Kapitel 16

265 32 17
                                    


Mein Atem bildete Rauchwolken in der kalten Nacht. Macaulay lief vor mir. Oder eher gesagt er marschierte. Seine Hände waren zu Fäusten geformt, seine Schuhe stampften auf dem Boden. Er trug nur eine dünne Lederjacke über seinem schwarzen Skater Shirt und durch sie hindurch konnte ich sehen, wie sich seine Rückenmuskeln immer wieder anspannten. Er schien wütend zu sein. Sehr wütend. Der Wind pfiff durch meine Jacke hindurch, während ich versuchte mit ihm Schritt zu halten. Die Absätze meiner Schuhe klackerten über dem Boden, meine Füße schmerzten. Ich überlegte für einen kurzen Moment sie auszuziehen, warf die Idee aber über Bord, als ich auf meine nackten Füße blickte. „ Ka..ka..kannst du nicht ein bisschen langsamer laufen?" meine Zähne klapperten vor Kälte aufeinander. Meine Stimme ließ ihn plötzlich anhalten. „ Da..da..danke.." presste ich hervor, als ich ihn nun fast eingeholt hatte. „ Mach. Das. Nie. Wieder." erschrocken zuckte ich zusammen, als seine leisen Worte mich wie eine rasiermesserscharfe Klinge trafen. „ Und um Gotteswillen zieh diese verdammten Schuhe aus!" seine Stimme hatte sich nun zu einem lauten Knurren mobilisiert, sein Rücken war immer noch zu mir gedreht, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Ich hielt die Luft kurz an, mein Blick auf seine Finger gerichtet, die sich nun einer nach dem anderen aus seiner geballten Faust lösten. Ich stieß einen Schwall Luft aus, als seine Finger sich endlich gelöst hatten, bevor er seinen Kopf langsam zu mir umdrehte, sein Körper zitterte. Das schwache Mondlicht erhellte seine Gesichtszüge, in seinen Augen loderte die Wut. Ich zuckte zusammen und wich ein Stück zurück, als ich sah, dass er einen Schritt auf mich zutrat. „ Ich hab gesagt du sollst diese verdammten Schuhe ausziehen, Taylor!" fuhr er mich an. Ich riss meine Augen auf und starrte ihn perplex an. „ Und was ist das überhaupt für ein beschissener Fummel, den du da anhast?!" ich riss meinen Mund auf, wollte etwas erwidern, da unterbrach er mich. „ Willst du, dass jeder Mann dich wie eine Schlampe abstempelt?! Verdammt Taylor, kein Wunder, dass dieser Wichser dich angefasst hat!" Seine Worte piercten sich wie Nadelstiche in meine Haut. Tränen stiegen in meine Augen und ich konnte froh sein, dass es dunkel war und er mich aus der Entfernung nicht sehen konnte. „ D...du kennst mich doch gar nicht!" stieß ich aufgebracht hervor und schluckte meine Tränen herunter. „ Oh doch!" Macaulay stieß ein leicht abfälliges Lächeln aus. „ Ich kenne solche Mädchen wie dich!" so langsam wurde ich wütend. „ Jahrelang im Schoß einer liebevollen Familie aufgewachsen, nie einen Fingernagel gekrümmt und wenn es mal schlecht läuft kommen sie zurück zu Mommy und Daddy gerannt..." das Gift sprudelte nur so aus seinen Worten und senkte sich mit jedem weiteren Wort mehr und mehr in meine Haut. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, die Wut quoll jetzt nur so aus mir hervor. „ Du verdammter Wichser!" die Worte waren schon aus meinem Mund, ehe ich mir die Hand auf den Mund pressen konnte und mich zurück halten konnte. „ Glaub ja nicht, dass du ein Stück von mir kennst, FINLAY!" schrie ich ihm nun ins Gesicht. Ich sah, wie sein Gesicht sich für einen kurzen Moment hinter seiner steinharten Maske zusammenzog und ein Gefühl der Genugtuung durchflutete meinen Körper. Das hatte er nun davon! „ Nenn. Mich. Nie. Wieder. Finlay." seine Stimme war drohend leise, als er auf mich zugelaufen kam. Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken herunter, während ich einen Schritt zurückwich. „ Da..dann beleidige du mich auch nicht." stotterte ich und versuchte mit seinem Blick Stand zu halten. Macaulays Augen brannten sich in meine, bevor er keinen halben Meter vor mir zum Stehen kam, sein Körper thronte regelrecht über meinem. „ Es ist kein Wunder, dass dein Freund sich eine andere gesucht hat, Taylor. Du bist einfach zu weich." bei seinen Worten zuckte ich zusammen und mein Mund klappte ein wenig auf. „ Du zuckst jedes Mal zusammen, wenn ich dir nur einen Schritt näher komme. Du bist schwach, Taylor." seine Stimme bohrte sich durch mein Innerstes, zerriss mich Stück für Stück, an den Stellen, die noch nicht ganz wieder geflickt waren. Drew. Tränen stiegen in meine Augen, ein leicht abfälliges Lachen drang zu mir. „ Siehst du. So schnell geht das und du brichst in Tränen aus. Ich wette, wenn man dir sagt, dass..." „ HÖR AUF!" meine Hände bebten, während ich ihm mit Tränen in den Augen ins Gesicht schrie. „ Du bist so ein Arschloch, Macaulay! So ein verdammtes Arschloch!" meine letzten Worte kamen in einem Schluchzer aus meinem Mund, als ich mir die Schuhe von den Füßen zog. Für einen kurzen Moment spielte ich mit den Gedanken, ihm einen meiner Pumps ins Gesicht zu schleudern, entschied mich dann aber doch dagegen, da er es nicht wert war. Stattdessen drehte ich mich um und rannte in meinen nackten Füßen über den kalten, steinharten Boden. Die Straßen waren dunkel, an manchen Gassen lauerten dunkle Gestalten. Ich zwang mich nicht zu sehr hinzuschauen, lief einfach gerade aus. Ich war fast am Park angekommen, da spürte ich plötzlich, wie eine Hand mich von hinten packte. Ich schrie leise auf. Mein Herz hämmerte wild in meiner Brust, als ich einen warmen Atem an meinem Ohr spürte. „ Verdammt Taylor, mach mal langsamer!" für einen kurzen Moment durchflutete meinen Körper Erleichterung, was jedoch folgte war Wut. „ Lass mich los!" schrie ich so gut es ging über meine Schulter hinweg. „ Auf garkeinen Fall." knurrte Macaulay in mein Ohr. „ Ich lass dich hier nicht alleine durch die Dunkelheit laufen." Warum interessierte es ihn noch, ob ich alleine durch die Dunkelheit lief? „ Boyd hackt mir den Kopf ab." fügte er hinzu. „ Das ist mir egal." rief ich schnippisch aus, bevor ich mir auf die Zunge biss. Ich kannte so einen Ton nicht von mir. „ Und jetzt lass mich los." ich holte mit meinem Ellenbogen aus und versuchte ihm den Ellenbogen in den Magen zu rammen, doch irgendwie schien es nicht zu klappen. „ Mädchen, du glaubst doch nicht, dass du mich mit so einem albernen Ellenbogenschlag in die Knie zwingst." seine Stimme klang höhnisch, während ich es ein weiteres Mal versuchte. Vergeblich. „ Nein, aber damit." zischte ich durch meine zusammengepressten Lippen, holte mit meinem Ellenbogen aus und zielte ein paar Etagen tiefer. Ich spürte, wie er hinter mir zusammenzuckte. Das war meine Chance! Ich befreite mich aus seinem Griff und rannte los. Der Park war dunkel. Zu dunkel... Ein paar Mal trat ich auf Wurzeln und Steine. Ich zischte leise auf, aber rannte weiter. Ich war an solche Schmerzen gewöhnt. Luke und ich hatten früher als Kinder oft barfuß im Sommer in unserem Garten gespielt.

Als ich das Ende des Parks endlich erreicht hatte, atmete ich erleichtert auf. Doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Macaulay griff erneut nach meinem Arm, doch dieses Mal wirbelte er mich herum, sodass ich in sein Gesicht schaute. Seine Augen loderte vor Wut, sein Atem ging unregelmäßig in seiner Brust. „ Zieh. Deine. Schuhe. Wieder. An." er presste jedes einzelne Wort aus seinem Mund, die Linien an seinem Nacken Tattoo bewegten sich nun. Ich biss mir auf die Lippen und schüttelte den Kopf. „ Verdammt Taylor, machst du überhaupt mal etwas was man dir sagt?" bellte er nun über den Platz. Ich zuckte zusammen. „ Zieh deine gottverdammten Schuhe an!" diesmal traute ich mich nicht ihm zu wiedersprechen, weshalb ich meine Schuhe einer nach dem anderen anzog. Seine Augen beobachteten mich die ganze Zeit über. Als ich die Schuhe angezogen hatte, ließ Macaulay mich los und lief vor mir in Richtung Steels. Es war, als ob es den Streit zwischen uns gar nicht gegeben hätte, denn er redete mit mir kein weiteres Wort. Einzig allein sein Körper ließ erkennen, dass er wütend war, denn dieser vibrierte förmlich vor Wut. Aber nicht nur sein Körper vibrierte, sondern meiner auch. Ich hatte mich noch nie so wütend in meinem Leben erlebt und für gewöhnlich war ich auch nicht ein sonderlich wütender Mensch. Die Ereignisse an denen ich jemals wütend gewesen war, konnte ich an einer Hand abzählen und um ehrlich zu sein, konnte man dies dann auch nicht als Wut bezeichnen. Ich zog meine Jacke ein Stückchen weiter zu und stolzierte hinter Macaulay her, der inzwischen an der Tür angekommen war. Natürlich hielt er mir die Tür nicht auf, sondern ließ sie vor meinem Gesicht zu fallen. Ein wütendes Knurren verließ meinen Mund. Ich war noch nicht fertig mit ihm ! Mit einer Hand riss ich die Tür auf und stolzierte ins Steels. Ich sah noch eben, dass Macaulay, um die Ecke zu seinem Büro bog. Ich machte ebenfalls ein paar Schritte in dieselbe Richtung. Mein Herz pochte laut in meiner Brust, ich war voller Adrenalin gepumpt. Der Flur lag dunkel vor mir, als ich ihn durchquerte. Als ich dem Zimmer in dem ich schlief immer näher kam, spürte ich, dass etwas anders war. Eine dunkle Gestalt stand vor der Tür des Zimmers, die Tür war aufgerissen, ein Lichtstrahl erhellte seine Gesichtszüge. Ich erkannte, dass es Macaulay war. Als das Klackern meiner Schuhe signalisierte, dass ich immer näher kam, hob er seinen Kopf. Abrupt drehte er sich um und versperrte mir mit seinem Körper die Sicht auf das Zimmer. Verwirrt zog ich die Augen zusammen. „ Macau..." „ Jemand hat dein Zimmer ausgeraubt." seine Worte klangen nüchtern, so als ob er mir irgendetwas Belangloses erzählte. Ich riss die Augen auf und starrte ihn an. „ Mein Zimmer?" es war das erste Mal, dass ich es als mein Zimmer betitelte. „ Aber ich hab doch gar keine Wertgegen..."abrupt hielt ich inne, als ich an mein Geld dachte. Mein Mund klappte auf und ich spürte, wie die Panik in mir hochwallte. Es war zwar noch nicht viel Geld, aber in diesem Moment waren selbst 150 Pfund für mich eine Menge. Macaulay nickte und machte einen Schritt nach vorn. „ Du gehst da nicht zurück rein." das Schottische vibrierte durch seine Stimme. Ich merkte, dass es noch extremer wurde, wenn er wütend war . So extrem, dass ich ihn manchmal schwer verstehen konnte. „ Ich rufe Boyd an." „ Ai..Aiden?" stammelte ich vor mich hin, während ich mich fragte, was Aiden mit der ganzen Sache zu tun hatte. „ Ay." Macaulay nickte, zückte sein Telefon hervor und tippte mit seinen Fingern eine Nummer ein. Er entfernte sich ein paar Schritte von mir, um mit Aiden zu telefonieren. Nach einer Minute hatte er aufgelegt. Mein Herz war in meine Hose gesackt, mein ganzer Körper zitterte. „ W...w...was sollen wir jetzt tun?" stammelte ich vor mich hin. Ich war nervös. Wenn ich nicht mehr hier sicher war, bedeutete das dann, dass ich hier nicht mehr übernachten konnte? Dass ich kein Zuhause mehr hatte? Ich spürte, wie ein Kloß sich in meiner Magengrube bildete. „ Du kommst zu mir."

_________________________________________________________________________________


Wie versprochen heute, ein neues Kapitel :) 

Ich hoffe es gefällt euch, denn es hat mir sehr viel Spaß gemacht es zu schreiben !:) 

Ich wünsche euch eine schöne sonnige Woche !


Oceans Apart ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt