Aice Nandina | Kapitel 10

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Das essen verlief wie die Tage davor. Meleena schien es gut mit Johanna zu gehen. Zumindest hatte ich damit eine Sorge weniger.

Ich nutzte die Zeit danach, um ausgiebig zu Duschen und meinen geschundenen Muskeln damit eine Auszeit zu gönnen. 

Als ich aus dem Badezimmer herauskam, lag Meleena schon ins Bett gekuschelt und schlief friedlich.

Leise zog ich das erst beste Kleidungsstück aus dem Schrank, damit ich sie nicht aufweckte und erwischte natürlich ein dunkelblaues längeres Oberteil. Gott sei dank aber auch hellblaue Shorts.

In der Hoffnung, dass ich mich vor Nio nicht komplett blamieren würde, zog ich die Sachen an und begutachtete mich kurz im Spiegel. Das Oberteil saß zwar oben herum perfekt, war aber solang, dass es fast schon als Kleid durch ging und die Shorts komplett verdeckte. 

Da Meleena schon schlief, ließ ich meine Haare einfach an der Luft trocknen, was dazu führte, dass sie in alle Richtungen ab standen.

Wow, ich sah aus wie eine eingefrorene Vogelscheuche. 

Genervt schaute ich noch einmal in den Spiegel, aber dadurch wurde es auch nicht besser.

Egal. Er wollte mir sowieso nur was zeigen. Als alter Freund. 

Hübsch auszusehen, war eher etwas, was meine Mutter und Schwester immer interessiert hatte und nicht mich. Besonders in der Situation in der ich steckte, war hübsch sein, nun wirklich das letzte was ich brauchte. Etwas mehr Kraft und Geschickt mit Waffen, wäre mir da wirklich lieber.

Auf leisen Sohlen schlich ich mich von unserer Etage, um niemanden zu wecken.

Ich benutzte die Treppe, um auf das Dach zu kommen.

Als ich die Tür auf stieß wehte mir eine frische Brise entgegen, die ich genüsslich einatmete.

Warum war ich noch nicht eher hier nach oben gekommen?

„Da bist du ja.“, holte mich Nios Stimme aus meiner Tagträumerei. Er stand nicht weit von mir entfernt und schien mich regelrecht zu mustern.

So schlimm sah ich nun auch wieder nicht aus. Wobei ich mich neben ihn, wie ein kleines Kind fühlte. Sein athletischer Körper sah selbst noch in einer einfachen Hose und einen schlichten Pullover einfach perfekt aus. Wahrscheinlich wäre er einer der Menschen, der sogar noch, in einen Kartoffelsack gut aussehen würde.

„Wartest du schon lange?“, brachte ich mühsam heraus, als vor meinen inneren Auge, ein Bild von Nio mit genau so einen Sack entstand.

„Nein, bin gerade erst gekommen.“, grinste er und hielt mir die Hand hin, „Wollen wir?“

Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen und griff mit einen nicken nach seiner Hand. 

Nio zog mich sanft ein wenig näher zu sich, bevor er los ging.

Gespannt folgte ich ihm, da ich ja nie die Chance genutzt hatte, mir das Trainingscenter genauer anzuschauen, obwohl ich es hätte gekonnt hätte.

Wir gingen auf die andere Seite des Daches, wo ein wunderschöner Garten lag. Glockenspiele läuteten leise im Wind. Der Duft der Blumen stieg in meine Nase und ich fühlte mich wie im Traum.

„Das ist traumhaft Nio.“, staunte ich. Im Kreis drehend versuchte ich all das in mich aufzunehmen.

„Dachte ich mir doch, dass es dir hier oben gefällt.“, gestand er lächelnd. „Ich wollte das dir nicht vorenthalten bevor wir ...“ Er brach ab, doch ich wusste was er meinte.

„Bevor wir in die Arena müssen“, beendete ich seinen Satz. Meine Freude war regelrecht auf einmal verdampft. Seufzend setzte ich mich auf die Bank, die zwischen den Blumen stand, zog meine Knie an den Oberkörper heran und umfasste sie mit meinen Armen. Nio ließ sich neben mich fallen und stützte seine Ellbogen auf seinen Oberschenkeln ab. Eine weile saßen wir schweigend so nebeneinander, bevor er die Stille durchbrach.

„Kannst du dich an das Winterfest von vor zwei Jahren erinnern? Zu der Zeit hätte noch keiner gedacht, dass wir mal in der Arena enden würden.“

„Wir lebten in einer Traumwelt.“, gestand ich ihn meine wahre Meinung, „Wir hatten alles. Sogar zu viel. Während wir feierten, erfroren und verhungerten Menschen in manchen der Distrikte.“

„Du hast ja Recht.“, gab nun auch Nio zu, „Aber wir wollten eben nichts von unseren Luxus abgeben und nun sind wir hier.“ Er lachte auf einmal auf, wo durch ich ihn verwirrt ansah.

„Was ist?“, fragte ich. Lächeln schüttelte er den Kopf.

„Ich erinnere mich gerade nur noch, wie du dich gegen deine Eltern bei den Fest aufgelehnt hattest. Sie wollten, dass du wie immer weiß trägst, um noch heller zu wirken, besonders neben deiner Schwester, in ihren Feuerroten Kleidern. Aber du sahst das gar nicht ein. Du kamst in einem dunkelblauen Traum, mit Diamanten auf ihm, wodurch es wie der Nachthimmel wirkte. Du sahst atemberaubend aus und deine Mutter ist fast explodiert. Ich hatte noch nie so etwas schönes gesehen.“

Nio blickte wieder zu mir und ich wusste nicht was ich sagen sollte. Zurück starrend erinnerte ich mich ebenfalls daran zurück. Ich hatte mich mal wieder mit meiner Mutter gestritten. Das Kleid, welches sie ausgewählt hatte sah lächerlich aus und ich hatte keine Lust, immer ihr Modepüppchen zu sein. Deswegen hatte ich so getan, als wenn ich nachgegeben hätte, um dann eine unserer Avoxdiener los zuschicken, um mir das andere Kleid zu besorgen. Im Gegensatz zu den Rest meiner Familie, hatte ich unsere Diener immer geschätzt und so war das Mädchen bereit, dass Risiko für mich einzugehen.

Damals hatte ich es nur getan, um meine Mutter zu ärgern. Ich hätte nie gedacht, dass jemand wie Nio mich damals überhaupt bemerkt hätte. Umringt von Mädchen, war ich der Meinung, dass er genug Aufmerksamkeit für einen Abend hatte.

„Hatte ich auch.“, gestand er und mir wurde peinlich bewusst, dass ich den letzten Teil laut gesagt hatte. In die andere Richtung schauend versuchte ich meine Gesichtsfarbe wieder unter Kontrolle zu bringen. 

Nio schien dies nicht zu stören, denn er redete weiter: „Aber eigentlich warst du die Einzige die meine Aufmerksamkeit hatte. Schon seit einer ganzen Weile.“

Fast geschockt trete ich mich wieder zu ihm um, doch er gab mir nicht einmal die Zeit, um darauf zu antworten. 

Als seine Lippen, die meinen berührten war ich mehr als froh, dass ich bereits saß, sonst wäre ich wahrscheinlich umgefallen. Im ersten Moment war ich zu geschockt um seinen Kuss zu erwidern. Nio mochte mich? Schon seit Jahren?

Da ich nicht reagierte, wollte er sich zurückziehen, doch ein niedere Instinkt in meinen inneren konnte ihn nicht gehen lassen. Deswegen schossen meine Hände nach vorne und während die rechte sein Gesicht umfasste, vergrub sich die andere in seinen braunen Haar.

Ich wusste nicht ob er erleichtert auf seufzte, oder ich es mir nur einbildete, aber dann waren seine Lippen wieder da und ich vergaß alles um mich herum. 

Während ich jedes Zeitgefühl verlor und nicht mehr wusste wo oben und unten war, klammerte ich mich an Nio und hoffte, dass er mich einfach halten würde, was er auch tat.

Irgendwann lösten wir uns schwer atmend von einander und ich wusste nicht was ich denken sollte.

Nio jedoch hielt mich immer noch nah und lächelte jugendlich und fast schüchtern. Etwas, was ich noch nie an ihn gesehen hatte. Selbst wenn ich versucht hätte, etwas dagegen zu tun, musste ich zurück lächeln, wodurch sein grinsen noch breiter wurde.

„Es ist spät.“,erklärte er leise und ließ mich langsam los, um aufzustehen. „Wir sollten schlafen gehen, sonst bist du morgen nicht fit fürs Training.“

Ich wollte nicht wirklich, aber als er seine Hand ausstreckte, griff ich wie eine brave Marionette nach ihr. 

Als wäre ich leicht wie eine Feder zog er mich auf meine Füße und gleichzeitig an seine Brust. 

Gemeinsam gingen wir zur Tür und die Treppe hinunter.

Vor dem Fahrstuhl blieb er stehen und gab mir noch einmal einen leichten Kuss auf die Lippen.

„Schlaf gut.“, sagte er und trat in den Fahrstuhl.

Erst als die Türen zu waren ging ich in unser Appartement. Egal was ich versuchte, ich konnte nicht aufhören dümmlich zu grinsen.

Aice Nandina | Wenn Liebe zum Spiel wird Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt