Acht

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Der Tee wirkte Wunder und Marika fühlte sich deutlich besser. Sie hatte sich alles notiert, auch wenn Jared sich bei der Zubereitung kaum über die Schulter hatte schauen lassen.

Bis Feierabend putzte sie noch die Fenster. Jared war nochmal losgegangen, um etwas Kamille zu holen. Es war ganz ruhig, bis sie plötzlich ein seltsames Geräusch aus dem Hinterzimmer hörte.

Es gab nur die eine Eingangstür, also konnte es kein Einbrecher sein. Neugierig schlich sie zum Türrahmen. Das Geräusch kannte sie, aber in diesem Moment wusste sie es nicht zuzuordnen.

Sie lugte vorsichtig in den Raum. Ein Scheppern erklang. Da war niemand. In einer Ecke lagen ein paar Kisten mit leeren Flaschen und ein Besen. Das Fenster war verschlossen.

Sie schüttelte den Kopf. Hatte sie jetzt Halluzinationen?

Kopfschüttelnd ging sie zurück zu den Fenstern und beschloss, die Sache für sich zu behalten. Bis Jared zurückkam, blieb alles still.

*****

"Um acht.", sagte sie zwinkernd, als ihre Sachen zusammenpackte. Jared brummte etwas Unverständliches, woraufhin sie kichern musste.

Lächelnd stellte sich zu Hause in die Küche und holte das Rezept ihrer Oma hervor. Es war eine Gemüsesuppe mit Kräutern, die im Winter perfekt war.

Dazu backte sie selbst Brot und gab ein paar Zitronen in gekühltes Wasser. Im Haus gab es einen Speisesaal und einen langen, alten Tisch, der wie aus einer anderen Zeit wirkte.

Marika deckte alles auf und rührte geduldig in der kochenden Suppe, bis es klingelte. Sie wischte sich die Hände ab und öffnete die Tür.

Frau Rosenberg und Max standen davor. Marika hatte den Neffen der Ärztin zuletzt als kleines Kind gesehen. Damals war er im Gymnasium gewesen. Er musste ungefähr zehn Jahre älter sein.

Seine Haare waren etwas dunkler als früher, aber er hatte noch immer dieselben funkelnden blauen Augen. "Hallo, ihr zwei. Schön, dass ihr kommen konntet." Max gab ihr eine Weinflasche in die Hand.

"Danke für die Einladung. Wow, ich kann mich noch erinnern, als du so ein kleiner Knirps warst. Und jetzt bist du fast erwachsen!" "Haha, ich bin erwachsen! Was ist mit dir? Du bist fast dreißig."

"Ja, ich bin mitten im Medizinstudium, um in Anitas Fuẞstampfen zu treten. Nicht wahr, Tante?" Frau Rosenberg ließ ihren Blick durch das Haus gleiten. Sie wirkte ein wenig verloren.

Marika sah besorgt zu Max, der sich auf die Lippe biss. "Tante Anita!" Sie drehte sich um. "Was? Wie bitte? Ach ja, Max übernimmt nach seinem Studium die Praxis."

Marika deutete auf die Tür zum Speisesaal. "Wollen Sie sich schon mal setzen? Ich erwarte noch jemanden." Sie holte Weingläser aus dem Schrank und schenkte jedem eins ein.

"Du arbeitest jetzt bei diesem Jared in der Apotheke, oder?", fragte Max. Frau Rosenberg starrte wieder gedankenverloren aus dem Fenster. Marika drehte ihr Glas. "Ja, er wollte eigentlich auch noch kommen."

Sie redeten noch eine Weile über eher belangloses Zeug. Die Uhr zeigte schließlich halb neun an. Marika gab die Hoffnung schon auf und wollte zumindest ihren anderen beiden Gästen servieren, als es erneut klingelte.

Sie warf den beiden einen entschuldigen Blick zu und ging zur Tür. Kaum öffnete sie diese, fiel ihr Jared beinahe in die Arme. "Was ist denn mit dir passiert!?", rief sie erschrocken und musste sich einen Schrei unterdrücken, als sie warmes Blut an ihren Fingern spürte.

"Ich bin ... hingefallen.", murmelte er, stöhnte aber schmerzerfüllt, als sie ihm bis zur Couch half. "Und dabei hast du dich aufgespießt!?" Er gab keine Antwort. Marika stampfte wütend in den Speisesaal.

"Jared ist verletzt!", informierte sie die beiden. Max sprang sofort auf, während Frau Rosenberg auf merkwürdige Weise die Augen zusammenkniff und ihrem Neffen nur langsam ins Wohnzimmer folgte.

Marika holte einen Verbandskasten aus der Abstellkammer und rannte ins Wohnzimmer zurück. Max sah sich Jareds Wunde an. "Wie ist das passiert!?", verlangte nun auch er zu wissen.

Jared drehte den Kopf zur Seite wie ein bockiges Kind, sah dann erst Marika an und dann wieder die Wand. "Ich bin gestolpert und bin genau auf ein Glas gefallen, das ich in der Hand hatte."

Max seufzte. "Jared, bei allem Respekt, aber für ein Glas ist die Wunde zu groß." Jared sagte daraufhin nichts mehr. Marika reichte Max den Verbandskasten.

"Soll ich einen Krankenwagen rufen?", fragte sie leise. Max sah zu Jared, der dem Spruch wenn Blicke töten könnten gerade alle Ehre machte. "Er schafft das schon.", krächzte Frau Rosenberg auf einmal und holte ihre Jacke. "Max, du kriegst das allein hin. Ich bin sehr müde. Marika, danke für die Einladung."

Eher irgendjemand noch ein Wort sagen konnte, schloss sie schon laut die Haustür hinter sich. Max kümmerte sich so gut wie möglich um die Wunde.

Schließlich stand er auf und ging zu Marika, die im Speisesaal gewartet hatte. "Ein richtiger Arzt im Krankenhaus könnte es zwar besser, aber fürs Erste muss es es reichen.", sagte er und sie schenkte ihm ein Glas Wein ein.

"Danke. Kann ich dir von der Suppe was mitgeben? Ich weiß nicht, was ich sonst damit machen soll." "Klar, gerne. Sie füllte ein paar Schöpfer in eine verschließbare Box und reichte sie ihm.

"Komm gut nach Hause. Vielleicht lässt sich das Essen ja nachholen." "Das würde mich freuen. Und pass gut auf Jared auf. Er darf sich nicht zu viel zumuten." Sie nickte und wollte die Tür schließen, als er sich ihr herunter beugte. "Das war kein Unfall, Marika.", flüsterte er. "Jemand hat ihn angegriffen!"

Sie brachte kein Wort heraus.

Max nickte ihr zum Abschied zu, eher er sich umdrehte und in der Dunkelheit verschwand. Marika ging ins Wohnzimmer, wo Jared sich mit zusammengebissenen Zähnen hochstemmte.

Sie setzte sich neben ihn aufs Sofa. "Du kannst heute Nacht hierbleiben. So schaffst du es nicht nach Hause." "Nein.", knurrte er nur und wollte ganz aufstehen, aber er knickte ein und fiel wieder auf die Couch zurück.

Marika seufzte und rieb sich müde über die Augen. "Siehst du? Jetzt leg dich hin! Ich hol dir ein Kissen und eine Decke. Hast du Hunger? Ich mach dir was von der Suppe warm."

"Nein.", brummte er erneut, aber diesmal klang es ergeben. "Willst du mir verraten, was der wahre Grund für die Verletzung ist?", fragte sie.

Er sah auf ihre Kette. Dann schloss er die Augen. "Nein.", flüsterte er.

Der Zauberlehrling (Storyadaption)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt