Kapitel 25

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Lächelnd nehme ich meinen Rucksack aus der Kiste, nachdem er durchleuchtet wurde. Seit ich ich heute morgen aufgewacht bin spüre ich ein riesiges Gefühlschaos in mir. Freude auf meine Familie, endlich wieder Zuhause zu sein. Und dennoch habe ich große Angst vor dem Flug, denn der Absturz ist an niemandem von uns spurlos vorbeigegangen. Mats grinst mich an. ,,Der Trick ist verdammt gut. Sollten wir ein weiteres Mal abstürzen, dann haben wir schon mal zwei Messer", meint er leise, damit es niemand merkt. Ich habe Mats ein Messer von mir geschenkt und wir haben unsere beide ins Handgepäck geschmuggelt bekommen. Ein anderes Gepäck haben wir auch nicht. Zu sechst setzen wir uns ans Gate und warten. Und mit jeder Minute die verstreicht, wird meine Angst schlimmer. Doch ich sehe sie den anderen ebenfalls an. Niemand hat Lust jetzt gleich ins Flugzeug zu steigen und es wird mit Sicherheit kein angenehmer Flug. Doch wenigstens sitze ich neben Mats. Er gibt mir Sicherheit, bei ihm fühle ich mich wohl. Und das ist genau das, was ich bei diesem Flug brauche.

Mit zitternden Beinen laufe ich das Stück über das Rollfeld. Wir gehen zur hinteren Treppe, es sind schon fast alle drinnen. ,,Mats." Sofort bleibt der Dunkelhaarige stehen. ,,Ich kann das nicht." Ich spüre wie mein Hals eng wird. ,,Hey, ganz ruhig. Ich hab auch Angst, Elena. Aber wir schaffen das, ja? Wir schaffen das gemeinsam. Mittlerweile sind alle im Flugzeug verschwunden. Nur noch wir zwei stehen vor der Treppe und ich kann mich nicht überwinden. ,,Ist bei Ihnen alles okay?", fragt ein Mitarbeiter. ,,Ich will nicht fliegen." ,,Elena wir stürzen nicht nochmal ab", versucht Mats mich zu beruhigen. ,,Was wenn doch? Was wenn wir doch abstürzen? Und alles wieder von neu beginnt." ,,Dann wissen wir wenigstens was wir zu tun haben, damit wir überleben. Aber du willst doch zu deiner Familie oder?", fragt Mats sanft und hält mir seine Hand hin. Dankbar ergreife ich diese und lasse mich von ihm die Treppe hochziehen. Kaum sind wir drinnen bekomme ich wieder das beklemmende Gefühl der Raumangst. Doch Mats schiebt mich eisern zu unseren Plätzen vor, drückt mich in den Sitz und legt mir den Gurt an. ,,Und jetzt entspannst du dich", flüstert er und schnallt sich ebenfalls an. ,,Alles gut bei euch?", fragt Marco, der bereits am Fenster sitzt. Ich nicke schwach. ,,Danke", flüster ich Mats zu und schließe meine Augen.

Kaum ist das Flugzeug gelandet, will ich mich abschnallen und aufspringen. Der Flug war dee reine Horror. Nicht nur einmal wäre ich fast in Tränen ausgebrochen. Mats und Marco hatten sichtlich Schwierigkeiten mich zu beruhigen, doch sie haben ihr bestes getan und dafür bin ich ihnen so dankbar. ,,Elena, wir sind noch nicht da", hält Mats mich auf und fixiert meine Hände, als ich mich abschnallen will. ,,Aber ich muss hier raus." ,,Wir sind ja gleich da Elena. Du bist die Erste, die dann rauskann", meint Marco. Seufzend lehne ich mich wieder zurück. Sobald das Flugzeug hält, springe ich auf und quetsche mich zum Ausgang durch. Ungeduldig warte ich bis endlich die Türen geöffnet werden. So schnell wie noch nie renne ich die Treppe runter, bis ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen habe. Das war mein letzter Flug für mein Leben.

Nachdem auch Mats und Marco das Flugzeug verlassen haben, gehen wir ins Gebäude. Ich bin Zuhause in Dortmund. Gleich sehe ich endlich meine Familie wieder. Etwas ängstlich bleibe ich vor der Treppe stehen. Wenn ich das hoch gehe ist alles vorbei. Erneut greift Mats ermutigend nach meiner Hand. Zusammen stiegen wir die Stufen hoch und werden augenblicklich von einem Blitzlichtgewitter begrüßt. Etliche Reporter stehen hinter der Absperrung und bombardieren und mit Fragen. ,,Einfach weitergehen", wispert Mats mir zu, als wäre dies das normalste der Welt. Für ihn ist es das vermutlich auch. Kaum sehe ich meine Familie hält mich gar nichts mehr. Ich lasse Mats Hand los und renne heulend in die Arme meiner Mutter. Meine Schwester und mein Vater umarmen mich ebenfalls. Und so stehen wir da, alle in den Armen des anderen und heulen uns die Augen aus dem Kopf. Ich kann gar nicht fassen, endlich wieder bei meiner Familie zu sein. Das kommt mir so unwirklich vor und trotzdem stehen wir hier. Ich weiß, dass der Absturz mich verändert hat und hab keine Ahnung wie mein Leben nun weiter geht. Doch das ist mir momentan egal. Denn ich bin zurück bei meiner Familie und Zuhause und das ist momentan alles, was zählt.

SolitaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt