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Kohaku

"Das gefällt mir einfach nicht!", murrt Spinell und desinfiziert meine Wunde.
"Mach das doch mal mit mehr Liebe", stichel ich.
"Hättest du besser aufgepasst, wäre das auch nicht passiert", gibt sie zurück.
"Ja, Frau Doktor."
Ihr Gesicht läuft rot an und sie wendet ihren Blick ab.
"Halt den Mund", flüstert sie.
Dann macht sie noch eine Salbe auf den Kratzer und zum Schluss klebt sie ein großes Pflaster drüber.
"Dankeschön."
"Dafür doch nicht."
Sanft legt sie ihre Arme an meinen Hinterkopf und drückt ihre Lippen auf meine.
"Komm, ich mach dir was zu essen."

Nach dem Essen waschen wir das benutzte Geschirr ab und räumen die Küche auf.
"Ich schulde dir noch ein wenig Training, kann das sein?"
"Jetzt?", fragt sie mit strahlenden Augen.
Ich zucke mit den Schultern und antworte: "Wann sonst?"
"Und wo?"
"Wir könnten die Couch und den Tisch etwas beiseite schieben, dann haben wir Platz."
"Dann ziehe ich mir schnell was anderes an", sagt sie und geht ins Schlafzimmer.
In der Zwischenzeit schiebe ich besagte Möbel zur Seite und schalte den Fernseher aus.
Spinell trägt nun eine Leggings und einen Sport-BH. Ihre Haare hat sie zu einem hohen Zopf gebunden und ihre Augen funkeln herausfordernd.
"Dir gebührt der erste Angriff", erkläre ich.
"Okay", sagt sie, atmet tief durch und knackt mit ihrem Genick.
Ich gehe etwas in die Knie und mache mich für den Angriff bereit.
Langsam kommt sie auf mich zu und hebt ihre Hände schützend vor das Gesicht.
In schneller Abfolge versucht sie mit ihren Fäusten auf mich einzuschlagen, doch es gelingt mir größtenteils, alles abzuwehren. Dann dreht sie sich schnell um sich selbst und ihr Fuß rast auf mich zu. Im letzten Moment bekomme ich sie am Fußgelenk zu fassen.
"Du musst dein Knie schneller hochziehen", sage ich, während ich weiteren Angriffen ausweiche.
"Ich bin einfach aus der Form", keucht sie zwischen ihren Tritten und Schlägen.
Nach einigen Minuten tauschen wir die Rollen und ich fange an, anzugreifen.
Geschickt weicht sie aus und ich lande anfangs keinen einzigen Treffer. Allerdings lege ich nicht meine gesamte Kraft in die Angriffe, da ich zu große Angst habe, Spinell zu verletzen.
Doch plötzlich ist sie unachtsam und meine Faust trifft sie etwas zu hart am Kiefer.
Sie taumelt einige Schritte zurück, sinkt zu Boden und hält sich das Gesicht.
Erschrocken bücke ich mich neben sie und ziehe ihren Kopf an meine Brust.
"Das tut mir so leid, ich wollte nicht.."
"Ich hab mir auf die Zunge gebissen", sagt sie mit herausgestreckter Zunge. Und tatsächlich blutet sie an einer Stelle, allerdings kann ich mir bei dem Anblick das Lachen nicht verkneifen.
"Das ist nicht witzig", meckert sie.
"Ich wollte dich nicht treffen.."
"Hast du aber."
"Tut mir leid. Als Wiedergutmachung darfst du mich auch attackieren, ohne, dass ich ausweiche oder mich wehre", schlage ich vor.
"Gut. Hier kommt deine Strafe. Mach deine Augen zu."
Etwas ängstlich schließe ich meine Augen und beiße meine Zähne fest zusammen. Mein Herz fängt an zu rasen, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt. Einige Sekunden verstreichen, in denen sich meine Aufregung immer weiter steigert, doch dann landen lediglich Spinell ihre Lippen kurz auf meinen.
"Hattest du Schiss?", fragt sie verschmitzt lächelnd.
"Na warte..", flüstere ich, stürze mich auf sie und kitzle sie an den Seiten. Lachend krümmt sie sich und fleht um Gnade.
"Was krieg' ich dafür?"
"Alles was du willst!", quitscht sie.
"Wirklich alles?"
"Ja, aber bitte hör endlich auf!"
Ich nehme meine Hände weg und lasse sie wieder zu Atem kommen.
"Ich überlege mir etwas", sage ich nachdenklich.
So eine Chance werde ich sicher nicht so schnell wieder bekommen.
"Lass mir einen letzten Angriff", bittet Spinell.
Ich nicke zustimmend und gehe wieder in Verteidigungshaltung.
Angriffslustig leuchten ihre Augen.
Dann deutet sie einen Schlag an, zieht mir mit dem Fuß aber die Beine unter mir weg, sodass ich zu Boden gehe. Einen Moment lang ringen wir auf dem Boden, bis sie schließlich die Oberhand gewinnt und triumphierend auf mir thront.
"Wie beim ersten Mal", bemerke ich.
"Ich wusste, dass Das zieht."
"Du bist einfach unglaublich. In deiner Höchstform möchte ich nicht dein Gegner sein", gebe ich ehrlich zu.
"Ich will dich auch niemals zum Gegner haben. Ich kann dir nicht weh tun."
"Aber wenn wir üben erwarte ich, dass du dich nicht zurückhältst, verstanden?"
"Sir, ja, Sir!", salutiert sie und entlockt mir damit ein Lachen. Dann steht sie von mir auf und hilft mir hoch.
"Wir müssen uns langsam einen Plan machen, wie wir Jason aus dem Weg räumen können", sage ich.
Schon bei seinem Namen verkrampft sich ihr gesamter Körper und sie wirkt etwas abwesend. Wahrscheinlich erinnert sie sich gerade an unangenehme Dinge, die sie nie hätte erleben dürfen.
Dinge, an denen ich Schuld bin.
Wir gehen in die Küche und setzen uns an den Tisch, um zu reden.
"Wie wollen wir vorgehen?"
"Ich will ihn frontal angreifen. Über den Rest mache ich mir keine Gedanken."
Das sollte sie aber. Denn der Tower ist besser überwacht, als sie vielleicht denkt.
"Du kannst nicht einfach dort rein spazieren und mal eben zum Boss gehen. Entweder man gewährt dir eine Privataudienz oder du legst sämtliche Wachen um und stürmst das Gebäude. Allerdings könnte das sehr schwierig werden, dort sind nämlich unglaublich viele Menschen untergebracht. Deshalb müssen wir irgendwie dafür sorgen, dass du eben diese Privataudienz erhältst."
Einen Moment lang schweigt sie.
"Wie bekomme ich so etwas?", fragt sie dann.
Da bin ich mir aber auch nicht sicher. Sie müsste einen triftigen Grund haben, Jason höchstpersönlich zu treffen, ansonsten ist es schier unmöglich.
"Und wenn ich einfach hingehe und sage, dass ich seine Tochter bin?"
Daran habe ich noch gar nicht gedacht.
"Man könnte im Sekretariat anrufen und sich erkundigen. Es wird sich sicher rumgesprochen haben, dass Jason seine Tochter abhanden gekommen ist. Und falls es nicht klappt, überlegen wir uns etwas anderes."
Kurz überlegt sie, nickt dann aber.
"Womit greife ich ihn am besten an?"
"Ich weiß es nicht. Zur Sicherheit würde ich mehrere Waffen an deinem Körper anbringen, sodass du immer etwas griffbereit hast."
"Gut."
Bleibt nur noch eine Frage.
Wie kann ich sie begleiten und vor Ort unterstützen?
Darüber muss ich mir später Gedanken machen.
"Ich muss mich aber noch etwas vorbereiten", merkt sie an.
"Wir ziehen das doch jetzt noch nicht durch. Es ist nur gut, schon mal einen Plan zu haben. Wir machen es, wenn du dich bereit fühlst, einverstanden?"
"Ja", flüstert sie unsicher.
"Das wird schon", sage ich aufmunternd.
Sie zwingt sich ein Lächeln auf die Lippen und sagt: "Du hast Recht."
"Umarmung?", frage ich und stehe auf.
Wortlos nickt sie und kommt zu mir.
"Wir schaffen das schon. Es ist ja noch ein wenig Zeit und bis dahin bekomme ich dich schon wieder in Topform. Ich bin ab jetzt dein Personal Trainer. Aber ich bin sehr streng, verstanden?"
Ehrlich lachend umarmt sie mich noch etwas fester.
"Ich steh drauf, wenn du streng zu mir bist", flüstert sie verführerisch.
"Dann fang an mit 100 Liegestützen!"
"Und wenn nicht?"
"Dann wirst du bestraft."
"Okay, das nehme ich in Kauf. Besser als Liegestütze.."
"Hast du Lust, heute noch Etwas zu machen?"
"Solange ich dich danach vernaschen darf, bin ich dabei."
Ihre Worte erregen mich auf irgendeine Art und Weise, aber ich muss Dem jetzt standhalten. Jetzt ist nicht die Zeit dafür.
"Darf ich dich ins Kino einladen?"
"Solange wir keine Dokumentation gucken, gerne."
"Schaaade, ich dachte, wir schauen uns eine Doku über Dinosaurier an."
"Du Spinner", murmelt sie, als sie von mir ablässt.
"Soll ich was Bestimmtes anziehen?", fragt sie, bevor sie ins Schlafzimmer geht.
Ich überlege kurz, dann antworte ich: "Am besten Etwas von mir. Dann sieht jeder gleich, dass du nicht zu haben bist. Außerdem sieht es niedlich aus."
In Wahrheit will ich nur nicht, dass andere Männer sie begaffen.
So etwas wie bei der Strandparty soll nie wieder passieren. Diese Männer sind kein Stück besser als Jason und haben sicherlich genau so kranke Fantasien.
Spinell kommt mit einer Jeans und einem Pullover von mir wieder.
"Ich bin schnell duschen", sagt sie und verschwindet im Bad.
"Beeil dich, ich will auch noch", rufe ich ihr nach.

Eine halbe Stunde später stehen wir fertig im Treppenhaus.
"Darf ich fahren?", fragt sie hoffnungsvoll.
Eigentlich lasse ich nie jemanden mit meinem Auto fahren. Aber in den letzten Tagen ist sie auch damit gefahren. Außerdem stört es mich bei ihr nicht, denn ich vertraue ihr.
"Du hast doch sowieso den Schlüssel", antworte ich also.
Freudig läuft sie die Treppe nach unten in die Tiefgarage.
Zum Glück reicht ihr mein Pullover bis über den Hintern, sodass für Fremde nichts von ihren weiblichen Vorzügen zu sehen ist.
Zufrieden steige ich unten ins Auto ein, wobei es ein komischer Gefühl ist, im eigenen Auto der Beifahrer zu sein.
Sie parkt aus, als hätte sie jahrelange Erfahrung damit.
"Wie alt bist du eigentlich?", frage ich neugierig.
"Diese Frage kommt ja früh", antwortet sie lachend.
"Ich bin 21. Und du?", sagt sie dann.
"24."
Ich finde es immer noch beeindruckend, wie sicher sie den Wagen durch die Straßen lenkt. Zu Beginn der Fahrt habe ich im Navi ein Kino rausgesucht, das ein Stück weiter weg ist, damit sie ein bisschen fahren kann.
"Und wann hast du Geburtstag?", fragt Spinell.
"Am zweiten April, und du?"
"14. Dezember."
"Das ist ja bald. Gibt es Etwas, dass du dir zu deinem Geburtstag wünschst?"
"Ja, dich. Mit einer Schleife um den Hals", sagt sie lächelnd und wirft mir einen Blick zu.
"Das sollte machbar sein. Aber wie wäre es mit Etwas, das du noch nicht hast?"
"Ja, dich mit Schleife."
Wie es scheint, werde ich mir wohl selbst Etwas ausdenken müssen. Aber ich habe schon eine Idee.

Zwanzig Minuten später sitzen wir bereits mit Popcorn bewaffnet auf unseren Plätzen und warten, dass der Film beginnt.
Ich lege Spinell einen Arm um die Schultern und sie schmiegt sich an mich. In genau dieser Haltung verbringen wir die nächsten zwei Stunden.

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