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Spinell

"Guten Morgen Geburtstagskind", weckt mich Kohakus Stimme. Verschlafen drehe ich mich auf die Seite und ziehe mir die Bettdecke über den Kopf.
"Weck mich morgen, ja?", murmle ich. Doch da wird mir schon die Decke entrissen und ich blicke in Kohaku sein überglückliches Gesicht. Als ich seinen Partyhut bemerke, kann ich mir das Lachen nicht verkneifen und setze mich auf. Nicht mal eine Sekunde später fällt Kohaku mir um den Hals, wir fallen um und er drückt mich fest an sich.
"Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag", flüstert er in mein Ohr und küsst mich auf die Stirn. Schmunzelnd erwidere ich seine Umarmung und murmle ein leises "Dankeschön."
"Ich hab dir Frühstück gemacht", sagt er nach einiger Zeit.
"Erst will ich auch so einen coolen Hut", sage ich lachend und stehe auf.
"Kannst du gerne haben."
Und kurze Zeit später sitze ich mit einem Partyhut auf dem Kopf am Esstisch, der liebevoll gedeckt und dekoriert wurde. Serviert wird mir ein ganzer Kuchen, der besser schmeckt, als alles Andere der Erde.
"Wenn ich den aufgegessen habe, bin ich zehn Kilo schwerer..", merke ich an, nachdem ich mir wieder eine Gabel voll in den Mund geschoben habe. "Der ist echt verboten lecker", schwärme ich.
"Freut mich, dass es dir schmeckt. Ich hab ihn mit extra viel Liebe nur für dich gebacken."
Eigentlich rührt es mich, dass er sich die Zeit genommen hat, mir einen Kuchen zu backen, doch trotzdem kommt es mir komisch vor, dass es ihm nichts ausmacht, Zeit für Etwas so belangloses, wie meinem Geburtstag, zu opfern. Ich habe meinen Geburtstag seit fast zehn Jahren nicht mehr gefeiert, weil ich auch nie Jemanden hatte, mit dem ich hätte feiern können.
Nachdem ich mich geduscht habe, will ich mich ganz entspannt wieder ins Bett legen, hab meine Rechnung aber ohne Kohaku gemacht. Voller Erwartung steht er im Türrahmen und grinst mich an.
"Was wird Das?", fragt er vorwurfsvoll.
"Ich wollte mich noch ein Wenig hinlegen..."
"Ohne dein Geschenk auszupacken?"
"Ich hab doch gesagt, dass ich mir Nichts wünsche."
"Was wäre ich für ein schlechter Freund, wenn ich dir nicht mal zu deinem Geburtstag etwas schenken würde?", fragt er und zieht eine Augenbraue hoch. Ich gebe mich geschlagen, stehe auf und lasse mich von ihm in die Arme nehmen.
"Du bist doof", murmle ich an seiner Schulter.
"Aber cool. Und jetzt komm", sagt er und nimmt meine Hand. Dann führt er mich durch den Flur und bleibt vor der Tür zum Gästezimmer stehen. "Bist du bereit?", fragt er verschwörerisch.
"Habe ich denn eine Wahl?"
"Nicht wirklich. Und jetzt mach die Tür auf."
Seufzend lege ich meine Hand an die Türklinke und drücke sie ganz vorsichtig nach unten. Eigentlich erwarte ich die mir bekannte Einrichtung, doch als ich einen Blick auf das Innere erhasche, bleibt mein Herz einen Moment lang stehen und ich ziehe die Tür schwungvoll zu.
"Das ist nicht dein Ernst. Das hast du nicht getan. Sag mir, dass ich träume", herrsche ich ihn an. Trotzdem kann ich meine Freude nicht verbergen, weswegen mir Tränen in die Augen steigen, die ich versuche wegzublinzeln. Doch Kohaku zuckt nur mit seinen Schultern und lächelt mich verlegen an. Am liebsten würde ich ihm jetzt eine scheuern.
"Das kannst du nicht machen", flüstere ich.
"Hab ich aber", antwortet er und zwinkert mir zu.
"Ich hasse dich."
"Tust du nicht. Und jetzt probier ihn schon aus!"
Mit zitternden Händen öffne ich erneut die Tür und blicke auf mein Geschenk. Ein Flügel. Vorsichtig gehe ich auf ihn zu und lasse ehrfürchtig meine Finger über das edle schwarze Holz streichen.
Er muss den Verstand verloren haben, eindeutig. Ich reibe mir die Augen und blinzle einige Male um sicher zu gehen, dass ich wirklich nicht träume.
"Spielst du für mich?", höre ich Kohakus Stimme an meinem Ohr. Er umarmt mich von hinten und sein heißer Atem löst bei mir eine Gänsehaut aus.
"Ich weiß nicht, ob ich das kann.. Kohaku, ich kann dieses Geschenk nicht mal annehemen! Du musst völlig wahnsinnig sein! Wie soll ich mich dafür je revanchieren?"
"Also ich würde mich freuen, wenn du Es annehmen würdest, denn ich hab dafür keine Verwendung..."
Ich löse mich aus seinem Griff und setze mich auf den Pianistenhocker. Dann klappe ich den Deckel auf und streiche einmal über die Tasten, allerdings mit großer Vorsicht, aus Angst, etwas kaputt zu machen. Die Töne des Flügels sind glasklar und doch auf eine gewisse Art und Weise zerbrechlich. Ich spiele eine kurze, einfache Melodie, da ich mir vor Aufregung nichts schwieriges zutraue.
"Das war schön", lobt Kohaku mein Spiel.
"Ich kann es dir beibringen. Also nur, wenn du willst", biete ich etwas nervös an und mache auf dem Hocker Platz. Freudestrahlend setzt er sich zu mir.
Die nächste Stunde verbringen wir zusammen am Klavier und Kohaku stellt sich geschickter an, als gedacht. Doch für mehr, als die kleine Melodie reicht es dann doch nicht. Aber ich bin trotzdem stolz auf ihn und habe schon fast vergessen, dass er mir dieses riesige Ding geschenkt hat.
"Ich kann das nicht annehmen", flüstere ich erneut.
"Du musst", antwortet er eindringlich und streicht mir über die Wange.
"Und wenn nicht?"
"Dann weine ich."
"Bloß nicht, das wäre zu grausam.. Aber ich kann das doch nie wieder gutmachen.."
"Das sollst du auch gar nicht. Ich will nur, dass mein Mädchen an ihrem Geburtstag glücklich ist", murmelt er und läuft rot an.
"Du bist zu gut für mich", flüstere ich und falle ihm um den Hals.
"Nein, nur perfekt für dich. Also, nimmst du es an?"
"Also ich weiß nicht..", murre ich an seiner Halsbeuge.
"Hey, sieh mich an."
Ich tue, was er sagt und kurze Zeit später liegen seine Lippen auf meinen.
"Und?", fragt er erwartungsvoll.
"Ist ja gut, ich nehme ihn..", gebe ich mich geschlagen.
"Na bitte." Genau in diesem Moment klingelt es an der Tür.
"Wer ist das?", frage ich Kohaku, der aufsteht und zur Tür geht. Allerdings antwortet er nicht, sondern öffnet die Tür. Unsicher stehe ich auf und kurz darauf höre ich schon ein aufgedrehtes Kreischen und Aria stürmt durch die Tür auf mich zu.
"Spineeeeeeell! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!", ruft sie und fällt mir um den Hals. Überwältigt taumle ich ein paar Schritte zurück, erwidere ihre Umarmung aber trotzdem. Als ich dann auch noch Berthier hinter ihr hervortreten sehe, fallen mir fast die Augen heraus. Er hat lauter Tüten an den Armen und einen riesigen Strauß Blumen in den Händen.
"Ich konnte mich einfach nicht entscheiden, was ich dir schenken soll, also habe ich alles genommen!", redet Aria drauf los und geht einige Schritte von mir zurück. Sie geht zu Berthier, nimmt ihm die Blumen aus der Hand und überreicht sie mir.
"Die sind für dich. Für wen auch sonst? Und das alles ist auch für dich!" Enthusiastisch zeigt sie auf die Tüten, die Berthier eine nach der anderen abstellt.
"Das wäre nicht nötig gewesen", melde ich mich auch mal zu Wort. Völlig verblüfft starrt Aria mich an und ich sehe Kohaku, der nun neben Berthier steht, hilfesuchend an. Aber wie immer lächelt er nur und zuckt mit den Schultern. Ich schaue wieder zu Aria, die mich immer noch anstarrt, als hätte ich ihren Hund vor ihren Augen ausgeweidet.
"Du. Hast. Geburtstag. Natürlich ist das alles nötig gewesen! Was sagst du eigentlich zu Kohakus Geschenk? Warum bist du so bescheiden? Das ist dein Tag, nur deiner! Lass dich feiern und genieß die Aufmerksamkeit!" Erinnerungen an früher überkommen mich, mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und Tränen steigen mir in die Augen. Schnell wische ich sie weg, als mich jemand an sich drückt. Überraschenderweise ist es weder Kohaku, noch Aria, sondern Berthier. Eigentlich ist er eher kühl und distanziert, das komplette Gegenteil von Aria. Seine Umarmung ist auch irgendwie distanziert, aber trotzdem wohltuend.
"Wir wissen alle, was du durchmachen musstest. Aber bitte mach an deinem Geburtstag nicht so ein Gesicht. Vergiss, was früher war, zumindest für heute. Wir wollen dir einen schönen Tag machen, an dem es keinen Grund zum Weinen gibt, okay?", sagt er und wischt mir eine Träne von der Wange. Seine Worte berühren mich und lassen mich meine Vergangenheit für einen Moment vergessen.
"Alles Gute zum Geburtstag", sagt er schließlich und lässt mich los.
"Ich danke euch allen so sehr", murmle ich schniefend und wische mir die letzten Tränen aus dem Gesicht und versuche zu lächeln.
"Und jetzt sieh dir deine Geschenke an!", sagt Aria triumphierend.

Am Abend verlassen Aria und Berthier uns wieder. Wir hatten einen wundervollen Tag und sehr viel Spaß zusammen. Außerdem waren alle von meinem Amateurspiel auf dem Flügel fasziniert. Jetzt führt Kohaku mich zum Essen aus. Ich trage eines der Outfits, die ich geschenkt bekommen habe und habe mir mit meinem Makeup besonders viel Mühe gegeben. Wir sitzen in einem französischen Restaurant und haben soeben unser Hauptgericht gegessen. Zum Nachtisch bestelle ich mir ein Zitronen-Parfait und Kohaku bestellt sich Mousse au Chocolat.
Nachdem wir auch damit fertig sind, sitzen wir noch eine Weile mit einem Glas Wein am Tisch und unterhalten uns.
"Und, wie hat dir dein Geburtstag gefallen?"
"Er war einfach fantastisch", schwärme ich. Und das war er wirklich. Es ist seltsam, wenn sich alle nur für dich interessieren, aber auf eine seltsame Art ist es schön, im Mittelpunkt zu stehen.
"War?", fragt Kohaku skeptisch.
Lachend schüttle ich den Kopf. "Er ist immer noch fantastisch."
Zufrieden lächelnd lehnt er sich zurück und mustert mich eindringlich. Nur irgendwie liegt eine Spannung in der Luft.
"Kann ich dieses fantastisch denn noch steigern?", fragt er leise. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut und will mit Kohaku allein sein.
"Wer weiß?" Er lehnt sich wieder vor und greift nach meinen Händen.
"Ich wollte dich noch etwas fragen..", sagt er und wirkt plötzlich sehr nervös.
"Nur zu", sage ich etwas verwirrt und spüre, wie mein Herz anfängt, schneller zu schlagen.
"Es ist sehr wichtig." Meine Anspannung steigt und ich habe ein klein wenig Angst vor dem, was kommen könnte.
Ich nicke und schlucke schwer, mache mich dennoch auf alles bereit.
"Ich weiß, dass das vielleicht etwas früh kommt und ich bin gerade ziemlich aufgeregt, deswegen.."
"Nun spuck's schon aus."
"Das ist nicht so leicht, ich, also, ehm..." Unsicher schaut er mich an, atmet durch und steht auf. Er läuft um den Tisch herum zu mir und lässt meine Hände dabei nicht los. Meine Nervosität hat ihren Höhepunkt erreicht und ich könnte schwören, mein Herz schlägt mit zehnfacher Geschwindigkeit.
Ich drehe mich auf dem Stuhl zu ihm und plötzlich geht er vor mir auf die Knie. Mein Herzschlag setzt aus. Liebevoll blickt er zu mir auf und hält meine Hände ganz fest.
"Willst du meine Frau werden?"

Sie gehört zu mir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt