Das war definitiv nicht nur ein Kratzer. Zwar verdeckte seine schwarze Kleidung noch die Wunde, aber allein wie viel Blut schon durch die Kleidung gesickert war, zeigte das es kein Kratzer war.
Nios Blick sagte so etwas ähnliches aber er hielt den Mund.
„Okay... dann befreien wir dich wohl erst mal von dem Shirt.“, erklärte er Seezth, bevor er auch ohne weiteres nach dem Stoff griff. Durchtränkt wie er war, klebte er natürlich an der Wunde und der Körper meines Partners verkrampfte sich unter Schmerzen.
Ich wollte ihm helfen, wusste aber nicht wie. Nur ein was viel mir ein und ich war mir nicht einmal sicher ob er es mochte. Doch das war mir egal.
Entschlossen stellte ich die Wasserflasche neben mir ab und nutze den Moment, in dem Nio Seezth half sich komplett aufzusetzen, um hinter ihn zu kriechen. Beide schauten kurz verwirrt, doch ich begann ihnen unbeirrt zu helfen um den dünnen Pullover und das ärmellose Shirt schnellstmöglich über Seezth Kopf zu bekommen. Als wir es endlich geschafft hatten, schien es zumindest meinen Partner egal, dass ich hinter ihm saß. Entkräftet ließ er sich nach hinten gegen mich sinken. Nur kurz verkrampfte er sich, bevor er sichtlich entspannte.
Ich bettete ihn an meiner Schulter und hielt ihn in den Armen, bevor ich mich traute die Wunde anzusehen.
Bis auf Blut und Dreck sah ich jedoch nicht viel.
„Also das wird jetzt wehtun.“
„Echt Nio? Und ich dachte das wird der größte Spaß“, konterte Seezth. Dieses mal schienen sie sich eher selber damit beruhigen wollen. Ich werde wohl Männer nie verstehen. Sie benahmen sich einfach so anders als Frauen. Als wären sie eine andere Spezies...
Nio griff unbeirrt nach meiner Wasserflasche und befeuchtete ein Tuch.
Kein Schmerzenslaut kam über Seezth Lippen, als Nio unbeirrt anfing die Wunde zu reinigen und nicht zimperlich dabei zu ging. Ich wusste, dass er dies machen musste, damit er auch den Dreck wirklich rausbekam aber zu spüren wie sich mein Partner vor mir immer weiter verkrampfte war kaum aushaltbar.
„Seezth“, flüsterte ich leise in sein Ohr und versuchte entspannend seinen Nacken zu kraulen. „Denk an was anderes.“
„Geht... nicht.“, presste er durch zusammengebissene Zähne. Als ich meine Hand jedoch von seinem Nacken nahm schrie er leise auf: „Hör nicht auf...Bitte.“
Mit der rechten Hand massierte ich weiter seinen verspannten Nacken und zog ihn mit der linken fester an mich, damit er merkte, dass er nicht allein war.
Eine Weile ging es auch gut aber es fühlte sich selbst für mich wie Stunden an, in denen Nio immer wieder die Wunde drückte und versuchte zu reinigen. Ich wollte nicht einmal wissen wie es Seezth dabei ging. Er war immer stiller geworden und hatte die Augen geschlossen. Sein unregelmäßiges Atmen war das einzige, was mir zeigte, dass er noch nicht das Bewusstsein verloren hatte.
„Verdammt nochmal, wenn du mich umbringen willst mach schneller und Folter mich nicht zu Tode!“, knurrte Seezth wütend und seine Hände, die zu Fäusten geballt waren, schossen in Richtung Nio. Das war es also, was der Junge, der Distrikt Fünf vertrat, vorhin gemeint hatte.
Reflexartig griff ich ebenfalls nach vorne und packte Seezth Handgelenke gerade rechtzeitig. Sie kamen nur wenige Millimeter vor Nios Gesicht zum stehen. Wäre die Situation anders gewesen, hätte ich wahrscheinlich über seine Schielenden Augen, die versuchten die Fäuste zu sehen, gelacht aber mir war nicht danach zu Mute. Seezth zitterte mittlerweile unkontrolliert und sein ganzer Körper war von einer dünnen Schweißschicht überzogen. Er litt und ich mit ihm.
„Er will dir nur helfen Seezth“, versuchte ich meinen Partner zu beruhigen und seine Hände wieder nach hinten zu ziehen. Das es mir gelang, war für mich nur ein weiteres Zeichen davon, wie schwach Seezth mittlerweile war. Hatte er nicht erst vor wenigen Minuten noch gestanden und mich an sich gedrückt?
Ich versuchte mich nicht von der Angst überwinden zu lassen und zog ihn wieder an mich. Frustriert stöhnte er auf, als Nio weitermachte.
„Bald geschafft.“, murmelte er mehr zu sich selber, als zu uns.
Auch wenn Nio dabei war, versuchte ich Seezth weiter abzulenken.
„Kannst du dich noch an gestern Abend erinnern?“, flüsterte ich ihn ins Ohr. Kurz grinste er, bevor die Schmerzen wieder überhand nahmen.
„Meinst du den Part wo du über mich hergefallen bist?“
„Ich würde eher sagen, du bist über mich hergefallen.“ Seezth lachte kurz auf und drückte meine Hand. Nio schaute kurz zu mir auf aber ich konnte seinen Blick nicht deuten. Wut? Schmerz? Verwirrung? Es hätte alles sein können und trotzdem hatte ich ein schlechtes Gewissen.
„Du warst so schnell eingeschlafen. Ich glaub ich hab dich noch eine weitere Stunde angesehen, ohne das ich einschlafen konnte. Irgendwie war ich der Meinung, dass du mir heute früh lieber eine reinhauen würdest, als das von gestern zu wiederholen.“
Nio arbeitete unbeirrt weiter, während Seezth erzählte. Nur seine Augenbraue sprang einmal kurz nach oben.
Innerlich entschuldigte ich mich bei ihm, während ich meinen Partner weiter streichelte.
Nicht nur Seezth atmete erleichtert auf, als Nio endlich den Verband nahm und begann einen Druckverband anzulegen. Nicht das dies viel angenehmer war als die Prozedur zuvor aber immerhin zeigte es uns, dass es bald vorbei war.
Nio schien auf einmal genau so geschafft wie Seezth, als er ihm zwei Tabletten reichte.
„Für Blutgerinnung und etwas gegen die Schmerzen.“, erklärte er.
Mit zitternden Händen wollte Seezth nach der Flasche greifen, doch es gelang ihm nicht einmal sie hochzuheben. Als er frustriert knurrte nahm ich sie ihm ab und half ihm.
Nio war schon wieder auf den Beinen und begann die herumstehenden Kisten herum zu schieben.
„Was tust du da?“, fragte ich verwirrt.
„Falls nochmal ein Sandsturm kommt, sollten wir hier etwas Schutz aufbauen. Ich hab keine Lust die Wunde noch mal zu säubern.“, erklärte Nio ohne mich anzusehen.
„Nio-“
„Bleib bei ihm bis die Schmerzmittel wirken. Vielleicht kann er dann etwas schlafen.“ Ohne weitere Erklärungen verschwand Nio auch schon aus meiner Sicht und begann die Dinge vor dem Füllhorn einzusammeln.
„Er scheint wütend.“, stellte Seezth unnützer Weise fest und ich funkelte ihn an.
„Wundert dich das?“
„Ja“ Die Antwort kam so schnell und überzeugt, dass ich ihn nur verwirrt ansehen konnte. „Wenn er dich wirklich liebt, wie er behauptet, will er das du glücklich bist. Egal mit wem.“
„Würdest du auch so denken, wenn er jetzt hier liegen würde und mit mir sitzen würde?“
Seezth starrte an die Wand gegenüber und schien kurz zu überlegen, bevor er antwortete: „Ich kann nicht behaupten, dass es mir gefallen würde, aber wenn du mit ihm glücklich bist. Ja. Dann würde ich zurück stecken. Soll ich zurück stecken?“
Seine schwarz-lila Augen wirkten in seinem nun blassen Gesicht noch dunkler als sonst. Trotz der Schmerzen war er komplett ernst.
„Halt die Klappe.“ Es war das einzige was ich sagen konnte. Schließlich wusste ich nicht was ich wollte. Anscheinend war ich einfach ein schlechter Mensch aber ich wollte beide nicht verlieren. Liebte ich sie beide? Keine Ahnung. Ich war froh als ich Nio gefunden hatte und unglaublich erleichtert Seezth wieder zu sehen.
Auch wenn meine Antwort nicht wirklich eine war, schien es für ihn okay. Seezth schien im inneren einfach ein zu guter Mensch zu sein, auch wenn er es nie zugeben würde.
Selbst jetzt stützte er sich immer noch ab, um das meiste Gewicht von mir zu nehmen.
„Hör endlich auf und lehne dich an. Was denkst du für was ich hier sitze?“, grummelte ich frustriert, „Oder bin ich dir zuwider?“
„Das hast du jetzt nicht wirklich nach gestern Nacht gefragt oder?“ , schmunzelte er, gab dann aber endlich nach und lehnte sich an.
Sein Gewicht war zwar viel auf mir aber es war nicht unangenehm. Meinen Kopf auf seiner Schulter gebettet streichelte ich ihn sanft durchs Haar.
Ich spürte regelrecht den Moment, in dem die Schmerzmittel anfingen zu wirken, da sein Körper sich sichtbar entspannte. Seine Muskeln waren von der Anspannung immer noch verkrampft aber immerhin zitterte sein ganzer Körper nicht mehr.
„Besser?“
„Gutes Zeug.“, erklärte er nur leicht lächelnd. Seine Augen konnte er schon nicht einmal mehr offen halten. Die Wunde forderte seinen Tribut und es dauerte nicht lange, bis sein Atem gleichmäßig wurde.
Seezth war eingeschlafen. Er hatte sich diese Erholungspause verdient.
Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, kämpfte ich mich unter ihm hervor und legte ihn auf den Schlafsack.
Während er sich ausruhte hatte ich noch was zu erledigen.
Ich schaute aus dem Füllhorn und sah zu Nio. Wahrscheinlich war es besser, wenn wir gleich reden würden.
Leise stand ich auf und trat in die Wüstenhitze.
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Aice Nandina | Wenn Liebe zum Spiel wird
FanfictionMein Name ist Aice Nandina. Mein Leben lang lebte ich in einer Familie von Spielmachern, obwohl ich selbst die Spiele hasste, was der Rest meiner Familie nie verstand. Nach der Rebellion bin nur noch ich und meine kleine Nichte da, als verkündet wir...