Take 1

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„So haben Sie die Beiden also kennenlernt!"

Die schwarzhaarige Frau vor mir nickt wissend und nimmt mir somit die Pflicht ihren Satz zu bestätigen. Sie macht eine Notiz auf ihrem kleinen Block, lässt ihre Knie dabei jedoch weiterhin übereinander geschlagen. In ihrer schwarzen Hose und der dunkelgrünen Bluse wirkt sie professioneller als von einer durchschnittlichen Vertrauenslehrerin erwartet. Sie scheint Erfahrung zu haben - ihr wissender Blick durchbohrt mich geradezu und veranlasst mich, nervös auf der Stuhlkante herum zu rutschen. Es ist das erste Mal, dass sie mich in meiner Nacherzählung unterbricht und es ist auch das erste Mal, dass sich etwas anderes als meine Stimme mit den gleichmäßigen Rauschen des Diktiergerätes mischt.

„Und ihr wart auch die Ersten, die sie gefunden haben?"

Sie hat eine ruhige Stimme. Eine angenehme. Trotzdem fühle ich mich in dieser Sekunde nicht wirklich wohl. Weder auf dem harten Holzstuhl, noch in ihrem kleinen Büro und schon gar nicht ihr direkt gegenüber. Aber ich schulde ihr, und jedem anderen, Antworten und ich finde es ist eine gute Idee meine Vermutung, mein Wissen, zu erst mit der jungen Vertrauenslehrerin zu klären, bevor ich Scott und Stiles einweihe. Vielleicht kann sie mir bestätigen, dass mein momentaner Zustand total hirnrissig ist. Dass alles was man mir bisher erzählt hat, total hirnrissig ist. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie viel ich ihr von dem, was passiert ist wirklich erzählen kann.

Ich bemerke ihren Blick auf mir hängen und nicke schnell. Ich möchte meine Antwort ausweiten, scheitere dann jedoch an meiner rauen Stimme. Peinlich berührt räuspere ich mich, bevor ich leise zustimme: „Ja. Die Polizei hatte dem Garten bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Aufmerksamkeit geschenkt!" Ich lege meine Hände auf meinem Schoß ab und wische mir dabei unauffällig den Schweiß von den Fingern. Ich bin nervös und ihr durchdringender Blick ändert daran überhaupt nichts. Unterbewusst fange ich damit an abstehende Hautfetzen an meinen Fingern zu finden und sie entgegen der Wachsrichtung abzuziehen.

„Wie hast du dich in diesem Moment gefühlt?"

Eine solche Frage habe ich nicht erwartet. Ich schüttele leicht den Kopf und zucke mit den Schultern. Keine Ahnung. „Bitte versuche dich daran zu erinnern," bittet mich jetzt die Therapeutin und unsicher wechsele ich meine Sitzhaltung, in dem ich mich leicht zurücklehne und die Beine unter dem Stuhl verschränke. Vor dem Zimmer höre ich Schritte. Stimmen. Türen. Ich habe keine Ahnung, warum wir die Sitzung in der Schule machen. Schon der Gedanke daran, das in dieser Sekunde hundert von Schülern an dem Raum vorbeischlendern, lässt mich leicht erzittern. Meine Finger finden einen besonders weit abstehenden Hautfetzen und langsam ziehe ich ihn in Richtung Handfläche. Ein kurzer brennender Schmerz durchzuckt meinen Finger. Ich lasse mir nichts anmerken, reise den Fetzen jedoch weiterhin von meiner Haut.

Ich spüre den Blick der Frau auf mir und bemerke erst jetzt, dass sie noch immer auf eine Antwort wartet.

„Ich habe nichts gefühlt," sage ich jetzt und starre auf meine Hände, um ihren forschenden Blick auszuweichen. In der Zwischenzeit hat der Hautfetzen eine blutende Wunde zurück gelassen. Ein roter Fleck bildet sich auf meinem Finger, der unter den Schmerzen leicht pulsiert. „Auch dann nicht, als sie die Leichen aus dem Garten getragen haben?" Ich schüttele langsam den Kopf und erkläre meine Reaktion ohne sie anzuschauen: „Das habe ich nicht gesehen," kurzes Zögern meinerseits, „Der Sheriff hat mich sofort ins Revier gefahren!" „Nicht ins Krankenhaus?" Ich schiebe meine kalten Hände zwischen meine Oberschenkel und schüttele erneut leicht mit dem Kopf. Dadurch fallen mir einzelne Strähnen meiner Haare ins Gesicht. „Er wollte mir ein paar Fragen stellen!"

„Zu welchem Thema?"

Obwohl es ihr Job ist, gefällt mir ihr forschendes Nachfragen nicht. Allen voran deshalb, weil sie immer genau an den Stellen nachfragt, wo es weh tut. Ich atme tief durch und hebe meinen Kopf. Ich schaue ihr in die Augen und lecke mir langsam über die trockenen Lippen. Dann antworte ich auf ihre Frage: „Er wollte wissen, wie der Mörder es geschafft hat fünf Gräber zu buddeln und trotzdem noch rechtzeitig zu fliehen!" „Deine Antwort?" Ich zögere kurz, bevor ich ratlos mit den Schultern zucke. Das beschreibt meine damals gegebenen Antwort ziemlich gut und auch jetzt passt sie ausgesprochen gut. Denn weder möchte ich der jungen Frau alles aus den letzten Wochen erzählen, noch weiß ich über ihren Wissenshorizont bescheid.
Weiß sie das es in Beacon Hills Werwölfe, Kanimas und Jäger gibt?!

„Im Revier," sie macht eine kurze Sprechpause und gibt mir somit die Zeit meine Konzentration zurück auf das Gespräch zu lenken, „Hattest du dort noch einmal zu Kontakt zu Stiles und Scott?" Obwohl mir bewusst ist, dass die junge Frau die beiden Jugendlichen von der Schule kennen kann, lässt mich ihr selbstbewusster Ton kurz Zögern. Sie spricht über die beiden Teenager ruhig und gelassen, so als würde sie die Beiden schon etwas besser kennen. Als wüsste sie, dass die Beiden immer irgendwie überall sind. Ich schüttele kaum merklich den Kopf um diesen unpassenden Gedanken - inwiefern ist dieser überhaupt relevant? - zu vertreiben. Dann richte ich meinen Blick klar auf die Frau und antworte wahrheitsgemäß auf ihre Frage: „Nicht wirklich. Der Sheriff hat ihnen nach diesem Vorfall jeglichen Kontakt zu mir verboten und erstmal auch dafür gesorgt, dass sie kein Wort mit mir reden können!"

„Hat sie das aufgehalten?"

Ein kleines Lächeln macht sich meinem Gesicht breit als ob daran zurückdenke, wie dieses Verbot die beiden nicht davon aufgehalten hat mich ein weiteres Mal zu Besuchen. Stattdessen hatten sie mich erneut so unerwartet besucht wie nach der ersten Nacht des Mordes. „Nein. Sie haben sich wieder in das Krankenzimmer geschlichen," antworte ich schließlich auf die Frage der Vertrauenslehrerin und verdränge mein Lächeln, dass wenigstens etwas das Gefühl von Unwohlsein vertreibt.

„Und konnten sie dir dieses Mal weiterhelfen?"

Langsam und in Gedanken versunken nicke ich. Obwohl ich es nicht Glauben kann, muss ich der Lehrerin zugestehen, dass die Beiden mir über den längeren Zeitraum tatsächlich angefangen haben zu helfen. Dass ich dank ihnen heute hier sitzen kann und zu wissen glaube, was in dieser einen verhängnisvollen Nacht mit meiner Familie passiert ist. Auch wenn das nur zum Teil ihr Verdienst ist. „Gut. Dann möchte ich ja nicht hetzten," sie zwinkert mir freundschaftlich zu, „Denn niemand mag einen Spoiler, richtig?!"

Kurz bin ich von ihrem freundschaftlichen Ton und der inhaltlichen Verknüpfung von meiner Leidenserfahrung mit einem Film verwundert. Doch dann nicke ich zustimmend und fasse ihre Worte als das auf, was Sie sind: eine Aufforderung zum Weitersprechen. Also räuspere ich mich und lehne mich in dem Stuhl leicht zurück. Trotzdem berührt mein Rücken noch lange nicht die Lehne und auch meine verklemmte Haltung zeigen mein Unwohlsein. Das Pochen in meinem Finger hat aufgehört und der Tropfen Blut verschwindet nahezu unsichtbar auf dem dunklen Stoff meiner Jeanshose. Ich fühle mich eigentlich nicht bereit zum Weitersprechen. Trotzdem zeige ich keine Scheu und fange erneut damit an, die chaotische Geschichte von mir und den beiden Jugendlichen weiter nachzuerzählen.

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Ich glaube dieses Kapitel bzw. dessen Prinzip erklärt sich hoffentlich von alleine. Im Verlauf des Buches sind weiterer solcher Einschnitte/Unterbrechungen geplant - wie viele/oft kann ich jedoch noch nicht sagen. Deshalb hoffe ich erstmal, dass euch das Prinzip und die bisherige Grundidee der Geschichte gefällt

Lg CoolerBenutzername
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Lizamoore (Teen Wolf FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt