Take 3

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„Der Sheriff hat dir also ein Zuhause angeboten."
„Nur vorübergehend."
„Und war das eine gute Idee?"

Ich habe keine Ahnung was ich auf diese Frage antworten soll. Nicht aus Angst vor Ehrlichkeit, nicht aus Angst vor verurteilenden Blicke, sondern ganz einfach aus eigenem Nichtwissen heraus. War es eine gute Idee? War es überhaupt auf irgendeine Art gut? Ich senke ausweichend meinen Kopf und richte meinen Blick gedankenverloren auf die Hände in meinem Schoß. Ich habe meine Finger ineinander gefaltet und sie auf meinen Oberschenkeln abgelegt. Morrell schweigt, wodurch das leise Rauschen des Diktiergerätes in den Vordergrund rutscht. Ihre Stimme wiederholt sich jedoch trotzdem weiterhin in meinem Kopf und somit auch ihre gestellte Frage: Und war das eine gute Idee.

Mein Bauch möchte sofort mit einem 'Ja' antworten. Das Angebot des Sheriffs, oder besser gesagt die Idee seines Sohnes, hat den unvermeidlichen Aufenthalt in einem Waisenhaus noch etwas länger heraus gezögert. Außerdem habe ich mich im Haus der Beiden sicher gefühlt. Zu mindestens so weit man das in meiner Situation sagen kann. Doch vor allem habe ich durch dieses Angebot Sachen in Erfahrung bringen können, die mir ansonsten wohl nie zu Ohren gekommen wären. Scott. Das Übernatürliche. Der Benefactor. Doktor Deaton. Liam. Ich atme tief durch und schüttele gedankenverloren meinen Kopf. Denn dieser schreit meinem Bauchgefühl ein lautes 'Nein' entgegen. Durch das Angebot habe ich auch viel verloren. Die Distanz zu dem Sheriff und seinem tollpatschigen Sohn. Generell meine Unschuld, mein Nichtwissen, dass ich mir in manchen Themenbereichen nur zu gerne zurückwünsche. Außerdem habe ich durch das Wohnen mit den Stilinski das Rätsel über den Mord an meiner Familie aufklären können...und manche Sachen sollten einfach unentdeckt bleiben.

„Diese Frage kann ich nicht beantworten," erkläre ich jetzt mit einem kurzen Räuspern, „zu mindestens noch nicht jetzt." „Wann dann?" Erneut verwendet die dunkelhäutige Vertrauenslehrerin einen forschenden Unterton und einen durchdringenden Blick. Automatisch fühle ich mich etwas unsicherer in meiner Haut und schnell versuche ich ihren aufmerksamen Augen zu entkommen. Dafür senke ich erneut meinen Kopf und lasse mir meine Haare strähnig ins Gesicht fallen. „Wenn die Geschichte vorbei ist," antworte ich anschließend mit einer leisten Stimme, woraufhin ich hören kann wir Morrell sich im Stuhl leicht zurücklehnt.

„Ist sie denn schon vorbei?"

Ich weiß, dass sie die echte Geschichte meint und nicht die, die ich ihr hier gerade nacherzähle. Doch wie schon zuvor kann ich diese Frage nicht klar beantworten. Noch nicht. Denn für mich ist die Geschichte so gut wie vorbei. Ich habe die Lösung auf mein eigenes Rätsel gefunden. Ich habe eine Entscheidung getroffen die die Frau vor mir wohl kaum noch ändern kann. Auch wenn ich noch etwas Hoffnung in meinem Herzen spüre. Vielleicht bin ich ja auch deshalb hier: damit Ms. Morrell mir meine Dummheiten ausredet. Damit sie mir erzählt wie schwachsinnig das alles hier ist. Wie schwachsinnig die ganze Geschichte ist. Aber auf der anderen Seite weis ich innerlich schon ganz genau wie das hier enden wird.

Dabei dürfte die Geschichte für Scott und Stiles noch lange nicht vorbei sein. Sie wissen noch nichts von meinem Gespräch mit dem Doktor und auch mit Liam konnte ich seit dem Morgen kein Wort mehr wechseln. Den Sheriff habe ich seit gestern Abend nicht mehr gesehen und dabei sollte ich vor allem ihm die Wahrheit sagen. In den letzten Tagen hat er sich in meinen Fall vertieft und verzweifelt nach etwas gesucht, dass es in der menschlichen Welt gar nicht gibt. Den Mörder. Er verdient die Wahrheit, genau wie Stiles und Scott. Auch sie haben das Recht alles zu erfahren.

Doch was heißt überhaupt alles?
Weiß ich selbst, was bedeutet?
Habe ich überhaupt auch nur eine Vorstellung von meinem Wissen und was es in einem großen Zusammenhang bedeuten könnte?
Könnte es noch gar nicht alles sein?

Bei diesem zweifelnden Gedanken läuft mir ein eisiger Schauer über den Rücken, der kurzzeitig meinen ganzen Körper erfasst und zum Erzittern bringt. Bisher hatte ich noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass das noch nicht alles sein könnte. Das ich noch nicht alles über den Mord an meiner Familie herausgefunden habe. Über die damals noch unbekannte Mädchenleiche in meinem Garten. Über ihre Identität und meinen Bezug zu ihr. Ms. Morrell reist mich aus meinem beängstigten Gedanken als sie sich hörbar laut in ihrem Stuhl aufrichtet und anschließend mit ruhiger Stimme bei mir nachfragt: „Brauchst du eine kurze Pause?"

Ich bin überrascht über ihr Angebot und kurzzeitig kann ich einen Blick auf ihre sie erhaschen. Seit Beginn unserer Sitzung ist bereits eine Stunde vergangen und obwohl ich bereits abwechselnd schwitze, friere und wieder angefangen habe nervös an meinen Nägeln herumspiele, haben sich die sechzig Minuten bisher eher so angefühlt wie wenige Sekunden. Das beständige Pochen hinter meinen Schläfen hat sich in der Zwischenzeit reduziert und ich habe das Gefühl mein Herz fest gegen meine Brust schlagen zu hören. Ich weiß, dass wenn ich jetzt aufhöre, ich nicht erneut den Mut aufbringen kann die Geschichte zu erzählen. Also schüttele ich langsam den Kopf.

„Ich würde lieber die Geschichte weitererzählen."

Ms. Morrell nickt bei meinem Vorschlag verstehend, fängt jedoch erneut damit an den Kugelschreiber in gleichmäßigen Abständen auf den Block zu klopfen. Dessen weiche Oberfläche dämpft zwar das Klopfgeräusch, kann es jedoch nicht ganz verschlucken und obwohl ich mir sicher bin, dass es auf der Aufnahme nicht hörbar ist, ist es für meine Ohren jedoch nervtötend laut. Jedoch traue ich mich nicht, etwas dagegen zu sagen und richte meinen Blick stattdessen auf die Vertrauenslehrerin, die mich gerade ebenfalls abschätzend mustert.

„Denkst du, du bist dafür bereit?"

Es ist das erste Mal, dass sie mir diese Frage stellt. Dabei hätte ich sie am Anfang unseres Gespräches erwartet. An der Stelle, in der ich nervös in ihr Büro geplatzt bin und ohne Erklärung einen sofortigen Termin verlangt habe. Zu meinem Glück hatte sie zufällig Zeit, weshalb ich tatsächlich jetzt hier sitze. Etwas Gutes. Denn hätte sie mich vor einer Stunde abgelehnt, wäre ich wahrscheinlich nicht noch einmal zurück gekommen. Niemals. Doch so langsam habe ich das Gefühl, dass dies vielleicht auch besser gewesen werde. Umso mehr Personen von mir und meiner Geschichte wissen, umso größer ist die Gefahr, dass man mich hier und jetzt ins Eichenhaus einweist. Kopfschüttelnd versuche ich den Gedanken zu vertreiben, in dem ich meine Aufmerksamkeit auf den Grund für mein Kommen lenke.

„Ich denke, es wird Zeit dass irgendjemand die Geschichte erzählt," erkläre ich der Frau vor mir anschließend meine Gedanken, auch wenn uns beiden klar ist dass ich damit nicht ihre  Frage beantworte. Jedoch gibt sich Ms. Morrell vorerst mit der Antwort zufrieden und nickt leicht. Dann gibt sie mir ein Zeichen zum Weiterzusprechen und bevor ich meinen Mut ganz verliere, hole ich ein weiteres Mal tief Luft und setze meine Erzählung am damaligen nächsten Tag fort.

Lizamoore (Teen Wolf FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt