Neun

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Als Marika am nächsten Morgen aufwachte, war Jared bereits verschwunden. "Elender Dickschädel.", rief sie ins leere Wohnzimmer und wollte nach dem Frühstück sofort in die Apotheke, als sie jemanden auf der anderen Stradenseite entdeckte.

Der unheimliche Mann aus dem Wald!

Sie beschleunigte ihre Schritte, aber er hatte sie längst gesehen und eingeholt. "Fräulein Winters!", flötete er. "Schön, Sie zu sehen!" Er legte wie ein guter Freund einen Arm um sie.

Ihr wurde kalt und sie befreite sich aus seinem Griff. "Wenn Sie meinen.", sagte sie leise und wollte schnell weiter. Er ließ sich nicht abwimmeln und versperrte ihr den Weg. "Aber, aber. Haben Sie denn keine Zeit zum Quatschen?"

"Nein, hat sie nicht.", hörte sie plötzlich Jared sagen, der hinter ihm aufgetaucht war. "Lass meinen Lehrling in Ruhe, Florian." Er kicherte wieder und Marika war froh, dass sie sich durch die Ablenkung schnell neben Jared stellen konnte.

"Du bist doch höchstens drei Jahre älter als sie. Ist es nicht merkwürdig, da ihr Lehrmeister zu sein?" "Jetzt verzieh dich schon!", knurrte Jared und Florian warf einen Blick auf Jareds Bauch, als wüsste er, dass er dort verletzt ist.

"Schon gut." Er machte einen Schritt auf Marika zu und griff nach dem Anhänger. "Eine wunderschöne Kette haben Sie da, Fräulein Winters." Er ließ sie abrupt wieder los und ging kichernd davon.

"Was wollte er von dir?", fragte Jared auf dem Weg zur Apotheke. "Ich weiß es nicht." Plötzlich bekam sie dieselben Kopfschmerzen wie am Vortag und wurde von heftiger Kälte durchgeschüttelt.

"Marika, nimm die Kette ab!" Sie verstand gar nichts mehr. Was hatte die Kette mit ihren Kopfschmerzen zu tun. Von einem Moment auf den anderen verschwamm die Welt und sie fiel auf den Gehsteig. Jared wollte nach ihrer Kette greifen, aber durch den Schleier, den sie vor Augen hatte sah es aus, als würde er sich daran verbrennen.

"Marika, du musst die Kette abnehmen! SOFORT!!!" Mit letzter Kraft zog sie sich das goldene Band über den Kopf und warf es weg.

Danach versank die Welt in Dunkelheit.

*****

Langsam öffnete sie die Augen. Ihr Schädel dröhnte und sie hatte ein leichtes Rauschen in den Ohren.

Ihre Umgebung wandelte sich nach und nach von Konturen und Schatten zu Möbeln. Sie bemerkte erst jetzt, dass sie in einem Bett und nicht mehr auf dem Gehsteig lag.

"Geht's wieder?", hörte sie Jared fragen, der sich an den Rand des Bettes setzte. "Wo bin ich?", flüsterte sie. "In der Dachkammer der Apotheke. Hier hatte Herr Dorner so eine Art ... Quartier. Das Bett, Bücher, einen Schreibtisch und so." "Aha." Sie setzte sich etwas zu schnell auf, woraufhin sie wieder zurück in das weiche Kissen sank.

"Langsam.", sagte er und gab ihr ein Glas Wasser. "Was ist passiert?", fragte sie und nahm vorsichtig einen Schluck. "Du bist umgekippt." Sie griff sich an den Hals, wo sich vorhin noch die Kette befunden hatte.

"Warum sollte ich die Kette unbedingt loswerden?" "Was meinst du?" Jetzt spielte er mit ihr. Er log sie an und das wusste sie. "Verkauf mich nicht für dumm, du hast mich gerade noch angeschrien, dass ich das Schmuckstück sofort ablegen soll. Also, was ist damit?" 

Er sah kurz aus dem Fenster, als würde er überlegen. "Schlaf noch ein wenig. Es würde mich nicht wundern, wenn du Fieber hättest." "Warte! Was ist mit dir? Wie hast du mich mit deiner Verletzung hierher gebracht?" "Ich bin Apotheker, Marika. Ich hab Salbe drauf getan."

"Das ist nicht mal zwölf Stunden her und du willst mir erzählen, dass es schon verheilt ist oder zumindest nicht mehr wehtut?" Er zuckte mit den Schultern. "Ich bin eben ein guter Apotheker. Ich hab dir auch noch einen Tee hingestellt. Den solltest du trinken."

Marika schaute ihm ungläubig hinterher. "Der hat sie doch nicht mehr alle.", murmelte sie. 

Der Zauberlehrling (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt