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Kohaku

Ich halte sie in meinen Armen und sie ist so unglaublich... zerbrechlich. Die Art, wie sie mich bat bei ihr zu bleiben ließ mein Herz beinahe schmelzen. Ich habe eigentlich gedacht, dass es ihr schwerfällt, sich in der Anwesenheit eines Mannes auch nur in irgendeiner Weise wohl zu fühlen. Aber ich habe mich wohl getäuscht. Sie kuschelt sich dicht an mich heran, Tränen laufen ununterbrochen über ihre Wangen.
Und sie soll die blutrünstige Mörderin sein von der alle gesprochen haben? Das kann nicht sein. Dieses wundervolle Geschöpf kann zu solchen Taten nicht fähig sein, das muss ein Missverständnis sein.
...Moment mal, was denke ich da eigentlich?
Schießt es mir durch den Kopf. Für diese Gedanken fühle ich mich augenblicklich schlecht, bin jedoch froh, dass ich das nicht laut ausgesprochen habe.
Spinell ist sehr schnell eingeschlafen, doch es scheint ein unruhiger Schlaf zu sein, denn sie wälzt sich hin und her, murmelt unverständliche Sachen und schlägt um sich.
Plötzlich fängt sie an zu schreien, setzt sich auf und Tränen strömen über ihr Gesicht. Sofort schalte ich die Nachtlampe an, rutsche zu ihr und nehme sie in den Arm.
"Es ist alles gut, es war nur ein Traum. Ich bin hier und beschütze dich", flüstere ich ihr zu. Sie hält sich die Hände vor das Gesicht und schluchzt auf.
"I-ich.. ich war wieder dort. U-u-und da war w-wieder dieser... Stuhl und ich wu-wur-wurde wieder...", weiter kommt sie nicht, denn ein erneuter Schluchzer schneidet ihr das Wort ab.
"Hier ist kein Stuhl, du bist in meinem Bett, bei mir und in Sicherheit. Hab keine Angst", rede ich ihr gut zu. Sie dreht sich etwas mehr zu mir und fällt mir aufeinmal um den Hals.
"Ich habe solche Angst..", flüstert sie in mein Ohr. Wie gerne ich ihr diese Angst nehmen würde, nur ich weiß einfach nicht wie.
"Komm, leg dich nochmal hin und versuche noch ein wenig zu schlafen, ich passe auf dich auf", sage ich während ich sie sanft ablege und erneut zudecke. Wie zuvor kommt sie auch diesmal wieder zu mir, aber ich habe damit kein Problem.
Ich könnte mich daran gewöhnen..
Am liebsten hätte ich mich für diesen Gedanken geschlagen. Ich muss einfach auch müde sein und beschließe, auch ein wenig die Augen zu schließen. Spinell ist schon wieder eingeschlafen, dieses Mal aber in einen ruhigen Schlaf.
Ich richte noch mein Kissen und mache dann auch die Augen zu und schlafe ein...

Als ich aufwache ist es draußen hell, einige Sonnenstrahlen fallen durch das Fenster ins Zimmer. Spinell schläft noch genau in der Position in der sie auch eingeschlafen ist.
Wenn ich mich jetzt bewege werde ich sie womöglich aufwecken, das darf ich nicht riskieren. Jede Sekunde Schlaf ist für sie wertvoll.
Mein Blick ruht auf ihr, ich mustere ihr Profil genauer. Ihr Gesicht ist abgesehen von den blauen Flecken und Rötungen vom Weinen geradezu hinreißend. Makellos wie das einer Puppe. Eine Haarsträhne fällt ihr ins Gesicht und sanft streiche ich sie weg.
"Wie lange willst du mich noch anstarren?", höre ich auf einmal ihre Stimme. Anscheinend schläft sie doch nicht mehr. Peinlich berührt wende ich mich ab. Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer mehr vor ihr blamiere.
"Warum schaust du eigentlich immer gleich weg? Hab ich etwas falsches gesagt?", fragt sie verwirrt. Ich entscheide mich, der Frage aus dem Weg zu gehen und frage stattdessen: "Hast du Hunger oder so? Brauchst du irgendwas?"
"Nein, alles in Ordnung", antwortet sie und richtet sich auf. Verschlafen reibt sie sich ihre Augen und streckt sich danach.
"Hast du gut geschlafen?", fragt sie.
"Ja, habe ich. Und du?", frage ich zurück.
"Ich habe prima geschlafen"
Anscheinend erinnert sie sich nicht an den kleinen Zwischenfall in der Nacht. Vielleicht ist es auch besser so. Ich stehe auf und strecke mich ebenfalls, dann öffne ich meinen Kleiderschrank und nehme mir eines meiner schwarzen T-Shirts und eine Hose hinaus.
"Ich bin kurz im Bad wenn du mich suchst", sage ich noch und gehe ins Bad.

Spinell

Diese Nacht habe ich zum ersten Mal seit langem recht gut geschlafen. Einen langen erholsamen Schlaf. Jetzt bin ich halbwegs ausgeruht und mehr oder weniger fit.
Ob es für Kohaku seltsam war, dass ich so dicht an ihn gedrängt geschlafen habe?
Wenn es ihn gestört hätte, dann hätte er etwas gesagt.

Kohaku ist eben im Bad verschwunden. Seine Haare waren vom Schlaf verwuschelt, das ließ ihn auf irgendeine Weise jünger aussehen. Aber was soll das schon heißen, wie alt soll er sein? Ich schätze ihn auf 24 oder so. Ich mache mich ebenfalls daran aufzustehen, doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Deckenhaufen kein Ende nimmt. Endlich habe ich es heraus geschafft und versuche jetzt, aufzustehen, doch meine Beine sind wackelig und ich fühle mich, als würde ich jeden Moment umkippen. Meine Sicht verschwimmt und für einen kurzen Moment wird mir alles schwarz vor Augen. Der Schwindel überkommt mich und ich falle zurück auf das Bett. Ich schließe die Augen einen Moment und bleibe einige Sekunden so liegen.
Was war denn das?
Ich starte einen zweiten Versuch, dieses Mal bin ich erfolgreich und stehe. Jetzt kommt der schwierige Teil, das Laufen. Aber es geht einfacher als am Anfang gedacht. Es ist zwar nicht leicht und bereitet mir ziemliche Schmerzen, doch immerhin schaffe ich es, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Selbstzufrieden grinsend werfe ich jetzt einen Blick zu meinem Ziel, der Tür, wo ich Kohaku entdecke. Er steht lässig an den Türrahmen gelehnt und grinst mich seltsam an. Vor Scham laufe ich rot an.
"Was grinst du denn so?", frage ich.
"Ach nur so. Ich bewundere deine Kämpfernatur. Ich sehe, dass es dir nicht leicht fällt und dass du Schmerzen haben musst, weiß ich auch. Doch du läufst einfach weiter, als ob nichts wäre", erklärt er sich. Diese Wörter machen, dass mir noch mehr Hitze in den Kopf steigt.
Ich muss cool bleiben.
"Ist ja eine interessante Art einer Frau ein Kompliment zu machen", grinse ich zurück.
"Das sollte nicht..."
"Ach, du wolltest mich also beleidigen?"
"Nein, aber... Also... Ach Mist. Okay, du hast gewonnen"
Da muss ich grinsen. Ich sehe, wie auch er rot anläuft, aber ich will das alles nicht in diese Richtung lenken.
"Also wenn du mich fragst, ich habe auf einmal riesigen Hunger!", sage ich um die Situation zu retten. Jetzt schaut er mich wieder an, dir Röte ist auch schon fast verschwunden.
"Ich auch. Schaffst du es alleine in die Küche oder brauchst du Hilfe?"
"Ich kann das schon alleine"
Bloß nicht schwach wirken. Ich bin stark, ich schaffe das. Er zuckt noch die Schultern, dann dreht er sich um und geht.
Konzentrier dich Spinell. Lass dir von ihm nicht den Kopf verdrehen, du weißt wozu Männer fähig sind.
Und allein der Gedanke jagt mir einen Schauer nach dem Anderen über den Rücken. Ich kann mir jedoch beim besten Willen nicht vorstellen, dass er böse Absichten hat. Jetzt schiebe ich diese Gedanken aber bei Seite und mach mich auf den Weg in die Küche. Langsam aber sicher komme ich vorwärts, bis ich endlich ankomme.

Kohaku und ich frühstücken zusammen. Dann bleiben wir jedoch noch sitzen, er schaut mich erwartungsvoll an.
"Was ist? Warum kannst du mich nicht einfach fragen, was du fragen willst", gehe ich ihn an. Er wirkt leicht erschrocken, aber ich musste das mal sagen.
"Ich wollte mit dir reden. Was.. Was dir angetan wurde beschäftigt mich und es lässt mir einfach keine Ruhe."
"Warum...Warum willst du das wissen?", sofort habe ich wieder die Bilder vor Augen. Mir wird schlecht bei dem Gedanken daran. Ich schlinge meine Arme um mich, brauche irgendeinen Halt.
"Ich möchte dir irgendwie helfen, aber ich weiß nicht wie. Ich habe keine Ahnung was man dir angetan hat. Ich muss es einfach wissen, muss wissen, wofür ich die Verantwortung trage."
"Also gut..."

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