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Am nächsten Morgen ist Jule früh wach. Tief in Gedanken versunken steht sie am Fenster, als Andreas in die Küche kommt und sie umarmt. „Guten Morgen Liebes" – „Guten Morgen" – „Jule, ich will dich wirklich nicht drängen!" – „Schon gut" – „Nichts ist gut, ich merk doch wie du reagierst" – „Schatz, das will gut durchdacht sein. Mir ist einiges durch den Kopf gegangen heute Nacht. Ich denke, wir müssen da noch viel reden, das muss eine gemeinsame Entscheidung sein, egal ob für oder gegen ein Baby". Grübelnd nickt Andreas, der sich das alles ein bisschen einfacher vorgestellt hat. „Setz dich!", sagt er dann zu Jule. Sie blickt zur Uhr. „Andreas, du hast doch gar keine Zeit" – „Doch, die nehm ich mir jetzt". Seufzend setzt sich Jule ihm gegenüber. „So, jetzt erzähl mal, was dir so durch den Kopf geht", fordert Andreas sie auf. „Ich dachte, du willst mich nicht drängen?" – „Liebes, das will ich auch nicht. Aber ich will wissen, was du denkst – Gedankenlesen kann ich leider nicht, auch wenn ich das manchmal gern möchte!" Mit hochgezogenen Brauen sieht sie ihn an. „Du weißt genau, dass das ein Trick ist in der Show" – „Klar", lächelt Jule. Dann beginnt sie, ihm ihre Gedanken darzulegen, das Pro und Contra, die Ängste, einfach alles, was sie beschäftigt. Andreas sitzt nur da und hört ihr zu. Als sie fertig ist, schweigen beide eine Weile. „Ok, ich habe mir das leichter gedacht, als es anscheinend ist", meint er nach einiger Zeit. „Aber weißt du, was mir grade ein bisschen fehlt?". Andreas steht auf und geht zu Jule. „Was ist da drin? Was sagt dein Herz?", fragt er und deutet auf ihre Brust. Jule sieht zu Boden. „Das sagt ganz leise Ja, wird aber vom Kopf übertönt, Andreas". Er geht vor ihr in die Hocke und nimmt ihre Hände. „Jule, ich liebe dich mehr als mein Leben. Es ist egal, wie du dich entscheidest. Nimm dir die Zeit, die du brauchst" – „Wir haben nicht mehr alle Zeit der Welt, Andreas. Ich bin 38, nicht mehr 28" – „Das ist mir bewusst, aber trotzdem". Er gibt ihr einen sanften Kuss und sieht ihr dann tief in die nachdenklichen Augen. „Ich würde jetzt gern noch bei dir bleiben, aber die Arbeit ruft, Liebes" – „Ja, geh schon rüber. Ich komm schon klar". Also geht er in die Werkstatt und in sein Büro. Auch Chris verkriecht sich nachdenklich in seinem Büro. Die Crew ist sehr überrascht, so ganz ohne Frotzeleien zwischen den Brüdern – das gibt's sehr selten.

Nach einer Weile schreibt Jule Lisa. „Hey Lisa, darf ich auf einen Sprung vorbeikommen?" _ Klar, ich bin hier. Ein bisschen Ablenkung schadet mir nicht. Komm einfach!". Also fährt Jule los. Die beiden Frauen umarmen sich und gehen in die Küche. Sie sitzen erst mal schweigend am Tisch. „Jule, hast du Probleme?", fragt Lisa nach einer Weile. „Hmmm? ... Nein, Probleme nicht, ich soll nur eine Entscheidung treffen, und die ist sauschwer" – „Oh. Willst du drüber reden?" – „Danke, das ist lieb von dir. Aber mir reicht eigentlich schon, wenn ich jetzt nicht allein bin" – „Ist gut, Jule. Ich bin jederzeit für dich da" – „Das weiß ich, Lisa.Sag mal, was ist das für ein Durcheinander im Wohnzimmer?" – „Ich sortier grad die Unterlagen, die ich dabei habe. Was ich für die Scheidung vielleicht brauche oder was nicht" – „Soll ich dir helfen? Ich hab das schon zweimal durch, einmal selber und einmal mit Andreas. Ich weiß ungefähr, was wichtig ist" – „Das würde mir sehr helfen, glaub ich" – „Na komm, lass uns einfach anfangen!".

Die beiden gehen rüber und Jule sieht sich die Papiere an. Auf einmal hält sie eine Urkunde hoch. „Lisa, das Haus in dem dein Mann wohnt gehört dir?" – „Ja,warum?" – „Weil das für den Unterhalt, den du für Julia zahlen müsstest, ganz wichtig ist. Aber das wird dir Thorsten dann genauer erklären. Wann hast du den Termin bei ihm?" – „Übermorgen Vormittag. Und Nachmittag dann das Vorstellungsgespräch. Mir ist ganz schlecht, wenn ich dran denke" – „Woran?" –„Beides" – „Lisa, das schaffst du. Fährt Chris mit?" – „Keine Ahnung, wir haben nicht drüber geredet. Das ist ja auch der Tag, an dem sie abends wieder losfahren, ich glaube nicht, dass er Zeit hat" – „Ich glaub, besonders für denTermin bei Thorsten würde er sich bestimmt die Zeit nehmen. Frag ihn doch einfach. Andreas hat sich heute morgen auch einfach hingesetzt mit mir, und ist später rüber in die Werkstatt! Ist ganz praktisch, wenn man sein eigener Chef ist". Lisa nickt nachdenklich. Jule geht weiter Unterlagen durch und stutzt. „Und was ist das?". Jule hält den Zettel mit der Adresse und dem Termin des Psychologen hoch. „Egal" – „Nein! Lisa, das ist ein sehr angesehener Psychologe in Herford. Wieso hast du da einen Termin?" Lisa schweigt, Jule geht zu ihr hin und legt den Arm um sie. „Lisa, willst du mir das nicht erklären?" – „Vielleicht, irgendwann mal, wenn ich selber damit klarkomme" – „Okay", nickt Jule. Sie sieht Lisa grübelnd an, der gerade Tränen in den Augen schwimmen. Sie denkt über den Trubel der letzten Tage nach, und kommt zu dem Schluß, dass irgendwas Gravierendes in der Vergangenheit von Lisa passiert sein muss. „Wenn du Hilfe brauchst, ich bin da für dich Lisa!". Diese nickt und beginnt wieder, Papiere von einem Stapel zu nehmen. So machen die Frauen noch etwas weiter, und kommen gut vorwärts. In der Mittagszeit fährt Jule wieder nach Bünde, um die hungrige Meute zu versorgen.


Andreas kommt auch zum Essen, was in den letzten Wochen und Monaten sehr selten der Fall war. „Das war wieder total lecker, Jule", meint er, als die Kinder in ihren Zimmern verschwunden sind. „Ich glaub, dir kann man alles vorsetzen, dir schmeckt alles", lächelt Jule, die gerade den Tisch abräumt. Andreas geht zu ihr hin, nimmt ihr die Teller aus der Hand, stellt sie in die Spüle und dreht sich zu ihr, um sie dann zu sich zu ziehen. Er sieht ihr tief in die Augen. „Ich hasse es jetzt schon!" – „Was?" – „Dass ich ab Donnerstag wieder unterwegs bin" – „Du hast es immer überlebt, Andreas", schmunzelt Jule und gibt ihm einen liebevollen Kuss. „Ja, aber diesmal ist es heftig. Von Hamburg nach Zürich in vier Tagen ist ziemlich stressig. Noch dazu die Zusatz- und Auslandstermine, die wir eingeschoben haben in den nächsten Wochen" – „Ja, und wer hat das so geplant?" – „Das Management" – „Und wer noch?" – „Wir", gibt Andreas zerknirscht zu. „Du hasst deine Arbeit nicht, Andreas! Du liebst sie! Ohne die Magie wärst du nicht du, Schatz". Jule dreht sich von ihm weg und räumt weiter die Küche auf. Andreas bleibt stehen und sieht ihr zu – sie hat ihre eigene Ordnung und mag es nicht so gern, wenn man ihr drunterpfuscht. Er hat das Gefühlt, dass sie sich ihm entzieht. Das Thema Baby steht wie eine unsichtbare Wand zwischen ihnen, das wollte er nicht. „Jule?" – „Hmm?" – „Hast du für deinen Geburtstag was geplant?" – „Andreas, mein Geburtstag ist kurz vor eurer Stadionshow. Da hat doch sowieso keiner Zeit! Außerdem habe ich meinen Geburtstag noch nie gefeiert" – „Was hältst du davon, wenn wir danach ein paar Tage wegfahren, nur wir beide?". Jule sieht ihn überrascht an. „Wo willst du denn hin?" – „Nee, das sag ich dir nicht. Das wird eine Überraschung" – „Dann lass ich mich überraschen", lächelt Jule. „Liebes, komm doch mal her", sagt Andreas und geht zu ihr. Er nimmt ihre Hände, legt sie auf ihren Rücken und hält sie fest. „Ich mag diese Stimmung nicht, die grade zwischen uns herrscht. Die ist wie kurz vor einem Gewitter, man kann die Spannung richtig fühlen". Jule senkt den Blick und schweigt. „Was ist deine größte Sorge?" – „Keine Ahnung ... alles irgendwie. Das Alter, die Arbeit, von dir abhängig sein, das dritte Kind von einem dritten Mann ... alles blöd grad" – „Ach Julchen, darf ich ein bisschen beim zerstreuen helfen?". Jule sieht ihn an. „Sieh mal, es gibt Frauen, die noch älter waren als sie Kinder bekommen haben. Die Arbeit kannst du später wieder anfangen, wenn das Kleine in den Kindergarten kommt. Abhängig sein von mir wirst du nie, das darfst du einfach nicht so sehen – klar sorge ich für den finanziellen Rückhalt, aber der ist ja für unsere Familie, das ist keine Abhängigkeit! Was war noch? Drittes Kind vom dritten Mann – ist halt so, dafür, dass dein erster Mann starb und der zweite nicht gut war für dich, können die Kinder nichts" – „Andreas, ihr seid so viel unterwegs und gefährlich ist es auch teilweise in eurer Show. Wenn dir was passiert, stehe ich mit drei Kindern alleine da!" – „Nein, du stehst auch jetzt nicht alleine da, Jule. Du bist finanziell abgesichert und meine Familie steht hinter dir" – „Wieso bin ich finanziell abgesichert?" – „Weil ich das bereits beim Notar geregelt habe". Jetzt sieht ihn Jule sprachlos an. „Du hast WAS?" – „Steffi rausgenommen und dich und deine Kinder ins Testament mit aufgenommen. Jule, du bist mein Leben und die gute Seele hier, sollte mir was passieren, möchte ich, dass du wenigstens finanziell keine Sorgen hast". Jule löst sich aus seinem Griff und setzt sich auf den nächstbesten Stuhl. „Du kannst das doch nicht einfach machen ohne mich zu fragen!" – „Doch, weil ich genau weiß, dass du das nicht willst". Jule atmet tief durch, dann steht sie auf, geht nach draußen und nimmt ihren Autoschlüssel. „Wo willst du denn hin?". Andreas läuft ihr nach. „Weg. Lass mich!", sie stößt ihn zur Seite und geht zu ihrem Auto. Andreas sieht ihr fassungslos hinterher. War das wirklich so falsch, Jule ins Testament zu nehmen?

Magic Love - EB FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt