Aice Nandina | Kapitel 35

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Wir wanderten schweigend neben einander her, bis die Sonne unterging. Bis jetzt war nur Wüste um uns, aber irgendwo mussten andere Unterschlüpfe sein, wo die anderen sich die ganzen Tage versteckt hatten.
Wir machten nur kurz eine Pause, als über uns die Hymne von Panem ertönte, um zu sehen, wer am Tag der dritte Tote war.
Als erstes wurde das Gesicht des Jungen gezeigt, der Distrikt Zwei vertreten hatte. Auf dem Bild war sein Auge noch an Ort und Stelle und er lächelte sanft. Er hatte nichts mit der mordlustigen Bestie mehr gemeinsam, die noch vor wenigen Stunden versucht hatte, mich zu töten.
Danach wurde der Vertreter von Distrikt Drei eingeblendet und beantwortete somit unsere Frage, wer noch gestorben war. Wir würden nicht erfahren, ob er ein Opfer der anderen Beiden geworden war, oder doch eher eines des Sandsturms. Das Letzte Opfer dieses Tages war natürlich der schwarze Riese, der Distrikt Vier vertreten hatte und ich fragte mich, wie er wohl sonst so gewesen war. Von Anfang an hatte ich keinen Draht zu ihm aber Annie war seine Mentorin gewesen. Wie ging es ihr wohl damit, dass ihre beiden Tribute tot waren? Das sie keinen von beiden hatte retten können? Schließlich konnte das nur der einzige Grund gewesen sein, warum sie sich diese seelische Qual überhaupt selber antat. 
Wie würde Peeta sich fühlen, wenn wir vielleicht beide starben?
Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken. Am liebsten würde ich gar nicht mehr denken. Nicht mehr fühlen.
„Lasst uns weitergehen.“, schlug ich leise vor.
Als mir keiner der Beiden widersprach, kämpfte ich meine müden Knochen nach oben und ging ich einfach weiter. 
Mein Körper beschwerte sich über den langen Marsch aber für die Nacht mussten wir zumindest eine Senke finden, in der wir vor einen möglichen Sandsturm geschützt wären.
Ich erklomm, auf der Suche nach etwas passenden, eine weitere Düne und erblickte ein weiteres kleines Paradies dahinter. Schmunzelnd betrachtete ich die Oase, die sich dort, geschützt von Dünen ausgebreitet hatte. Die Palmen standen dicht bei einander und durch das Blätterdach spiegelte sich das Mondlicht in der Mitte, was daraufhin wies, das auch dort mit großer Sicherheit ein See war.
„Jackpot Jungs“, warf ich mit einen Lächeln nach hinten, wo Nio und Seezth gerade noch am erklimmen waren. Es war fast süß wie sie beide synchron ihren Kopf fragend zur Seite legten aber ich ließ sie schmoren, bis sie bei mir waren. 
Ihr glückliches Lächeln war es allemal wert.
Trotzdem rannten wir nicht übermütig los oder ähnliches. Wenn wir eins wussten, war es, dass diese Arena voller Fallen war und jeder falsche Schritt tödlich. Mit langsamen und gemächlichen Schritten betraten wir deshalb die Oase und schauten uns immer um.
Jedoch passierte nichts und nach zehn Minuten des Laufens und hin und her schauen, fanden wir eine Stelle, in der wir unser Camp aufbauen konnte.
Auch wenn wir nie dazu kommen sollten...
Gerade hatten wir alle unsere Rucksäcke abgesetzt, als ein Knacken uns alle erschrocken inne hielten ließ. 
Weder meine Verbündeten noch ich, bewegten uns und wir lauschten ob sich das Geräusch wiederholte. Zwar tat es dies nicht, doch ich fühlte mich eindeutig beobachtet. Innerlich versuchte ich mich damit zu beruhigen, dass die Zeit in der Arena mich einfach ein wenig Paranoid gemacht hatte aber mein Instinkt sagte mir etwas anderes. Unauffällig ließ ich meine Hand zu meinem Stab wandern, während mein Blick jeden Zentimeter des Dschungels um mich herum ab scannte.
Irgendjemand war dort und es konnte eigentlich nur eins von zwei Dingen sein.
Entweder eine Mutation oder Tribute. Beide oder nur einer, dass wusste keiner. Als einziges lebten noch beide Jugendlichen, die Distrikt Sieben vertraten und wir wussten nicht, ob sie zusammen arbeiteten oder nicht. Währen sie wirklich aus dem gleichen Distrikt und nicht aus dem Kapitol, war es eigentlich ziemlich klar, aber so.
Ich war mir nicht einmal sicher was mir lieber war. Beide zusammen oder einzeln. Vielleicht aber auch lieber eine Mutation die auf uns lauerte?
Meine Gedanken liefen auf Hochtouren,als auf einmal im Gebüsch neben mir ein weiteres Geräusch auftauchte und mein Kopf dahin herum fuhr. Dieses mal wiederholte sich das Geräusch und meine Hand versteifte sich um meine Waffe.
In der nächsten Sekunde schoss eine kleine Gestalt nach vorne.
Ich erschrak schrecklich als der weiße Hase, gefolgt von einem schwarzen, an mir vorbei hoppelte. Das Nio und Seezth beide einen Lachanfall bekamen, half mir dabei nicht wirklich.
Böse funkelte ich sie beide an, als es ein weiteres mal es hinter mir raschelte. Ich schaffte es gerade noch meinen Kopf herum zu reißen, als ich auch schon eine weibliche Gestalt auf mich zu springen sah. 
Das Mädchen, welches Distrikt Sieben vertrat.
Reflexartig schaffte ich es, mich zur Seite zu rollen und so näher an meinen Stab zu kommen. Sie war vollkommen auf mich fixiert und ich fragte mich schon wütend, warum keiner meiner Verbündeten mir half, aber da sah ich, dass sie ihren eigenen Gegner hatten.
Die beiden Vertreter von Distrikt Sieben arbeiteten auch zusammen und das einzige Wort, was mir zu beiden einfiel war Berserker. Plötzlich nicht mehr so sicher, dass die beiden Jungen aus Distrikt Zwei und Vier die Jäger und Mörder der anderen Tribute gewesen waren, machte ich mit einer Seitwärtsrolle noch einmal wenige Zentimeter gut. Das Schwert, welches das Mädchen in der einen Hand hielt, rauschte nur um Millimeter an mir vorbei. 
Eins stand fest. Ich hasste kämpfen
Flink sprang ich auf und griff dabei nach meiner eigenen Waffe. Hier, in der Sicherheit des Dickichts war nie und nimmer genug Platz zum kämpfen, besonders nicht wenn ich sah, wie Nio und Seezth sich gemeinsam auf den Jungen warfen und er sie trotzdem noch in Schach hielt. Irgendwie musste ich es schaffen, dass Mädchen von hier wegzulocken, wenn wir eine Chance haben wollten.
Schnell zog ich eins meiner Messer und warf es nach ihr. Gekonnt wehrte sie es ab aber nun hatte ich ihre ungeteilte Aufmerksamkeit sicher. Und sie war sauer. Das konnte ich in ihren Augen sehen, als sie Aufschrie und ein weiteres mal, dieses mal mit dem Beil in ihrer anderen Hand, auf mich einschlagen wollte.
So weit hatte ich nicht gedacht.
Dank meiner Reflexe schaffte ich es zur Seite zu springen und tat das einzige was mir in diesem Moment einfiel. Laufen.
Meinen Instinkten folgen, machte ich auf den Fersen kehrt und sprintete in die andere Richtung los. Ich hörte ein frustrierten Aufschrei ihrerseits und dann Schritte, die mir zeigten, dass sie mir folgte.
Das Mädchen war eindeutig keine Läuferin. Eben eins dieser Spielmacherkinder, die zwar mal mit den Waffen üben durfte, aber sonst nichts. Schließlich hätte nie jemand damit gerechnet, dass wir mal in die Arena müssten.
Die Spielmacher bewiesen wieder einmal ihren eigenen Humor, in dem sie es in diesem Moment begannen aus Kübeln regnen zu lassen. 
Witzig. Wirklich witzig.
Vielleicht hätte ich ja sogar gelacht, wenn ich nicht vollkommen außer Atem gewesen wäre. 
Da ich wusste, dass ich nicht mehr lange durchhalten würde, beschloss ich, den Kampf nicht länger herauszuzögern. Seezth oder Nio konnten mir hier nicht helfen. Auch wenn ich nicht töten wollte. Es hieß nun sie oder ich.
Entschlossen wirbelte ich herum und ließ meine Waffe Richtung ihrer Füße gleiten. Sie hatte anscheinend mit einen Angriff gerechnet und schaffte es, der Klinge aus dem Weg zu springen. In der Zeit konnte ich mich jedoch in eine bessere Position bringen und wartete. Sollte sie ruhig angreifen. Der Kampf mit einem Stab war auf Verteidigung und Konter ausgelegt, hörte ich regelrecht wieder Nios Stimme, wie er mir alles zu dieser Waffe erklärte. Warte immer auf den richtigen Moment um zuzuschlagen. Im Kampf auf Leben und Tod musst du dich auf deine Instinkte verlassen.
Ich versuchte, das gelernte umzusetzen. Meine Schrammen und Prellungen machten es aber nicht unbedingt leichter. Doch Nio hatte Recht gehabt. In dem Moment, in dem das Mädchen brüllend angriff, und es im Hintergrund theatralisch Blitzte, übernahmen automatisch meine Instinkte. Mein Überlebenswille ließ es nicht zu, dass mein Körper sich durch die Schmerzen selbst behinderte und schaltete sie einfach aus. Geschmeidig bewegte ich mich um das Mädchen und wehrte ihre Schläge ab oder wich aus. Wartete auf die Möglichkeit, selber zu zuschlagen.
Als es endlich soweit war, ging alles sehr schnell. Mit einen schwungvollen Schlag, wollte sie auf mich einschlagen, doch ich brachte meinen Stab dazwischen. Die Wucht schleuderte die Waffe nach oben und riss ihre Arme regelrecht mit, wodurch sie ungeschützt war. 
Ohne weiter darüber nachzudenken, wirbelte ich herum und ließ eine meiner Klingen quer über ihren Bauch und die andere sofort danach über ihren Brustkorb wandern.
Entsetzt starte sie mich an, während sie in ihrer grotesken Haltung verweilte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ihr Körper endlich nach gab und sie Tod nach vorne um fiel.
Schwer atmend ging ich ebenfalls in die Knie. Ich fühlte mich lethargisch und mir war schlecht.
Der erste Mord ist immer der Schwerste... Ich hoffte das dieser Ausspruch stimmte.

Aice Nandina | Wenn Liebe zum Spiel wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt