Vier

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Nach dieser seltsamen Reaktion setzte Frau Rosenberg sie am Ortsplatz ab, da sie noch in ihre Praxis musste. Lächelnd sah Marika sich um. Sie erinnerte sich noch an die alten Häuser, die gemütlichen Läden und an die wahnsinnig frische Luft von den Bergen, die ihr in der Stadt so sehr gefehlt hatte. 

Sie schlenderte die Straße runter und überlegte. Sie wollte dort arbeiten, wo sie mit den Kunden reden und ihnen helfen konnte. Schließlich blieben ihre Gedanken an der alten Apotheke hängen.

Als sie noch klein war, hatte sie Herrn Dorner gehört. Aber er war damals schon über achtzig gewesen und sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass er jetzt, mit über neunzig, noch arbeitete. Oder lebte.

Wie sie es in Erinnerung hatte, war die Apotheke neben dem Brunnen am Dorfrand. Der Brunnen sollte ein Symbol für den Frieden sein. Marika hatte ihn immer gemocht und lauschte einen Moment lang dem Plätschern des Wassers. Schließlich atmete sie tief durch und öffnete die Tür.

Alles bestand aus altem Eichenholz und es gab sogar noch die Säckchen mit Kräutern, wo man sich eine Teemischung selbst zusammenstellen konnte. Der Geruch nach Medizin und Düften wie Lavendel füllte den Raum, aber außer den Produkten und ihr war niemand da.

Sie nahm sich deshalb die Zeit, die einzelnen Fläschchen genau zu betrachten. Bis sie den Staub auf den Regalen bemerkte. Angewidert strich sie mit dem Finger darüber und verzog das Gesicht. Hier musste dringend geputzt werden.

Ein Fläschchen stand etwas abseits der anderen. Wie jedes war das Etikett handgeschrieben. Neugierig griff sie danach. Moorikalum stand darauf. Sie wusste, dass Medikamente komisch hießen, aber das war selbst für Hustensaft oder Abführmittel ein seltsamer Name.

"Kann ich Ihnen helfen?", erklang plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihr. Erschrocken ließ sie das Fläschchen fallen, welches in glitzernden Scherben auf dem Holzboden zerbarst. "Ich ... das ..." Die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie sich umdrehte. 

Im Türrahmen zu einem Hinterzimmer lehnte ein junger Mann. Kupferfarbene Locken fielen ihm ins Gesicht und zwei grüne Augen funkelten sie an. Er war ordentlich angezogen, aber man sah sofort, dass er müde war. Als er hätte er tagelang kein Auge zugetan. Er hatte etwas seltsam Dunkles an sich, das aber nicht bedrohlich wirkte.

"Es ... tut ... mir wirklich leid." Er seufzte. "Kein Problem." Er holte einen Besen. Marika wollte danach greifen. "Bitte lassen Sie mich das aufräumen, ich hab es schließlich kaputt gemacht. Und ich bezahle auch dafür." 

Er ließ sich den Besen abnehmen. "Das war unverkäuflich.", antwortete er und rieb sich über die Augen. Marikas Wangen brannten. Warum musste sie immer ins Fettnäpfchen treten? "Es war ein Versuch.", erklärte er. "Aber egal. Brauchen Sie was Bestimmtes?" Sie fegte die Scherben auf eine kleine Schaufel und schmiss sie in den Mülleimer neben dem Tresen.

"Also ... ich würde gerne hier arbeiten. Wäre das möglich?" Er musterte sie von oben bis unten und sie fühlte sich durchschaut, obwohl sie nicht mehr getan hatte, als ein Glas zu zerbrechen. "Ich brauche keine Hilfe." "Aber Sie sehen müde aus. Als wären Sie überarbeitet." Die Worte waren ausgesprochen, bevor sie darüber nachgedacht hatte. 

"Warum interessiert Sie das?", fragte er. "Weil ich mich um die Menschen um mich herum sorge." "Eine gute Voraussetzung für Apotheker. Wie heißen Sie?" Ihr Blick schoss hoch. "Marika Winters ... heißt das, Sie geben mir eine Chance?" "Eine Chance, um zu lernen, Marika."

Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Ich würde sehr gerne lernen. Aber eine Frage hätte ich noch. Herr Dorner ... wie geht es ihm?" "Er ist vor einem Jahr gestorben. Sie können gerne sein Grab besuchen." "Also haben Sie sein Geschäft übernommen, Herr..." "Jared. Einfach nur Jared. Sei morgen um sieben hier."

"Okay. Bis morgen." Sie verließ die Apotheke und konnte ihr Glück kaum fassen.

Der Zauberlehrling (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt