Nachmittags kümmerte Marika sich um das Lager. Unzählige Döschen, Fläschchen, Kisten und sogar an der Decke baumelnde Kräuterbündel befanden sich darin. "Alles muss nach dem Alphabet geordnet werden.", hatte Jared gesagt.
Seufzend krempelte sie die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit. Die Apotheke schloss um sieben Uhr wieder, aber Marika war gerade beim Buchstaben P.
Als ihre Armbanduhr halb neun anzeigte, räumte sie alles mit S ein. Sie hörte Schritte hinter sich und danach Jareds Stimme. "Du kannst nach Hause gehen, Marika." Sie wischte sich über die Stirn, die inzwischen schweißnass war.
"Schon gut, ich bin gleich fertig." In der Sekunde darauf spürte sie eine warme Hand auf ihrer Schulter. "Überarbeite dich nicht. Geh nach Hause." Er sagte es nicht grob, aber trotzdem ließ sein Ton keinen Widerspruch zu.
Murrend stand sie auf und sog daraufhin stark die Luft ein. Alles fühlte sich verkrampft an. Jared seufzte. "Siehst du? Ich geb dir was gegen die müden Muskeln mit."
Kaum hatte er ihr eine Dose mit violetter Salbe in die Hand gedrückt, schob er sie aus der Tür. Sie drehte die Dose zwischen ihren Fingern und roch kurz daran. Den Duft kannte sie nicht.
Sie ließ die Dose in ihre Tasche gleiten und ging die Straße rauf. Inzwischen war es dunkel und nur die alten Laternen spendeten ein fahles Licht.
Ihr fiel der unheimliche Mann von gestern wieder ein und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und kroch ihr bis ins Blut.
Reiß dich zusammen, du bist schließlich erwachsen!, rief sie sich innerlich zur Ordnung.
"Marika? Alles okay?" Erschrocken drehte sie sich um, aber an der Straßenecke, aus der die Stimme kam, stand nur Frau Rosenberg und verschloss die Tür ihrer Praxis. "Hallo, Frau Rosenberg. Ja, alles okay. Bei Ihnen?"
Die Ärztin lächelte schwach, als wäre sie müde. "Alles gut, Schätzchen. Nur viele Patienten. In letzter Zeit werden viele Leute krank."
Seltsam, in der Apotheke hatte sich doch kaum ein Kunde blicken lassen.
"Schade. Aber Sie werden doch nicht auch krank, oder?" Frau Rosenberg lächelte weiter, aber sie sah so blass aus. "Wenn, dann komm ich zu euch und alles wird gut." Ein Windhauch zog vorbei und ließ beide frösteln.
"Es ist sehr kalt für die Jahreszeit.", bemerkte Marika und zog ihre Jacke enger um sich. Die Ärztin gab nur ein Nicken zurück. "Meine Oma hat für solche Tage immer eine spezielle Suppe zubereitet. Ich hab das Rezept noch. Wollen Sie vielleicht morgen Abend zum Essen kommen? Sie könnten auch Ihren Neffen mitbringen! Wie hieß er noch? Max?"
Sie zuckte kurz zusammen, als hätte sie jemand geschlagen. "Ja. Wir kommen gern. Um acht?" "Perfekt! Dann bis morgen. Schönen Abend noch, Frau Rosenberg." "Dir auch, Kindchen.", flüsterte sie kaum hörbar.
*****
Am nächsten Morgen hievte Marika sich nur mit Mühe aus dem Bett. Jareds Salbe hatte zwar gewirkt, aber sie war aus irgendeinem Grund todmüde. Auf dem Weg zum Badezimmer wurde ihr schwindlig und sie musste sich an der Wand abstützen. Wurde sie etwa krank?
Etwas benommen ging sie zur Apotheke. Jared mischte irgendwas zusammen. "Guten Morgen, Marika.", begrüßte er sie, ohne den Blick zu heben. "Morgen.", murmelte sie etwas brüchig und hustete.
Jetzt sah er sie an, mit einer Mischung aus Besorgnis und etwas anderem, das sie nicht deuten konnte. "Bist du krank?" "Nein, alles gut." Er kniff die Augen zusammen, als würde er ihr nicht glauben. "Ich mach das Lager fertig. Gehen wir dann wegen den Kräutern?" "Natürlich."
Sie nickte nur und ging nach hinten. Ihre Hände zitterten leicht, als sie den Rest einräumte. Zumindest wurde sie bald fertig und Jared drückte ihr ein grünes Notizbuch und einen Füller in die Hand.
"Gehen wir.", sagte er und warf sich einen langen, schwarzen Mantel über. Marika folgte ihm den ganzen Weg über eher taumelnd. Jared warf ihr hin und wieder einen Blick über die Schulter zu, sagte jedoch kein Wort, bis sie am Waldrand ankamen.
Dort musste Marika sich an einem Baum abstützen. "Du bist krank.", stellte er fest. "Nein, es geht mir gut. Wirklich! Wenn du mir nicht glaubst ... Ich hab Frau Rosenberg und ihren Neffen heute Abend zum Essen eingeladen. Komm doch auch."
Einen Moment wirkte er wütend, aber dann seufzte. "Von mir aus. Aber jetzt komm. Ich zeig dir schnell, wo man das Beste gegen Kopfschmerzen herbekommt. Wir nehmen gleich was mit und machen dir einen Tee in der Apotheke, verstanden!?"
Marika nickte ergeben und folgte ihm.
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Der Zauberlehrling (Storyadaption)
FantasyNachdem sie ihren alten Job verliert, ihre Großmutter stirbt und sie aus ihrer Wohnung geschmissen wird, will die 18-jährige Marika in einem kleinen Dorf in den Bergen ein neues Leben beginnen. Nach einigen Rückschlägen findet sie Arbeit bei dem jun...