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Spinell

Aria und ich fahren in ein großes Einkaufszentrum. Dort angekommen parken wir im Parkhaus.
"So, Spinell. Erzähl mal. Wie habt ihr euch kennengelernt?", frage Aria.
"Das ist etwas schwierig..", stammle ich.
Soll ich ihr das anvertrauen? Was hab ich zu verlieren?
"Ja also.. Ich wurde gejagt und er hat mich gefunden und ich wurde festgenommen. Die Details erspare ich dir lieber. Irgendwann hat er mich befreit und mich bei sich aufgenommen", erkläre ich.
Hoffentlich stellt sie keine Fragen.
Glücklicherweise nickt sie nur.
Wir gehen in ein Geschäft für Kleidung und sehen uns etwas um.
"Hattet ihr schon Sex?", fragt sie direkt. Ich verschlucke mich und brauche etwas, bis ich mich eingekriegt habe.
"Ne-nein, hatten wir nicht", sage ich dann ganz leise.
Wieder nickt Aria nur.
"Hast du vor mit ihm zu schlafen?"
"Ist das denn wichtig?!"
"Also ja."
Ich werde knallrot und drehe mich von ihr weg.
"Heeey, ich kann dich verstehen. Er ist doch auch ein heißer Typ, sei ehrlich", stichelt sie.
"Ja ist er. Können wir jetzt über was Anderes reden?"
Sie grinst mich verschmitzt an, wendet sich dann aber der Kleidung zu. Und wie aus dem Nichts hat sie einen Stapel Klamotten in der Hand.
"Hier, die musst du nehmen, die werden dir stehen", sagt sie und drückt mir die Sachen in die Hand. Völlig überfordert gehe ich ihr hinterher und der Berg an Klamotten wird immer größer. Ich kann mir die Sachen nicht einmal ansehen, sie entscheidet einfach.
Nach einer Stunde gehen wir zur Kasse und ich bezahle die Sachen. Bei der Summe wird mir zwar schlecht, aber ich brauche diese Sachen nun mal.
"So, für den Rest des Jahres bist du eingedeckt. Jetzt besorgen wir dir Unterwäsche und was für den Urlaub", bestimmt Aria. Mit fünf Tüten gehen wir zum Laden für Unterwäsche.
"Also. Du brauchst jetzt ein paar scharfe Sachen. Und ich erkläre dir, wie du ihn rumkriegst. Du kannst mir später danken", redet sie, während sie durch die Gänge streift.
Sie hält mir eine Unterhose hin, die so durchsichtig ist, dass sie nicht mal mehr das Nötigste verdecken würde.
"Die sind ein absolutes Muss. Jeder Typ steht auf Tangas", sagt sie und greift nach mehr von solchen Teilen.
Was haben die für eine Funktion? Ich könnte auch ohne gehen, hätte den gleichen Effekt.
"Welche BH-Größe hast du?"
"75C", murmle ich.
Und kaum habe ich das gesagt, sucht sie zu jedem Unterteil ein passendes Oberteil.
Nachdem wir auch das bezahlt haben, gehen wir Etwas essen.
"Sag mal weißt du, wo ich hier einen Frauenarzt finde?", frage ich Aria.
Überrascht schaut sie mich an, fragt aber nicht weiter.
"Wir könnten direkt nach dem Shoppen hin, wenn du magst."
Ich nicke und widme mich wieder meinem Essen.

Nach gut vier Stunden, habe ich so viele Sachen, dass wir schon drei mal beim Auto waren und die Tüten abgeladen haben. Von Sommerkleidern bis Winterschuhe ist alles dabei.
Dann machen wir uns auf den Weg zum Frauenarzt.
"Soll ich mitkommen?", fragt Aria.
"Ja, das wäre lieb."
Nach einer halben Stunde Wartezeit, werde ich ins Sprechzimmer gebeten.
Dort erwartet mich eine ältere Frau und bittet mich, mich zu setzen.
"Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?", fragt sie freundlich.
"Ich war ungewollt schwanger, aber das Kind ist gestorben. Und jetzt muss es sicherlich raus", sage ich unsicher.
"Oh, das ist natürlich sehr Schade. Aber Sie haben recht, es muss raus. Wollen Sie die Überreste begraben oder sollen wir Diese entsorgen?"
"Ich will keine Überreste, vernichten Sie es bitte einfach", antworte ich kalt.
"Wie Sie wünschen."

Nicht mal eine Stunde später ist alles "raus" und ich werde nochmal ins Sprechzimmer gerufen. Dort sitzt die Ärztin schon und wartet. Sie sieht nicht sehr glücklich aus.
"Ich muss Ihnen leider etwas Unerfreuliches mitteilen", sagt sie traurig.
Ich gucke sie nur an und warte, dass sie weiter spricht.
"Uns ist bei der Behandlung ein Fehler unterlaufen. Es tut mir wirklich sehr leid, aber sie sind jetzt unfruchtbar. Sie werden keine Kinder bekommen können."
Irgendwie trifft mich das schon. Irgendwann hätte ich gern Kinder gehabt. Aber so sollte es wohl nicht sein.
Ich schlucke hart und sage: "In Ordnung."
"Wenn Sie damit nicht klar kommen, können Sie natürlich immer psychische Hilfe bekommen.."
"Ich brauche keine Hilfe, danke", sage ich schroff und stehe auf.
Schnell gehe ich raus.
"Aria, wir gehen!", sage ich laut und verlasse die Praxis. Aria kommt mir schnell hinterher, wir steigen ins Auto, aber fahren nicht los.
"Okay, du bist mir jetzt eine Erklärung schuldig. Was hat es mit der Festnahme und dem ganzen anderen Stress auf sich? Warum sind deine Füße verletzt? Was ist passiert?", fragt Aria.
Tränen steigen mir in die Augen. Doch dann überwinde ich mich und erzähle ihr alles. Kein Detail wird ausgelassen. Immer wieder strömen mir Tränen über die Wangen, meine Stimme versagt, doch als es raus ist, geht es mir irgendwie besser. Von der Festnahme, über die Vergewaltigungen bis hin zu meiner Flucht vor Kohaku, die Worte sprudeln förmlich aus mir heraus. Keine Geheimnisse mehr.
Plötzlich beugt sich Aria über die Mittelkonsole und umarmt mich.
"Ich.. Wow. Damit hab ich nun wirklich nicht gerechnet. Es tut mir wahnsinnig leid", flüstert sie.
"Aber ich bin so froh, dass Kohaku für mich da ist. Ich habe ihn in mein Herz geschlossen. Und trotzdem weiß ich kaum etwas über ihn.. Aber das ist mir egal. Ich... Ja, ich liebe ihn", sage ich schniefend.
"Dann lass uns schnell zurück fahren", sagt sie mitfühlend und startet den Motor.
Während der Fahrt laufen die Tränen unaufhörlich weiter, mein Taschentuch ist schon komplett durchnässt.
Als wir angekommen und ausgestiegen sind, kommt Aria zu mir herum und drückt mich nochmal.
"So, ich rufe jetzt Berthier an. Dann kommen die beiden runter und helfen uns beim Tragen. Allerdings ist Kohaku sicher nicht begeistert, wenn er sieht, dass du weinst. Außerdem hast du so viele schöne Sachen, da kann man gar nicht weinen", versucht Aria mich aufzumuntern.
Und tatsächlich muss ich lachen und wische mir die Tränen mit den Handrücken vom Gesicht.
"Okay, ich bin soweit", sage ich schließlich.
Aria ruft Berthier an und fünf Minuten später sind wir mit allen Tüten wieder oben. Und als ich diese ganzen Tüten da so stehen sehe, wird mir bewusst, wie viel das überhaupt ist.
Und das alles auch noch auf Kohakus Kosten..
"Berthier ich hab ganz vergessen, dass ich noch einen Termin habe. Wir müssen los", drängelt Aria und zwinkert mir unauffällig zu. Sie will, dass ich mit Kohaku allein bin. Dankbar lächle ich sie an.
Berthier seufzt nur genervt auf.
"Wir hören uns", sagt er zu Kohaku.
Aria fällt mir noch einmal um den Hals.
"Schnapp ihn dir", flüstert sie mir zu und hakt sich dann bei Berthier unter.
"Tschüss", sage ich leise und setze mich erst mal aufs Bett.
Nachdem Kohaku die Tür hinter den beiden zu gemacht hat, kommt er zu mir und setzt sich neben mich. Dann zieht er mich auf seinen Schoß.
"Warum hast du geweint?", fragt er leise.
"Woher weißt du.."
"Deine Augen sind rot und irgendwie siehst du.. Trauriger aus als sonst."
Sofort schießen mir wieder Tränen in die Augen und ich vergrabe mein Gesicht kurz an seiner Schulter.
"Ich habe es ihr erzählt. Alles. Weil sie das Recht hat, es zu wissen. Aber dann sind die Gefühle und Erinnerungen wieder hoch gekommen und ich musste weinen", schluchze ich.
Behutsam streichelt er mir über den Kopf, bis ich mich wieder beruhigt habe.
"Ich hab unsere Reise gebucht", sagt er irgendwann.
Zumindest ein kleiner Lichtblick.
"Und ich war beim Frauenarzt. Die haben mich ausgesaugt! Und ich kann keine Kinder mehr kriegen", sage ich traurig.
"Wann fliegen wir?", frage ich nach einem kurzen Moment der Stille.
"Morgen früh um neun. Deswegen müsstest du jetzt anfangen zu packen. Berthier und ich haben schon zwei Koffer geholt, meiner ist schon gepackt. Ich denke, dass du deinen sicher alleine packen willst, oder?"
Beim Gedanken, dass er meine neue Unterwäsche sieht, bevor ich sie überhaupt anhatte, schnürt sich mir die Kehle zu. Das wäre super peinlich.
Deswegen nicke ich nur.
"Was hast du dir so für Sachen ausgesucht?"
Tja, gute Frage. Hab ich mir überhaupt etwas ausgesucht?
"Gar nichts, das hat alles Aria ausgesucht..", gebe ich zu.
"Das überrascht mich jetzt eher weniger..", sagt er lachend.
Ich stehe auf und stelle mich vor Kohaku.
"Dann sollte ich wohl meinen Koffer packen", sage ich dann.
Er nickt, steht auf, holt mir einen Koffer und legt ihn geöffnet auf das Bett.
"Ich wollte nochmal los um für den Flug ein paar Kleinigkeiten zu holen, dann hast du auch erst mal deine Ruhe", sagt er während er aufsteht und zur Tür gehen will.
Aber ich will ihn noch nicht gehen lassen.
"Kohaku?"
Ich laufe ihm nach, schlinge meine Arme um ihn und atme seinen Geruch ein.
"Hey, ich bin doch gleich wieder da", sagt er, beugt sich zu mir herunter und küsst mich.
Ich will eigentlich nicht wieder von ihm getrennt sein.
"Beeil dich", rufe ich ihm nach, als er das Zimmer verlässt. Sofort ist alle Wärme aus dem Raum verschwunden.
Um die Zeit zu überbrücken, fange ich an, meinen Koffer zu packen. Als erstes natürlich die Unterwäsche, dann alles andere. Falls wir mal ausgehen sollten, haben Aria und ich sogar ein kurzes Abendkleid gekauft.
Das einzige Problem, das mir gerade auffällt, als ich meinen neuen Bikini in der Hand halte..
Ich kann nicht schwimmen. Hoffentlich wird mir das nicht zum Verhängnis..
Nachdem ich mit dem Packen fertig bin, mache ich den Koffer zu und hieve ihn vom Bett.
Gerade als ich mich hinlegen will, klopft es an der Tür.
Aber Kohaku hat doch die Karte?
Ohne weiter darüber nachzudenken, gehe ich zur Tür und mache sie auf.
Hätte ich darüber nachgedacht, hätte ich diese Tür niemals geöffnet. Dort steht nicht Kohaku. Nicht Aria. Nicht Berthier.
Nein, dort steht ein fremder Mann, der einen Schritt auf mich zu macht und seine Hand auf meinen Mund legt. Mit seinem Fuß schließt er die Tür hinter sich und drückt mich mit dem Rücken gegen die Wand.
"Du hast wohl gedacht, du könntest entkommen", sagt der Mann hämisch.
Mein klarer Menschenverstand setzt aus und macht Platz für meinen Überlebensinstinkt. Ich ramme mein Knie in seine Weichteile und er lässt von mir ab. Er krümmt sich kurz vor Schmerz und als er sich aufrichtet trifft mein Fuß ihn direkt am Kiefer. Er spuckt Blut, verliert das Bewusstsein, bricht zusammen und landet auf dem Bauch.
Vor Panik trete ich ihm kraftvoll auf die Halswirbel und drehe meinen Fuß dann ruckartig nach rechts. Ein lautes Knacken bestätigt, dass sein Genick gebrochen ist.
Dann setzen meine normalen Sinne wieder ein und ein lauter Schrei entfährt mir.
Was habe ich getan?
Aber etwas viel Wichtigeres.
Wo zur Hölle bleibt Kohaku eigentlich?

Sie gehört zu mir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt