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Kohaku

Spinell ihre Stimmung lässt mich im Dunkeln tappen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Treffen der beiden besonders schön war. Vor dem Treffen wirkte Spinell noch total verängstigt, doch jetzt macht sie einen sehr amüsierten Eindruck. Auch, dass sie wie selbstverständlich nach meiner Hand gegriffen hat und völlig abwesend, doch immer noch grinsend neben mir herläuft, kommt mir suspekt vor.
Während meine Gedanken auf dem Weg zum Auto nur so durch meinen Kopf jagen, bemerke ich kaum, dass Spinell immer mehr taumelt. Unkontrolliert setzt sie die Füße voreinander und hängt sich immer mehr in meinen Arm rein.
"Ist alles okay mit dir?", frage ich besorgt und bleibe stehen. Schwankend bleibt auch Spinell neben mir stehen. Ihr Kopf hängt schlapp nach unten und ihre dunklen Haare verdecken ihr Gesicht.
"Kann ich mich kurz hinlegen?"
"Das ist so ziemlich der schlechteste Moment zum Hinlegen, weißt du?" Doch meine Worte erreichen sie zu spät. Sie lässt sich vollends gegen mich fallen, während ihr ganzer Körper erschlafft.
Na super.
Ungeschickt fange ich sie auf und nehme sie auf den Arm. Schnell laufe ich den restlichen Weg zum Auto und versuche Spinell einigermaßen aufrecht auf den Beifahrersitz zu setzen. Sollte ich sie jetzt ins Krankenhaus fahren?
Da ich keinen Rat weiß, wähle ich die Nummer von meinem besten Freund Berthier. Nach dem 3. Klingeln geht er endlich ran.
"Hey, was gibt's?", meldet er sich am anderen Ende. Berthier ist seit 10 Jahren mein bester Freund und ich kann mich immer auf ihn verlassen.
"Ich hab da so ein klitzekleines Problem.." Wie fasst man so was am besten in Worte?
"Sprich es einfach aus. Solange du keine Leiche loswerden willst, helf ich dir natürlich."
"Das ist schwieriger als du denkst. Aber gut, was soll ich mit einer ohnmächtigen Frau tun?"
"Was? Warum zum Teufel hast du eine ohnmächtige Frau bei dir?! Was hast du getan?"
Ich wusste, dass er so reagieren würde. "Es ist anders als du denkst, wirklich. Aber was soll ich jetzt machen? Soll ich sie ins Krankenhaus bringen?"
"Warum ist sie überhaupt ohnmächtig? Ich hoffe du hast keine bösen Absichten?" Sein Ton macht mehr als deutlich, dass er nicht überzeugt ist.
"Gott, Berthier nein! Habe ich jemals eine Frau auch nur angefasst? Ich rufe nicht an um mich vor dir zu rechtfertigen, sondern weil ich deine Hilfe brauche!"
"Ist ja gut, ich mache mir doch nur Sorgen. Also, warum ist sie ohnmächtig? Hast du sie irgendwo gefunden oder was?"
"Nein, ich habe sie abgeholt und auf dem Weg zum Auto ist sie mir wie in Zeitlupe davon geglitten", erkläre ich kurz die Situation.
"Seit wann datest du bitte Frauen?", fragt Berthier verblüfft.
"Das steht doch jetzt gar nicht zur Debatte, sag mir einfach was ich nachts mitten in der Stadt mit einer bewusstlosen Frau machen soll!" Langsam geht mir seine Fragerei auf die Nerven.
"Nimm sie lieber erst mal mit zu dir. Ich weiß ja nicht was zwischen euch passiert ist, aber wenn deine Erklärung im Krankenhaus genau so lausig ist wie die jetzt gerade eben, werden dich alle für einen perversen Schänder halten. Welcher Mann kommt schon mitten in der Nacht mit einer Bewusstlosen in die Rettungsstelle? Das ist zu gefärlich. Nimm sie erst mal mit zu dir und ruf mich morgen früh nochmal an, dann sehen wir weiter." Ich denke einen Moment über seine Worte nach. Aber mir fällt auch nichts besseres ein.
"Alles klar, danke Berthier."
"Wann erzählst du mir mehr über sie? Können wir morgen Abend mit deiner Anwesenheit rechnen?"
"Tut mir echt leid, aber ich muss jetzt los. Grüß Aria von mir, wir hören uns dann morgen." Und mit diesen Worten lege ich auf. Dann steige ich auch ins Auto, starte den Motor und fahre zügig nach Hause.
Während der Fahrt werfe ich immer wieder besorgte Blicke zu Spinell herüber. Noch immer hängt ihr Kopf ohne jegliche Spannung nach unten.
Zuhause angekommen trage ich Spinell ins Haus und lege sie vorerst auf dem Sofa ab. Dann schließe ich die Haustür ab und ziehe ihr die Schuhe aus.
Selbst das Ausziehen ihrer Schuhe fühlt sich für mich an, wie eine Straftat.
Aber sie gibt in ihrer derzeitigen Lage auch das perfekte Opfer ab. Völlig wehrlos und friedlich schlafend liegt sie da vor mir.
Noch nie im Leben habe ich eine Frau wirklich angefasst. Vorsichtig setze ich mich zu ihr auf die Couch und streiche ihr vorsichtig über das Gesicht.  Selbst dieser Hauch von Berührung löst in mir ein nie dagewesenes Kribbeln aus. Ich würde sie jetzt zu gern berühren. Haut auf Haut spüren, während meine Hände vorsichtig ihren Körper Zentimeter für Zentimeter erkunden und sich sämtliche Rundungen und Knochenvorsprünge in mein Gedächtnis einbrennen.
Überwältigt von meinen Gefühlen weiche ich hastig von ihr zurück. Sie ist wirklich das perfekte Opfer. Allein für die Gedanken gerade eben würde ich mich gern ohrfeigen. Noch bevor etwas passiert, was ich bereuen werde, stürme ich ins Badezimmer, lege meine Sachen ab und springe förmlich unter die Dusche. Eiskaltes Wasser fließt meinen Körper herunter und soll eigentlich meinen Kopf rein waschen, doch irgendwie macht mich das kalte Wasser noch mehr an.
Wie es wohl aussieht, wenn Spinell ihre Haut vom Wasser benetzt ist? Oder wie fühlt sich das an?
Schnell klatsche ich mir mit meinen Händen ins Gesicht und raufe mir die Haare. Ich bin hart. Und das nur bei dem Gedanken an Spinell, wie sie da so hilflos auf meinem Sofa liegt. Aber so kann ich nicht raus gehen. Dann würde ich mich wahrscheinlich nicht beherrschen können und würde wie ein wildes Tier über sie herfallen.
Angewidert von mir selbst nehme ich die Sache buchstäblich in die Hand und setze dem ganzen innerhalb von Sekunden ein Ende. Körperlich fühle ich mich befreit, sogar sehr. Aber geistig belastet es mich nur noch mehr.
Ich habe mir auf eine schlafende Frau einen runtergeholt. Wie weit bin ich eigentlich gesunken? Wie soll ich ihr jetzt noch in die Augen schauen?
Und warum fühlt es sich für mich an, als hätte ich ein Verbrechen begangen?
Da das kalte Wasser nichts bewirkt, drehe ich den Wasserhahn auf heiß. Ich muss diese Gedanken verbrennen und mir wieder bewusst machen, in was für einer Situation wir hier eigentlich sind. Doch auch das kochendheiße Wasser lenkt mich nicht ab, deswegen seife ich mich schnell ab und steige dann dampfend aus der Dusche.
Verdammt, was ist nur mit mir los? So etwas hatte ich ja noch nie.
Doch auch nachdem ich mich befriedigt habe, spuken mir weiterhin verdorbene Fantasien im Kopf herum. Aber woher kommt das? Es fühlt sich falsch an.
Nein, es fühlt sich verdammt gut an, das kann einfach nicht falsch sein.
Aber es sollte falsch sein. Allein wegen der Tatsache, dass Spinell bis vor kurzem täglich vergewaltigt wurde.
Was kann ich dafür? Ich habe doch damit nichts zu tun!
Ich wünsche mir, dass ich die nötige Vernunft besitze, um mich von ihr fernhalten zu können.
Doch mein Wunsch bleibt unerhört, denn trotz aller zurückgebliebender Vernunft zieht es mich schon wieder zu Spinell. Ich binde mir ein Handtuch um die Hüften und schleiche mich dann ins Schlafzimmer um mir etwas über zu ziehen. Danach gehe ich nach einem tiefen Atemzug zurück ins Wohnzimmer um Spinell ins Bett zu bringen.
Mein Kopf sagt mir, es wäre besser heute auf der Couch zu schlafen. Doch mein Körper sagt das genaue Gegenteil und zwingt mich geradezu bei ihr zu bleiben.
Nachdem ich sie hingelegt und zugedeckt habe, lege ich mich auf meine Seite des Bettes. Einige Minuten starre ich die Decke an, aber mir wird schnell klar, dass ich das Schlafen für heute Nacht vergessen kann. Zu viele Gedanken schwirren in meinem Kopf herum und außerdem liegt Spinell neben mir. Obwohl nichts an dieser Situation anzüglich ist, fühle ich mich unbehaglich und wie der letzte Spanner.
Ich springe aus dem Bett und gehe ins Wohnzimmer. Die Schlafzimmertür schließe ich hinter mir und laufe dann auf das Sofa zu. Dort lasse ich mich erst mal fallen und versuche einen Moment an nichts zu denken.
Warum war Spinell in dieser Bar?
Meines Wissens nach waren sie doch in einem griechischen Restaurant? Wenn Spinell wieder aufwacht, wird sie mir wohl einige Fragen beantworten müssen.

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