Woche 3, Tag 4

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Der nächste Tag sollte genauso heiß werden, wie der vorherige. Eigentlich war daran ja auch nichts auszusetzen, hätte man denn am Ufer des Onondaga Sees herumliegen und sich ab und zu mit einem Sprung ins Wasser abkühlen können. Doch, Mr. Ward, Mr. Miller und Ms. Jenkins hatten für jenen Donnerstag etwas anderes geplant. Eine Wanderung, und dabei sollten wir noch die historischen Mühlen besichtigen. Das klang öde und vor allem auch anstrengend.

Glücklicherweise führte der Wanderweg durch den schattigen Kieferwald. Die Luft dort war nicht ganz so heiß und schwül, wie in der prallen Sonne. Außerdem folgten wir dem Lauf des Saw Mill River, der etwas kühlere Luft spendete. Ich stapfte neben Billie und Alex her, meine Hände umklammerten beidseits die Rucksackriemen und die Wasserflasche im Inneren des Rucksacks gluckste fröhlich vor sich hin. Unser Proviant bestand aus je drei Sandwiches, einem Apfel, einer Flasche Wasser und einem Müsliriegel mit Schokoladenstückchen. Das alles sprach dafür, dass wir wohl länger unterwegs sein würden.

Wegen der Ereignisse am Vortag war ich schlecht gelaunt und nervte Alex und Billie damit, dass ich immer wieder aus dem nichts anfing, mich über ein und dasselbe aufzuregen. Aber ich konnte einfach nicht anders. Was war bloß mit den Jungs unserer Generation? Die hatten doch alle eine ganz, ganz falsche Herangehensweise, was Liebe betraf.

Nach etwa einer Stunde machten wir Halt, um uns die erste Mühle anzusehen. Das kleine hölzerne Gebäude, war wohl erst vor kurzem restauriert worden, denn der Geruch von Farbe hing noch in der Luft, als wir eintraten. Die dreißig Leute unseres Camps hatten nur knapp darin Platz. Mr. Miller begann mit seinem Vortrag über die historischen Mühlen des Sawmill Creek Nationalpark, während ich mal wieder tief in meine eigenen Gedankengänge versank. Tony hatte ich heute noch nicht einmal angesehen. Die wenigen Mal, die sich unsere Blick streiften, wandte ich mich ruckartig ab. Aber aus den Augenwinkeln hatte ich bemerkt, dass Tony und Milo wieder miteinander sprachen. Darüber war ich sehr erleichtert, schließlich war es ja irgendwie meine Schuld gewesen, dass die beiden nicht mehr miteinander geredet hatten. Ich seufzte und starrte auf den großen Mahlstein, auf den Mr Miller gerade wies. Ich konnte einfach nicht fassen, dass Tony tatsächlich in mich verliebt war. Und ich konnte nicht einmal gegenüber mir selbst leugnen, dass mich das irgendwie freute. Aber trotzdem... Die Sache, die er mit Sophia abgezogen hatte, war wirklich schrecklich und wer weiß? Vielleicht würde er nächstes Mal, nicht davon abschrecken, dies zu wiederholen.

Erst als mir Alex einen Ellbogen in die Rippen stieß, wurde ich wieder zurück in die Realität katapultiert. Sie deutete auf den Ausgang und erst jetzt bemerkte ich, dass alle anderen schon draußen vor der Mühle standen. Mr. Miller allerdings redete immer noch über die Funktionsweise der Mühlen, bis Ms. Jenkins ihn endlich unterbrach. "Danke, Richard. Ich denke, das reicht erst Mal." Ms. Jenkins schenkte ihm ein Lächeln und wandte sich dann an uns. "Wir machen noch 15 Minuten Rast, ihr könnt etwas essen und trinken, dann geht es wieder weiter."

Alex, Billie und ich setzten uns unter eine große Kiefer und lehnten uns an den mächtigen Stamm. Ich verspeiste eines meiner Sandwiches und nahm ein Paar Schlucke von meinem Wasser.

"Mein Cousin Colt hat gesagt, dass diese Wanderung die allerschlimmste Aktivität des ganzen Camps sei.", sagte Billie und schob ihre Brille zurück auf die Nase. Colt hatte letztes Jahr seinen Abschluss gemacht.

Alex seufzte. "Ja, wir besichtigen die zwei Mühlen, den restlichen Tag wandern wir bloß." Sie seufzte. "Heute ist es viel zu heiß dafür."

"Vor allem wissen wir doch alle, wessen Idee diese Aktivität war." Billie verdrehte die Augen. "Mr. Miller hört sich einfach zu gerne über alte Mühlen reden."

Ich gluckste leise. Dann allerdings ertönte ein Pfiff und es ging weiter. Wir besichtigten noch eine weitere Mühle, die genau so war wie die andere (was unser ehemaliger Englischlehrer allerdings nicht einsehen wollte) und marschierten weiter durch den Wald. Nach einer Weile wurde der Wald lichter und meine Befürchtung, dass wir in der prallen Sonne weiter mussten, bestätigte sich. Alex wischte sich den Schweiß von ihrer Stirn, an der schon einzelne, nasse blonde Strähnen klebten. "Ich fühl mich, als hätten wir ein Lacrossespiel gegen die McDonogh High School hinter uns."

Camp SilvertownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt