Aice Nandina | Kapitel 6

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Durch die Zeit des Spielens mit Flax war es nicht schwer Meleena wenige Stunden später dazu zu überreden, ins Bett zu gehen.
Sie lag noch nicht einmal richtig unter den Laken, da schlummerte sie auch schon tief und fest. Durch die letzten Wochen,war ich es gewohnt mit ihr in einem Bett zu schlafen, also versuchte ich mich vorsichtig neben ihr auszubreiten, ohne sie noch einmal aufzuwecken. Selbst im Schlaf schien Meleena meine Nähe zu spüren und rückte, trotz der Kälte die ich ausstrahlte, zu mir und kuschelte sich an mich.
Ich schaute ihr eine ganze Weile beim Schlafen zu und versuchte selber die Ruhe zu finden, um meine Augen zu schließen.
Immer wieder versuchte ich es, indem ich mich zwang die Augen geschlossen zu halten und an nichts zu denken. Aber jedes mal wenn ich versuchte, mich zu entspannen, tauchten Bilder der Spiele vor meinen Augen auf.
Es war, als würde ich wieder in unseren Wohnzimmer sitzen müssen und dabei zusehen, wie unschuldige Jugendliche, sich gegenseitig zu töten. Wie mein Vater in dieser Zeit nie da war, und meine Mutter immer stolz erklärte, dass diese Falle eine Idee meines Vaters gewesen war, wenn wieder ein Tribut gestorben war.
Ich musste zu schauen, ohne es zu wollen. In diesen Tagen, hatte ich versucht,wie die anderen im Kapitol, die Tribute als Spielfiguren zu sehen und nicht als Menschen aber ich konnte es nicht. Sie waren Lebewesen, mit einer Geschichte und Familie, die zu hause auf sie warteten. Dann kam die Rebellion und alles ging drunter und drüber. Überall waren Tote, überall Angst. Ich wurde mit Meleena früh von meiner Familie getrennt, was anscheinend unser Leben rettete. Jedes mal, wenn sie wieder bestimmte Tote, die sich einfach in meine Erinnerungen gebrannt hatten, in mein Gedanken schlichen, riss ich die Augen wieder auf. Immer noch hell wach.
Als ich nach mehreren Stunden nicht mehr ruhig liegen konnte, stand ich vorsichtig auf. Ich wollte Meleenas nicht wecken und schlich deswegen leise aus dem Zimmer.
Ich dachte ich wäre die einzige die noch wach war, aber der laufende Fernseher im Untergeschoss belehrte mich eines besseren.
Leise schlich ich die Treppe hinunter, um zu sehen wer dort unten zu so später Stunde noch wach war und entdeckte Peeta auf dem Sofa sitzen. Zwar starrte er auf den Bildschirm, auf den Caesar und Plutarch, der auch bei den diesjährigen letzten Spielen die Rolle des Hauptspielmachers übernehmen würde, über die Siegeschancen der diesjährige Tribute diskutierten, aber wirklich etwas mitbekommen schien er nicht.
Vorsichtig ging ich etwas näher an ihn heran, doch irgendetwas in mir sagte, dass ich mich lieber erst bemerkbar machen sollte, bevor ich ihn berührte.
„Peeta?“, fragte ich deswegen leise. Sein Kopf schoss sofort zu mir herum. Seine Augen wirkten dunkler als üblich und als wenn er mich nicht wirklich sehen würde. Es war bekannt, dass er mit Jägerwespengift gefoltert worden war und das er immer noch mit den Auswirkungen davon kämpfte.
Ich blieb ruhig stehen und hoffte, dass er selber erkannte, dass ich ihm nichts böses wollte. Lange dauerte es auch nicht. Sein Blick schien sich zu klären und endlich schaute er mich wirklich an.
„Aice? Solltest du nicht schlafen?“, brachte er räuspernd hervor.
„Kann nicht schlafen. Wahrscheinlich bin ich zu nervös wegen morgen.“, gab ich zurück. Unsicher blieb ich auf der Stelle stehen. Ich wusste nicht, ob er lieber alleine sein wollte, oder ob es okay war, dass ich hier war. 
Er schien meine Unsicherheit zu spüren. Kurz sah Peeta mich an, bevor er neben sich auf das Sofa klopfte und mich damit einlud, neben ihm Platz zu nehmen.
Ich ließ ihn nicht zwei mal bitten und umrundete schnell das Möbelstück, um mich neben ihn zu setzen. Reflexartig zog ich meine Beine an meinen Oberkörper und umfasste sie mit meinen Armen. Zu hause hatte ich immer so gesessen, damit ich mich selber etwas wärmer halten konnte.
Ohne das ich gefragt hätte, griff Peeta nach einer Decke neben sich und legte sie mir über die Schultern.
Ich dankte ihn leise und kuschelte mich in den Wollstoff.
Eine Weile starrten wir nur auf den Bildschirm, bevor Peeta erklärte: „Vernachlässige morgen und in den nächsten Tagen einfach nicht die Überlebensstationen. Fallen stellen und wissen wie man im Notfall ein Feuer macht, können überlebenswichtig sein.“
Ich murrte nur zustimmend und schaute dann wieder auf meinen Mentor, dessen Gesicht weiterhin auf den Bildschirm gerichtet war.
„Denkst du oft an die Arena?“ Ich wusste nicht ob es okay war, ihm so eine Frage zu stellen, aber wenn er es überhaupt akzeptierte, dann in so einen Moment. 
Es dauerte eine Weile, bevor er reagierte und ich war mir schon sicher, dass es ein Fehler war.
„Jede Nacht“, gab er leise zu. „Tagsüber kann man sich gut ablenken aber nachts kommen die Erinnerungen.“
„Tut mir Leid.“
„Warum?“, fragte er mich und schaute mich endlich wieder an, „Ist ja nicht so, dass du die Spiele erfunden hast, oder einen von uns ausgewählt hast.“
„Aber ich habe die Spiele immer geschaut,ohne zu versuchen etwas dagegen zu tun.“
„Hast du sie gemocht?“
Dieses mal war es an mir kurz auf zu lachen. 
„Was denkst du warum ich hier unten sitze. Ich bin so ein Schwächling, dass ich selbst dadurch Alpträumen habe, nur weil ich zugeschaut habe.“
„Ich würde behaupten, du bist einfach gutherzig. Seltene Gabe hier im Kapitol.“ Peeta schmunzelte und dadurch musste ich es auch. Selbst durch den Fernseher, als er noch Tribut war, hatte er diesen unglaubliches Charisma, was die Kapitolleute ihn lieben lies, aber ihn wirklich vor mir zu haben, verspürte ich auch, dass es wirklich nicht gespielt war, sondern natürlich.
„Es wird mir aber keine große Hilfe in der Arena sein.“, gab ich zu bedenken und unser beider schmunzeln verschwand.
Nachdenklich schaute Peeta wieder auf den Fernseher.
„Vielleicht doch. In der Arena verändert sich jeder irgendwie. Erst dort drinnen weißt du wirklich, zu was du fähig bist. Du hast deine Nichte. Für sie willst du kämpfen und das ist ein guter Grund.“
Murrend stimmte ich ihn zu, als Caesar gerade im Fernsehen, die Menge zum lachen brachte, mit der Geschichte von Katniss und den Apfel in ihrer ersten Bewertung durch die Spielmacher. Die Geschichte war mittlerweile offiziell und auch der Part, den Plutarch darin gespielt hatte.
Immer wenn Katniss´ Name erwähnt wurde, trat wärme in Peetas Augen.
„Du liebst sie wirklich, oder?“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
Peetas Blick jedoch wurde ein wenig trauriger.
„Ich denke ich habe sie auf jeden Fall geliebt. Aber selbst wenn ich es schaffe, alles zu ordnen und meine Gefühle wiederzufinden; wie sollte sie mir jemals verzeihen? Ich habe zweimal versucht sie umzubringen und schlimme Dinge gesagt.“
„Trotzdem habt ihr euch gegenseitig beschützt während der Rebellion.“, gab ich zu bedenken und Peeta nickte abwesend. 
Ich lehnte meinen Kopf vorsichtig an seine Schulter und hoffte, dass er nichts dagegen hatte. Nur kurz verkrampfte er sich, bevor er sich selber entspannte und etwas mehr zurück lehnte. 
In der Berührung war nichts leidenschaftliches. Nur zwei Menschen, die die Nähe eines anderen brauchten.
Mit beiden Händen umschloss ich leicht seinen Arm und kuschelte mich etwas fester an ihn. In unserer Familie war es nicht normal, dass man sich an jemanden anderen anlehnte, aber erst jetzt merkte ich, wie sehr ich das alles vermisst hatte.
„Schlaf.“, murmelte Peeta an meinen Kopf wie einen liebevollen Befehl. „Ich verscheuche die Alpträume in der Weile.“
Schmunzelnd wollte ich noch sagen, dass dies niemand konnte, doch ich war schon ein geschlummert, bevor ich die Augen überhaupt richtig geschlossen hatte.

Aice Nandina | Wenn Liebe zum Spiel wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt