Aice Nandina | Kapitel 28

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Der Morgen kam schnell und unerwartet. Gerade eben kuschelte ich mich noch in Seezth Umarmung und im nächsten zerriss ein Kanonenschuss die Luft. Ich fuhr fast senkrecht nach oben, genau wie mein Partner neben mir, nur das er daraufhin gleich schmerzhaft zusammenzuckte. 
„Verdammt. Geht das nicht leiser.“, beschwerte er sich und hielt sich die Seite. 
Selber war ich schon dabei mit rasenden Herzen aufzuspringen. Es hatte so nah geklungen.
Nio...
Ich war noch nicht einmal richtig aufgestanden, als die Person, um die ich mir Sorgen machte, gemütlich herein geschlendert kam. Schneller als ich dachte, dass ich sein konnte, war ich bei ihm und drückte ihn so fest ich konnte.
„Womit hab ich das denn verdient.“, fragte er verdutzt.
„Wir sind gerade aufgewacht.“; erklärte ich atemlos, „und der Kanonenschuss... er hatte so nah geklungen.“
„Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht?“ Ein Schmunzeln wurde breit auf seinem Gesicht und ich schlug ihm gegen die Schulter.
„Ja verdammt nochmal.“
„Gut“ Damit ging er an mir vorbei und ließ mich verwirrt stehen.
Gut? 
Ich machte mir Sorgen um ihn und seine einzige Antwort war gut? Gestern beschwerte er sich noch, dass ich Seezth zufiel Aufmerksamkeit zu kommen lasse und zu sehr vertraue und jetzt so was? Von seinen Gemütsschwankungen würde ich noch eine Gehirnerschütterung bekommen, wenn das so weiterging!
„Na wie geht es unseren Sonnenschein.“, begrüßte Nio sarkastisch Seezth, der immer noch irgendwo zwischen sitzen und liegen war.
„Wunderbar“, presste dieser zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
„Wunderbar sieht bei mir aber anders aus.“
„Tja, kann ja nicht jeder so toll sein wie du.“, knurrte Seezth feindselig.
Hoppla. Heute waren wohl beide mit dem falschen Fuß aufgestanden.
Ich ging zwischen die beiden auf die Knie, um zu verhindern, dass sie sich wegen ihrer schlechten Laune noch gegenseitig an die Gurgel gingen.
„Zeig mal her.“, befahl ich Seezth und er zog brav die Hand weg. 
Ein roter Fleck hatte sich schon durch den sonst sauberen Verband gesaugt.
„Mist.“, gaben wir alle drei zugleich von uns. Gegenseitig starrten wir uns an. Waren wir gerade das erste mal alle einer Meinung gewesen?
Nio hatte sich als erstes wieder gefangen und stand auf, um im hinteren Eck des Füllhorns was herum zu kramen. Er brachte wieder zwei Tabletten hervor. Die gleichen wie am Tag zu vor. 
Seezth nahm nur die für die Blutgerinnung.
„Ich brauch keine Schmerztablette.“, behauptete er. Unser Verbündeter schien das anders zu sehen. Mit hochgezogener Augenbraue, schoss seine Hand so schnell an mir vorbei, dass ich überhaupt keine Zeit hatte zu reagieren, und drückte auf Seezths Wunde. Dieser krümmte sich schmerzhaft in Embyostellung zusammen und begann heftig zu atmen. 
„Bist du wahnsinnig?“, brüllte ich Nio an und griff nach Seezth Schulter, wusste aber auch nicht wie ich ihm gegen die Schmerzen helfen sollte. Zwar kam wieder einmal kein Laut über seine Lippen, aber seine Haut war wieder ein wenig grauer geworden, als sie noch zuvor war.
„Ich wollte ihm nur zeigen, dass er die hier“, er hielt mir die Tablette so nah vor die Nase, dass ich hätte schielen müssen, um sie klar zu sehen, „sehr wohl braucht.“ 
Ohne mich weiter zu beachten, drückte er sich an mir vorbei und griff nach der Wasserflasche. Danach half er Seezth sich wieder einigermaßen aufzusetzen und sorgte dafür, dass er beide Tabletten nahm.
Mein Partner musterte seinen Gegenspieler wütend, sagte aber nichts.
„Ich leg mich eine Weile hin. Kannst du ein Weile Wache übernehmen?“ Nio fragte mich ganz sachlich, wodurch ich nicht anders reagieren konnte, als zu nicken.
„Danke.“, murmelte er, bevor er sich einen weiteren Schlafsack aus der Ecke zog und sich darauf ausbreitete. Es dauerte keine zwei Sekunden bis er friedlich schlief. Ich hoffte einfach, dass er bessere Laune hatte, wenn er wieder wach sein würde. Schnell suchte ich Seezth noch etwas Brot zusammen und gab es ihn. Ich legte auch etwas bei Nio hin, versuchte aber ihn dabei nicht zu wecken.
Danach ging ich unseren Slalom nach draußen. 
Die Sonne war gerade erst am Aufgehen, doch die Hitze kroch schon in die Dünnnische, in der das Füllhorn lag. 
Bevor ich den Schutz des Füllhorns komplett verließ, suchte ich noch nach einer passenden Waffe. Die Spielmacher hatten sogar an mich gedacht und mir einen Doppelklingenstab zur Verfügung gestellt. Sehr nett von ihnen. Wahrscheinlich waren sie der Meinung, dass ich nach meiner Vorstellung den Platz eines der Karrieros einnehmen würde. Genau wie Seezth und Nio... Ups.
Es war nicht mein Problem, dass sie Menschen anscheinend nicht einschätzen konnten.
Ich beeilte mich auf das Füllhorn zu klettern, bevor die Sonne es aufheizen würde. Solange kein Fernkämpfer kommen würde, war es hier oben perfekt sicher. 
Doch ich machte mir vollkommen umsonst Sorgen.
Niemand kam.
Nicht einmal eine Eidechse.
Das einzig nervige war nur die Hitze, die auf mich unerbittlich nieder brannte. So bevorzugt ich in der Nacht wegen der Kälte war, so benachteiligt war ich doch am Tag. Schnell bereute ich es, mir nichts zutrinken mit genommen zu haben aber ich wollte auch nicht nach so kurzer Zeit schon wieder nach unten gehen. Wahrscheinlich würden Seezth und Nio nur über mich Lächeln und als kleines Mädchen, welches nicht auf sich alleine aufpassen konnte, abstempeln. Darauf hatte ich nun wirklich keine Lust.
Wo eben die Stärke nicht war, war zumindest der Dickschädel.
Erst als Nio wieder herauskam und meinte, dass er wieder übernehmen würde, sprang ich runter in den aufgewärmten Sand. 
Mir war schwindelig von dem Wasserentzug, doch ich versuchte es Nio nicht zu zeigen. 
Er sagte auch nichts, sondern setzte sich in eine schattige Ecke, da er nicht aufs Füllhorn hochklettern konnte. Dabei würde er sich nur verbrennen.
Seine Laune schien immer noch nicht wirklich besser zu sein aber wenn er unbedingt schmollen wollte, sollte er doch. 
Ich hatte wirklich andere Probleme. Zum Beispiel wie ich ins Füllhorn komme, und damit zu meinen Wasser, ohne umzukippen.
Irgendwie gelang es mir sogar.
Im inneren fühlte es sich sehr viel angenehmer an, als draußen. 
Unelegant ließ ich mich neben Seezth plumpsen und nahm einen kräftigen Schluck. Er beobachtete mich zwar, sagte aber nichts.
So ging es den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht.
Nio und ich wechselten uns alle paar Stunden ab mit der Wache. Wenn wir uns ausruhen konnten schliefen und aßen wir. Niemand kam, aber noch zweimal ertönte der Kanonenschuss. Irgendjemand da draußen machte jagt und ich hatte so eine Art Befürchtung, dass ich wusste, wer es war.
Am Abendhimmel erschienen die Gesichter der beiden Vertreter von Distrikt Sechs und das Mädchen aus Elf.
Dreizehn waren schon Tod. Elf lebten noch. Bis jetzt ging es uns noch ganz gut, aber irgendwann würden wir uns auch bewegen müssen aber wir hatten nichts, was Seezth Wunde heilen konnte; nur Dinge, die es ihm angenehmer machten. Mal ging es ihm ein wenig besser, mal schlief er wieder. Die Wunde hörte nie wirklich ganz auf zu bluten und ich begann mir ernsthaft Sorgen zu machen. 
Bei den Preisen, die solche Medizin kostete, wäre es ein Wunder wenn Peeta, so früh im Spiel, genug Sponsoren zusammen bekommen würde, die es zahlen würden. Schließlich taten wir nicht viel, außer herumspritzen und warten. 
Das Wunder geschah jedoch trotzdem kurz vor Sonnenaufgang. 
Ich saß gerade auf wieder in meiner Ecke auf dem Füllhorn und versuchte krampfhaft nicht einzuschlafen, als ich plötzlich ein leises piepen vernahm, welches nur von einen Fallschirm kommen konnte. Kurz suchte ich am Himmel und fand ihn auch. Er kam genau auf mich zu, wodurch ich nicht einmal vom Füllhorn runter klettern musste, um ihn zu bekommen.
Der Inhalt war eine längliche Dose. 
Vorsichtig öffnete ich sie und fand eine Spritze mit einer hellroten Flüssigkeit vor.
Innerlich jubelte ich auf, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie Peeta es geschafft hatte, so etwas zu besorgen. Es war eindeutig Clurax. Selbst die Menschen im Kapitol konnten es sich nur selten für den normalen Hausgebrauch leisten. Zwar waren die ersten Stunden, nachdem die Spritze verabreicht wurde, schmerzhaft, aber danach waren selbst riesige Wunden, so gut wie verschwunden. Damit würde die Wunde wirklich nur noch ein großer Kratzer sein!
Eilig sprang ich vom Füllhorn, ohne wirklich auf meine Umgebung zu achten, und stürmte ins Füllhorn, so dass beide Jungen aus dem Schlaf schreckten.
„Peeta hat Medizin geschickt!“, verkündete ich glücklich, doch die beiden schienen nicht so begeistert wie ich. Während Seezth, der sich schon wieder die Seite hielt, seine Augen verdrehte und sich wieder zurück fallen ließ, knurrte mich ein weiß gewordener Nio an: „Ich dachte wir werden angegriffen! Willst du mich umbringen?“
Auch Seezth schielte zu mir und sein Blick schien das gleiche zu sagen.
Ich hielt die Spritze neben mein Gesicht und versuchte es noch einmal leiser: „Medizin?“

Aice Nandina | Wenn Liebe zum Spiel wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt