"Und am letzten Freitag, den ihr hier noch im Camp verbringt, findet das alljährliche Lacrosse-Turnier statt. Die Siegermannschaft erhält den Camp Silvertown Wanderpokal und kann sich über einen tollen Sachpreis freuen." Ms. Jenkins stockte kurz und warf einen kurzen Blick auf ihr Klemmbrett. "So, das wärs dann auch. Wir treffen uns in einer halben Stunde beim Parkplatz."
Die Menge murmelte vor sich hin und widmete sich lieber wieder ihrem Frühstück. Ich betrachtete die missmutigen Gesichter und verstand die schlechte Laune der Campteilnehmer. Es war Montagmorgen und etwa halb acht Uhr. Noch vor einer halben Stunde war jeder von uns in seinem kuschelig warmen Bett. Dann hatten sich die Betreuer aber jede einzelne Hütte vorgenommen und die Bewohner geweckt und dazu aufgefordert pünktlich zum Frühstück zu erscheinen.
Ich trank den letzten Schluck Kaffee und biss nochmals von meinem Brötchen ab. Billie, die neben mir saß, konnte sich kaum aufrecht halten und starrte mit verkniffenen Augen auf ihre Cornflakes. Bloß Milo und Anthony und einige wenige Ausnahmen schienen sich tatsächlich auf den Ausflug in das Canyon Climb Adventure, einen Indoor Klettergarten, zu freuen. Ich war eigentlich immer schon ein großer Fan vom Klettern gewesen und war dort schon des öfteren mit meinem Dad gewesen, der sich mindestens einmal in der Woche in der Kletterhalle herumtrieb.
Ich gähnte und folgte dann Alex zu unserer Hütte. Ich hatte nach dem vorherigen Tag nicht sehr gut geschlafen, da ich meine Gedanken nicht abschalten konnte. Der Sonntag war eigentlich ziemlich ruhig verlaufen. Nach dem Frühstück hatte ich mich auf die Veranda gesetzt und in einem der Bücher für die Uni weitergelesen. Wie immer machte ich mir dazu Notizen, unterstrich besonders wichtige Sätze mit einem hellblauen Marker und machte Kringel um Dinge, die ich mir unbedingt merken sollte. So hatte ich beinahe den gesamten Vormittag verbracht. Kurz vor dem Mittagessen war Milo gekommen und hatte sich zu mir gesetzt, mich eine Weile beobachtet und schließlich ein Gespräch darüber begonnen, wie unsinnig es war in den Ferien zu lernen. Ich hatte bloß gelacht und ihm erklärt, dass ich vorbereitet sein wollte.
"Zum Lernen hast du noch dein halbes Leben Zeit. Jetzt solltest du Spaß haben, dich ganz auf das hier konzentrieren und am besten ganz viele Erinnerungen schaffen, an die du wehmütig zurückdenkst, wenn du in deinem kleinen Zimmer im Studentenwohnheim sitzt, deine dritte Tasse Kaffee leerst und dich über fünf Bücher gleichzeitig beugst, um unsinniges Wissen aufzusaugen.", hatte er gesagt und mich damit tatsächlich zum Nachdenken gebracht. Etwas ähnliches hatte bereits meine Mom gesagt und eigentlich wollte ich diesen Ratschlag auch umsetzten, sonst wäre ich nicht dort, in dem Camp. In jedem Fall hatte ich mein Buch weggeräumt und war zusammen mit den anderen zum Mittagessen gegangen. Später waren wir am See und ich gewann zusammen mit Alex und Billie in einem Beachvolleyballmatch gegen Linda, Meghan und Edison. Linda war in meinem Lacrosseteam gewesen und Edison kannte ich eigentlich bloß vom Sehen. Trotzdem war es ziemlich lustig gewesen, auch wenn Linda sich kaum um die Spielregel geschert hatte. Abends hatte ich noch lange Zeit auf der Website der Cornell University verbracht und nachdem ich den Laptop endlich zuklappte, war mir wieder eingefallen, was Milo gesagt hatte. Spätestens dann war es vorbei mit meinem Schlaf.
Nun lehnte ich meinen Kopf an das kühle Fenster des Busses und sah zu, wie wir langsam aus dem Sawmill Creek Naturpark zurück in unsere Heimatstadt Syracuse fuhren. Die Fahrt dauerte etwa eine Stunde, was vor allem dem Verkehr in der Großstadt zuzuschreiben war. Währenddessen lauschte ich der Musik aus meinen Kopfhörern. Ich war froh, dass ich neben Billie saß, die die ganze Fahrt über schlief, so dass ich kein Gespräch führen musste. Dafür war ich nicht wirklich aufgelegt. Alex hingegen saß neben Prudence aus unserem Lacrosseteam und kam kaum dazu den Mund zu schließen.
Vor der Kletterhalle hielten wir an. Ich ließ mir Zeit beim Aussteigen und sog die Luft ein. Hier war die Luft nicht ganz so klar, nicht ganz so kühl, wie im Camp, aber sie war so wie ich sie schon mein ganzes Leben lang kannte. Ich schulterte meinen Rucksack und gesellte mich zu Alex hin, die gerade in ihrem Smartphone herumtippte. Ich erkannte, dass sie eine Nachricht an ihre Kusine Gigi tippte. "Gigi richtet dir liebe Grüße aus."
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Camp Silvertown
Teen FictionOlivia Benett fühlt sich wie ein Geist. Auch nach vier Jahren Highschool, in denen sie jeglicher Konfrontation mit Parties, Jungs und Spaß auswich, kann sich kaum jemand an ihren Namen erinnern. Das will sie ändern. Und was bietet eine bessere Mögl...