich seine Stimme säuseln, sich mit dem leichten Winden vermischend. Er war nah und wenn ich die Augen öffnen würde, könnte ich ihn dann auch sehen? 

Ich spürte etwas in meinem Haar - eine Hand, die durch meine Strähnen fährt, beruhigend und liebevoll. Ich spürte die Finger hauchzart auf meiner Kopfhaut, immer wieder die selbe Spur entlang gleitend, fast schon verträumt. 

Langsam öffnete ich meine Augen, erblickte zu erst den orange gefärbten Himmel und dann die Umrisse der Stadt. Die Sonne die langsam immer mehr von sich preis gab und ihr warmes Licht spendete, machte die gesamte Szene noch schöner. Dennoch gab es einen schöneren Anblick, und der befand sich auf meiner anderen Seite. Ich drehte also meinen Kopf, bis ich sein Gesicht gut sehen konnte. Seine geschwungenen Lippen waren zu einem sanften Lächeln verzogen und seine pinken Augen glitzerten mich voller Liebe an. 

"Guten Morgen." wünschte er mir nuschelnd und zog seine Hand vorsichtig aus meinem Haar. Mein Kopf lag auf seinem Schoß, und er saß mit mir an der Kante des höhsten Gebäudes dieser Stadt - sein Lieblingsort, wenn ich mich noch recht erinnere. Es gäbe keinen schöneren Platz um von den Toten wieder aufzustehen. "Hey.." brachte ich nur etwas kratzig hervor und zwang mir ebenfalls ein Lächeln auf die Lippen. 

"Sei nicht sauer weil ich dich umgebracht habe, aber Menschen sind meiner nicht würdig." schmunzelte er leicht und seine Finger glitten über meinen Arm zu meiner Hand. "Aber Schicksalschlächter schon?" ich hob leicht eine Augenbraue, konnte mir ein sachtes Grinsen nicht verkneifen. "Nein.. du bist eine Ausnahme." zwinkerte er sanft und beugte sich zu mir runter um mir einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Auch wenn ich viel lieber ihn umsorgte, ließ ich es geschehen. Mein Körper fühlte sich noch immer zu schwer an um mich zu bewegen. "Woher wusstest du das? Dass du mich umbringen musst, damit ich mich wieder an alles erinnern kann?" wollte ich wissen und blickte wieder dem Sonnenaufgang entgegen. 

"Menschen müssen sterben um aufsteigen zu können. Wir waren zu Menschen geworden, verursacht durch eine Illusion." erklärte er mir und ich senkte meinen Blick auf meine Hand, die auf meiner Brust ruhte. Ein Faden machte sich bemerkbar, so strahlend rot wie kein anderer. Glitzernd und kräftig. Der Anblick gefiel mir, fast so sehr wie ein nackter Louis. 

"Wie meinst du das? War unsere Liebe nur eine Illusion?" fragte ich dann und sah wieder zu ihm. Ich könnte ihm niemals glauben, wenn es wirklich so wäre. Alles was ich fühlte - was ich jetzt noch fühle, ist doch so wahr, so real. "Nein.." er lachte einmal leise um die friedliche Atmosphäre nicht zu zerstören die hier herrschte. Diese ruhigen und ernsten Momente mit ihm waren genauso erfrischend wie seine Diva-Momente. "Man sagt doch immer - wenn man fest an etwas glaubt, dann kann es geschehen. Ich denke das ist wahr. Wir kannten die Liebe nicht, da nur Menschen so etwas fühlen können. Die Liebe entspringt nur dem Fortpflanzungstrieb, und da wir diesen nicht haben, ist uns auch die Liebe abhanden gekommen. Das Band öffnete einen längst verschollenen Kanal in uns, weswegen wir sie fühlen konnten. Natürlich war alles neu und furchteinflößend. Wir dachten wir würden zu Menschen werden, und so kam es dann auch. Unsere eigentlichen Pflichten rückten in den Hintergrund und unser menschliches Leben in den Vordergrund. Letztendlich vergaßen wir ganz was wir einmal waren und gaben uns damit zufrieden. Wir waren eine Zeit lang wirklich menschlich." klärte er mich auf und blickte kurz zum Horizont auf. Die Sonnenstrahlen tauchten seine Iris in ein kraftvolles rosa, welches glitzerte und schimmerte. "Und wieso sind wir jetzt das, was wir sind?" hackte ich ruhig nach und hob leicht meinen Arm um einen Blick auf meine schwarze Kluft zu werfen. "Wie gesagt müssen Menschen sterben um als etwas höheres aufzusteigen." wiederholte er und sprach auch gleich weiter. "Selbst vor unserer Zeit waren wir Menschen.. Als ich niedergestochen wurde von Daniel, habe ich sie gesehen - meine Eltern." er machte eine kurze Pause, und ich merkte wie schwer es ihm fiel darüber zu reden.  "Ich weiß nicht was ein Mensch für Voraussetzungen erfüllen muss um wiedergeboren zu werden, und es kann mir auch egal sein, solange du diese hast." sein Blick senkte sich wieder auf mich und ich bemerkte wie seine Augen wässrig wurden. 

"Kann ich nur zurückgeben." lächelte ich sanft und setzte mich langsam auf um ihn an mich zu ziehen. "Was hat sich geändert an uns?" wollte ich wissen, denn die zwei neuen Flügelpaare an ihm waren sicher nicht schon vorher da. "Soweit ich weiß bin ich ein Seraph geworden, was kaum eine Veränderung ist.. und was du bist, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Äußerlich scheinst du dich nicht geändert zu haben." teilte er mir mit während seine Blicke an mir herunter glitten. 

"Wir haben auf jeden Fall genug Zeit es raus zu finden." lächelte ich optimistisch und erhob mich weiter in den Stand. Er tat es mir gleich und legte seine Lippen auf meine. In stiller Einigkeit, dass wir von nun an voraus blicken werden, küssten wir uns innig und liebevoll. Seine Lippen schmeckten immer noch so wie früher und auch sein Geruch war der selbe. Es hat sich also wirklich nicht viel geändert. 

Nachdem wir uns voneinander gelöst hatten, blickten wir uns nochmal lächelnd entgegen. "Achja.. ich habe noch was zu tun, komm mit." fiel es ihm anscheinend ein und er nahm mein Handgelenk. Seine Flügel klappten aus seinem Rücken und versetzten mich erneut in Staunen. Drei Flügelpaare, das oberste war so groß wie seine alten und die folgenden Flügelpaare darunter waren deutlich kleiner. Es wirkte majestätisch und imposant, doch nicht übertrieben oder over powered - was er bestimmt jetzt ist. "He.. meine Augen sind hier." grinste er so frech wie früher und zog mich zurück an die Kante des Gebäudes. Ich folgte ihm mühelos und blickte einmal in die Tiefe. "Vertrau mir.." kam es von Louis und er stieß sich ab, womit er mich zog. 

Kaum war ich in der Luft pulsierte das Adrenalin durch meine Venen. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper und ich hörte leises Geraschel hinter mir. Louis quiekte erschrocken auf und ließ mich los, als wäre eine heiße Kartoffel. Kurz dachte ich, ich würde fallen, doch ich tat es nicht. Ich drehte meinen Kopf so weit wie möglich nach hinten, nur um zu sehen dass nun auch aus meinem Rücken Federn sprossen. Im Gegensatz zum Seraph, hatte ich nur ein Flügelpaar, welches mit schwarzen Federn besetzt war. "Sie sind wunderschön!" hörte ich Louis aufgeregt sagen und ich spürte seine Nähe an mir. "Fast wie in einem Barbie Fairytopia Film, wo Barbie am Ende immer neue Flügel bekommt." quietschte er weiter erfreut. Anscheinend freute er sich mehr als ich mich selber. "Du denkst doch wohl nicht, dass das Ende ist oder?" lächelte ich verschmitzt und gewann seinen Blick. Auch er grinste leicht. "Oh nein.. " meinte er und flog ein paar Meter gen Sonnenaufgang. "Das ist erst der Anfang." jubelte er laut lachend und sah zu mir zurück. 

Ich folgte ihm eilig, darüber lächelnd, dass unsere Zeit erst jetzt so richtig begann. 

Rot ist die Farbe des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt