Zwölf

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Marika hatte Angst davor, etwas zu sagen. Sie hörte Jared einfach still zu, wenn er über Kräuter sprach, notierte sich alles in ihrem Notizbuch und half ihm, so gut sie konnte. 

Ob Jared auch mit ihr reden wollte, konnte sie nicht sagen. Er verhielt sich nicht distanziert, nur ... kalt.

Auf dem Rückweg fasste sie sich ein Herz. "Jared ... wie geht's jetzt eigentlich weiter?" Ihre Stimme war so leise, dass sie befürchtete, er hätte sie nicht gehört. "Von was redest du!?", rief er plötzlich laut und fuhr herum.

"Es war immer so! Wenn du denkst, du kannst den normalen Leuten hier helfen ... GUT!!! Bring dich ruhig selbst um! Ist ja nicht so, als wärst du ohne Magie völlig nutzlos!" Seine Worte fühlten sich wie ein Schlag in den Magen an.

"Ich kann nichts dafür.", flüsterte sie mit zittriger Stimme. Er seufzte. "Das ist es ja gerade. Du wusstest von all dem nichts. Jetzt aber schon und nun muss ich auch noch auf dich aufpassen!" Wut stieg in ihr auf.

"Niemand muss auf mich aufpassen! Du bist schließlich derjenige, der fast durchbohrt worden wäre! Ich kann auf mich selbst aufpassen!" "Das hat man ja gesehen. Ein Paket Geschenk von irgendjemanden annehmen ... Wirklich intelligent. Dachtest du ernsthaft, jemand legt eine teure Goldkette einfach so vor deiner Tür ab!? Weißt du, als du in die Apotheke gekommen bist, hatte ich gehofft, du könntest den Betroffenen hier einfach mit der Medizin helfen und alles wäre in Ordnung."

"Und spielst weiterhin allein Streifenpolizist!?" "Ja, weil ich mich mit Magie verteidigen kann. Du nicht! Auf mich haben sie es nicht abgesehen. Auf dich schon! Verstehst du das Dilemma jetzt!?"

"Was genau wollen die von mir? Ich bin also eine Laune eurer Natur. Ich hab eben keine Magie. Na und?" "Du bist etwas, das sie noch nie gesehen haben. Deine Großmutter war dafür bekannt, dass sie keine skrupellose Zauberin war. Genau wie deine Mutter. Sie haben die beiden immer angegriffen; sie nie in Ruhe gelassen. Aber sie haben sich gewehrt. Du kannst dich nicht wehren. Sie wissen nicht was du bist, deshalb wollen sie dich loswerden. Und recht schwere Arbeit haben sie da nicht."

"Ich bin nicht hilflos, Jared. Ich..." Was war sie eigentlich? Ein normaler Mensch? War das so falsch?

Sie holte tief Luft. "Meine Oma sagte immer, dass wir mit allem fertig werden können, wenn wir es nur wollen. Ich will euch helfen. Aber ich weiß nichts über Magie, darum brauche ich deine Hilfe."

Er blickte sie unsicher als würde er zwischen den Stühlen stehen. "Na gut. Ich bringe dir was bei. Aber du musst vorsichtig sein. Magie ist kein Kinderspiel." Marika musste an seine Verletzung denken.

"Das hatte ich auch nicht erwartet."

*****

Zurück in der Apotheke stellte Jared einen Stapel Bücher vor ihr ab. "Wir gehen das alles durch. Je früher du Bescheid weißt, desto besser." Marika krempelte ihre Ärmel hoch und nickte entschlossen. "Fangen wir an."

Das meiste waren alte Aufzeichnungen über Rabensdorf. Alles Notizen von Bürgern, die die Zauberer in all den Jahren zu fürchten gelernt hatten. Viele wurden bis vor hundertfünfzig Jahren als Hexen verurteilt und verbrannt. Das war angeblich nur mit sogenannten Halbblütern zu schaffen, die als Einzige Flüche über die Zauberer sprechen konnten, sonst aber keine Kräfte besaßen. Zauberer untereinander waren dazu nicht in der Lage.

"Gibt es solche Halbblüter noch?", fragte Marika, als es draußen bereits dämmerte. Jared schüttelte müde den Kopf. "Der letzte war ein Mann namens Timothy Winder und der starb vor gut achtzig Jahren."

"Ich will ja nicht stören.", erklang Saphiras Stimme und die kleine Fee ließ sich auf dem Bücherstapel nieder. "Aber kann es sein, dass du ein Halbblut bist, Marika? Warum solltest du sonst keine Kräfte haben?"

"Das würde auch erklären, warum die anderen Zauberer Angst vor dir haben.", meldete Chalid sich zu Wort. "Der Gedanke ist gar nicht so abwegig.", überlegte Jared. "Wer ist dein Vater, Marika?" Sie schüttelte den Kopf.

"Der ist noch gestorben, als Mama mit mir schwanger war. Er war Geschäftsmann und als für ein Gespräch in die USA reisen wollte, ist das Flugzeug im Atlantik abgestürzt." "Seltsamer Zufall, oder?", brummte Chalid, was ihm einen bösen Blick von Jared und Saphira einbrachte. 

"Selbst wenn. Warum sollte mich meine Mutter deswegen anlügen?" Saphira seufzte. "Ich will jetzt nicht so gefühllos wie die Schuppenkerze wirken, aber was, wenn deine Mutter wusste, welche Folgen eine Beziehung mit einem normalen Menschen hat und sich deswegen vor deiner Geburt von ihm getrennt hat?" 

Marika dachte nach. Ihre Mutter war immer schon der Typ Frau gewesen, die alles allein und ohne Hilfe hinbekommen wollte. "Also bin ich vielleicht so ein Halbblut? Und ich kann vielleicht diese Idioten verfluchen? Wie finden wir heraus, ob unsere Theorie stimmt?"

"Ganz einfach", meinte Jared. "Du verfluchst mich."

Der Zauberlehrling (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt